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Archäologie: Spektakuläre archäologische Funde in der Region

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    Eine grünliche Schale, die in Augsburg gefunden wurde, zeigt den biblischen Sündenfall. Und sie erzählt, wann das Christentum in der Region ankam.
    Eine grünliche Schale, die in Augsburg gefunden wurde, zeigt den biblischen Sündenfall. Und sie erzählt, wann das Christentum in der Region ankam. Foto: Marcus Merk

    Das Nordendorfer Reitergrab hat für Schlagzeilen gesorgt: Archäologen haben einen Krieger aus dem frühen Mittelalter und sein Pferd entdeckt. Der spektakuläre Fund ist allerdings nur einer von vielen, die im Boden der Region gemacht wurden.

    1. Das silberne Zaumzeug

    Über 1000 Jahre schlummert das prunkvoll verzierte Silber-Zaumzeug nur wenige Zentimeter unter der Grasnarbe einer Lechfeldwiese. Es ist ein Zufall, dass die nie zu einem Acker wurde, obwohl alle Flächen im Umkreis unter den Pflug kamen. Und es ist ein Glücksfall, dass dort kein Schatzsucher fündig wurde, sondern Hobby-Heimatforscher Robert Gans die Metallstücke 2011 in der Nähe des Todtenweiser Ortsteils Sand entdeckte. Gans stößt dort auf eine Sensation. Er findet das erste Zeugnis der sagenumwobenen Schlacht auf dem

    Das bei Todtenweis gefundene Zaumzeug ist so prächtig, dass es vermutlich einem Heerführer gehörte.
    Das bei Todtenweis gefundene Zaumzeug ist so prächtig, dass es vermutlich einem Heerführer gehörte. Foto: Marcus Merk

    Erst Ende 2013, zweieinhalb Jahre nach der Entdeckung, und Untersuchung des gesamten Geländes, wird das Pferdegeschirr in der Archäologischen Staatssammlung in München zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert: das filigrane Stirnblech eines Pferdes, Teile von drei Anhängerscheiben, dazu die wappenförmigen Beschläge einer Riemenverzierung. Alle Fundstücke sind den Experten zufolge komplett aus Silber gefertigt, zum Teil sogar mit Gold überzogen. Die Archäologen sind sich sicher: Ein gewöhnlicher Reiter hat so etwas mit Sicherheit nicht besessen.

    Vielmehr sind Qualität und Verarbeitung im damaligen Ungarn ein Zeichen für den Rang und sozialen Stand eines Kriegers. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war es einer von drei Heerführern: Warum aber ließ der Reiter ein solch wertvolles Geschirr einfach so zurück? Dafür gibt es zwei Szenarien: Wo heute Wiese ist, war bis ins 15. Jahrhundert hinein noch Wald. Entweder floh der Reiter nach der verlorenen Schlacht in diesen Auenwald und legte das Zaumzeug ab, weil er nicht erkannt werden wollte. Oder das verwundete Pferd gelangte ohne Reiter dorthin. In beiden Fällen könnten Aasfresser entweder den Kadaver des Tieres samt Geschirr oder das verrottende Leder allein auseinandergezerrt haben. Das würde auch erklären, warum die einzelnen Teile des Militärgeschirrs zwar nur knapp unter dem Gras, aber teils voneinander entfernt gefunden wurden.

    2. Das Grab des Mädchens

    Ein Friedhof mit 22 Gräbern wurde in Friedberg-Süd freigelegt. Er gehörte zu einem Herrenhof aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts. Beerdigt wurden hier wohl die Familie des Hofherren mit Teilen seiner Gefolgschaft. Gefunden wurden Waffen und Sporen sowie drei Reitergräber der adeligen Oberschicht, erkennbar an Zaumzeug und Sattel. Dazwischen liegt das Grab eines im Alter von sechs Jahren gestorbenen Mädchens. Die Ausstattung verdeutlicht die weitreichenden Beziehungen der Familie, heißt es in dem Buch „Glanzvoll“ über das Museum im Wittelsbacher Schloss, in dessen archäologischer Abteilung der Schmuck ausgestellt wird. Eine Bügelfibel stammt aus einer Werkstatt in Westungarn, ein silbernes Pastoralkreuz aus dem östlichen Mittelmeerraum. Dieses zeigt, dass die Oberschicht sich bereits als Christen verstand, ihre Toten aber weiter nach den althergebrachten Sitten bestattete.

    Die Rekonstruktionsgrafik von Roger Mayrock zeigt eine Bestattung. Davor sind die Grabbeigaben – ein Silberkreuz und eine Bügelfibel, zu sehen, die dem Mädchen mitgegeben wurden.
    Die Rekonstruktionsgrafik von Roger Mayrock zeigt eine Bestattung. Davor sind die Grabbeigaben – ein Silberkreuz und eine Bügelfibel, zu sehen, die dem Mädchen mitgegeben wurden. Foto: Marcus Merk

    3. Der Brunnen aus Holz

    Die Reste des Fassbrunnens sind in Gablingen zu sehen.
    Die Reste des Fassbrunnens sind in Gablingen zu sehen. Foto: Marcus Merk

    Reich an Funden, deren Herkunft sich über eine Zeitspanne von mehr als 7000 Jahren erstreckt, ist der nördliche Landkreis Augsburg. In Thierhaupten entdeckte ein Bauarbeiter vor Jahren einen Mammutzahn, den er zunächst einmal mit nach Hause nahm, bevor er den Fund dann meldete. Auch in einer Sandgrube bei Dinkelscherben wurde ein über 50000 Jahre alter

    1996 wurden die Hölzer eines römischen Fassbrunnens auf der Gablinger Flur entdeckt, konserviert, und sind nun im kleinen Archäologischen Heimatmuseum in Gablingen zu sehen. Wie viele Generationen aus diesem Brunnen ihr Wasser geschöpft haben, welche Gespräche Frauen beim Wasserholen geführt haben mögen, können die Holzstücke nicht mehr erzählen. Sorgsam wieder zusammengefügte Relikte aus der Glockenbecherkultur kamen im Jahr 2002 in einer Lehmgrube im Biberbacher Ortsteil Markt zutage. In der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends vor Christus breitete sich die Glockenbecherkultur in weiten Teilen Europas und der westafrikanischen Küste aus. Sie war von der Entstehung einer Oberschicht begleitet, die an reichen Grabbeigaben erkennbar sind, wie es das Grab von Markt zeigt. In Gersthofen zeugt ein antiker Merkurtempel an der Via Claudia von der „römischen Geschichte“ der heutigen Stadt.

    4. Das Mammut in der Grube

    Im südlichen Landkreis Augsburg gibt es eine Reihe von spannenden Funden. Das Lechfeld ist aus der Sicht von Archäologen eine Schatzkammer, was zahlreiche Funde belegen. In Untermeitingen wurden Reste frühmittelalterlicher Holzbauten freigelegt, in Königsbrunn das Fundament eines römischen Bades und in Kleinaitingen Gräber aus der frühen Bronzezeit. Spektakuläre Grabbeigaben, wie ein Bronze–schwert, eine verzierte Nadel, Armbänder oder Goldschmuck, Glasringe und Keramikschalen, erzählen Geschichten vom Leben im 13. Jahrhundert vor Christus und dokumentieren auch die erstaunliche – oft schon verloren gegangene – handwerkliche Kunst unserer Vorfahren. Es gibt auch noch ältere Funde: In einer Kiesgrube bei Bobingen fanden sich Reste eiszeitlicher Säugetiere wie Knochen- und Zahnfunde von Mammut, Wollnashorn und Ur-Wildpferd.

    In einer Kiesgrube in Bobingen wurden Reste eiszeitlicher Tiere gefunden.
    In einer Kiesgrube in Bobingen wurden Reste eiszeitlicher Tiere gefunden. Foto: Marcus Merk

    5. Die grüne Schale

    Der Boden unter Augsburg ist eine wahre Schatzkammer, gerade in der Innenstadt kann man – etwas zugespitzt – nicht einmal einen Baum einpflanzen, ohne mit archäologischen Funden zu rechnen.

    In den vergangenen Jahren wurden zum Beispiel rund 1000 Gewandfibeln – die Sicherheitsnadel für römische Kleidung – untersucht. Dabei fiel auf: In Augsburg werden immer wieder Fibeln gefunden, die vor 2000 Jahren nur Barbaren, also Menschen außerhalb des Römerreichs, trugen. Sind sie in Augsburg hergestellt worden und dann bis an die Ostsee verkauft worden? Kauften die Händler im Gegenzug dort Bernstein und das bei Römern so gefragte blonde Haar? Und dann ist da diese grünliche Glasschale, die vor rund 20 Jahren gegenüber dem Stadtwerkehaus gefunden wurde.

    Ein Museum fehlt den Augsburger Archäologen noch

    Eigentlich war es eine alltägliche Trinkschale, die sich dank einiger Münzen etwa auf das Jahr 360 nach Christus datieren lässt. Auf der Schale sind Adam und Eva und der Griff zum Apfel, der Sündenfall, zu sehen. Und weitere Hinweise auf den christlichen Glauben. Damals war das Christentum schon erlaubt, aber noch nicht Staatsreligion, sagt Stadtarchäologe Sebastian Gairhos. Die Schale zeigt, dass das Christentum in Augsburg angekommen war. Und manchmal erzählen selbst Steine herzzerreißende Geschichten.

    Vor einigen Jahren wurde ein Stein nahe dem Vicentinum gefunden. Ein Grabstein. Burius, der Vater, beklagt den Tod zweier Kinder. Er ließ einen Grabstein errichten „für die Buritta, die allerliebste Tochter, die acht Jahre, vier Monate und 28 Tage lebte“. Darunter ließ er den Namen seines toten Sohnes Barinianus einmeißeln; er lebte nur ein Jahr, sechs Monate und 21 Tage.

    Nur auf einen Fund warten die Augsburger Archäologen noch immer: ein Museum, in dem sie ihre Schätze zeigen können.

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