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Astronomie: Jeder Stern an seinem Platz

Astronomie

Jeder Stern an seinem Platz

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    Ein Ausstellungsexemplar der „Uranometria“ stammt aus dem Besitz Johann Bayers und trägt dessen Schriftzug mit dem Datum 9.September 1603. Unter dem Steinbock (Sternbild von Kaiser Augustus) die Ansicht der Augustus-Stadt Augsburg.
    Ein Ausstellungsexemplar der „Uranometria“ stammt aus dem Besitz Johann Bayers und trägt dessen Schriftzug mit dem Datum 9.September 1603. Unter dem Steinbock (Sternbild von Kaiser Augustus) die Ansicht der Augustus-Stadt Augsburg. Foto: Fotos: hks

    Dass sich nicht alle Planeten um die Erde drehen, war als kopernikanische Wende vor 500 Jahren eine ähnliche Revolution wie in jüngerer Zeit die Erkenntnis, dass auch unsere eigene Galaxie (Milchstraße) nicht Zentrum eines in sich ruhenden Weltalls ist. Vielmehr dehnt sich dieses All aus, und zwar, wie die drei Gewinner des diesjährigen Physik-Nobelpreises herausgefunden haben, mit zunehmender Geschwindigkeit, als würde es von einem geheimnisvollen Sprengstoff („Dunkle Energie“) angetrieben. Die Teleskope dieser nunmehr höchst geehrten Supernova-Forscher erlauben Einblicke in Bereiche des Universums, die unvorstellbare Milliarden Lichtjahre entfernt sind.

    Noch vor Erfindung des Fernrohrs

    Was konnte Forschung erreichen, die nur mit dem bloßen Auge den Sternenhimmel erkundete? Immerhin so Erstaunliches wie den 1603 (also fünf Jahre vor Erfindung des Fernrohrs) in Augsburg erschienenen Sternenatlas „Uranometria“ des Johann Bayer (1572–1625). Die Kupferstiche seines jüngeren

    Bayers epochale Neuerung bestand darin, dass er die einzelnen Sterne jedes Sternbildes nach ihrer scheinbaren Helligkeit, also nach Sterngröße, katalogisierte und dabei nach dem griechischen Alphabet vorging. So ist, um ein Beispiel zu geben, Alpha Leonis der hellste Stern des Sternbildes „Löwe“.

    Anders als bis dahin üblich wurden in der „Uranometria“ die Sternbildkarten im echten Himmelsanblick gestochen. Daher war es auch möglich, dass sie jetzt ans Himmelsgewölbe des Augsburger Planetariums projiziert werden konnten, wobei dessen Leiter Gerhard Cerny die zumeist genaue Positionierung der Bayer’schen Sterne nachwies.

    Fußend auf Ptolemäus und Tycho Brahe

    So nimmt nicht wunder, dass die „Uranometria“ bis ins späte 19. Jahrhundert der bedeutendste Sternatlas blieb und in ihrer Katalogisierung nach Sterngrößen bis heute nachwirkt. Sie fußte auf dem astronomischen Nachschlagewerk des Ptolemäus (um 150 n. Chr.), wie es durch die Rückübersetzung aus dem Arabischen wieder verfügbar geworden war, sowie auf dem Sternenkatalog des dänischen Astronomen Tycho Brahe.

    Dieser war in den 1570er Jahren in Augsburg mit der Aufstellung eines riesigen Quadranten beschäftigt, sodass persönliche Kontakte mit Johann Bayer nicht auszuschließen sind. Bayer selbst stammte aus Rain am Lech, wurde in Augsburg Gymnasialschüler, in Ingolstadt Philosophie- und Jurastudent und dann in Augsburg Ratskonsulent. Er war universal gebildet, ein früher Romreisender, der in seiner „Uranometria“ römische und griechische Schriftsteller zur Mythologie der Sternbilder konsultierte.

    Faksimile in Kombination von 1603 und 1648

    In dem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass Bayer wegen des Riesenerfolgs seiner „Uranometria“ eine erweiterte Neuauflage betrieb und dabei die heidnischen Sternbilder durch christliche ersetzen wollte. Dazu versicherte er sich der Mithilfe Julius Schillers (Augsburger Ratskonsulent wie er), des Malers Matthias Kager, der Stecher Lukas Kilian und Caspar Schecks. Dieser christlich bestirnte Himmel („Coelum Stellatum Christianum“) erschien 1627 in Augsburg, ohne indes den Erfolg der mehrfach aufgelegten „Uranometria“ zu erreichen.

    Dieser Erfolg setzt sich nun fort in einem aufwendigen Nachdruck des „KunstSchätzeVerlags“ aus dem tauberfränkischen Gerchsheim. Dazu wurden die Augsburger Erstausgabe von 1603 für den Textteil und die Ulmer Ausgabe von 1648 für den Bildteil verwandt. Die Kombination wurde zusammen mit einem erklärenden Begleitband in der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek vorgestellt. Diese besitzt nicht weniger als vier Erstausgaben der „Uranometria“, die sie aus Anlass der Faksimile-Vorstellung in einer Vitrinen-Ausstellung (bis Ende November) aufgeschlagen hat – zusammen mit Raritäten wie der Sternbildkarte des Alessandro Piccolomini (Venedig, 1552) oder Julius Schillers christlichem Sternenhimmel (Augsburg, 1627). Die Gesamtbetrachtung ruft ins Bewusstsein, wie Astronomen neue Weltbilder schaffen und dadurch auch unser Selbstverständnis verändern.

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