Dresscode: schwarze Kleidung. Mit diesem stummen Signal wollten die Macher der zweiten Augsburger „Silent Demo“ am Samstag ein Zeichen gegen den weltweiten Rassismus setzen. Nach der ersten Silent Demo am 6. Juni mit gut 3000 Teilnehmernbewiesen auch an diesem Samstag viele Augsburger, dass sie ein Bewusstsein für dieses Anliegen haben. Allerdings kamen diesmal sehr viel weniger Demonstranten.
Vor der Erhard-Wunderlich-Halle im Wittelsbacher Park versammelten sich diesmal rund 350 Teilnehmer. Die Mischung aus Maskenpflicht und strahlendem Sonnenschein war für viele eine Herausforderung, doch dabei sein wollten sie dennoch. „Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass fast die Hälfte aller Augsburger Migrationshintergrund haben, halten wir es für wichtig, ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen“, erklärten die Veranstalter.
Augsburg ist eine von vielen Städten in Deutschland, die sich am Samstag an den „Silent Demos“ beteiligten. Entstanden ist die Bewegung durch den Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis, USA. Einer der Redner am Samstag in Augsburg, Marcel Ciss, erklärte, Floyd sei nicht das erste Opfer von Rassismus gewesen, aber der Tropfen, der das Fass überall auf der Welt zum Überlaufen gebracht habe. Er betonte allerdings, dass die Augsburger Demo keine Kritik an der hiesigen Polizeiarbeit beinhalte. Im Gegenteil: Ciss bedankte sich bei den Beamten vor Ort, „dass ihr so kooperativ mit uns arbeitet“.
Augsburg ist nicht Minneapolis. Um was es den Demonstranten ging, ist das Bewusstmachen des alltäglichen, oft unbemerkten Rassismus. „Augsburg ist allgemein eine tolerante Stadt“, sagt Anna Pagani, „aber Rassismus fängt bereits an, wenn sich jemand in der Straßenbahn nicht neben einen anderen setzt, weil derjenige fremdländisch aussieht.“ Die Tochter eines Halbitalieners wünscht sich, dass bereits in der Schule vermittelt würde, dass Migrationshintergrund nichts über den Menschen an sich aussagt.
Schülerin Paulina Wölfel hat durch die Ereignisse in den USA angefangen, genauer hinzuschauen. „Wenn man mit Menschen spricht, die von Rassismus betroffen sind, ergeben die einzelnen Geschichten ein Bild und es fällt einem als Deutsche auf, wie privilegiert wir sind“, sagt die 16-Jährige. Auf Demos laut zu werden, reicht ihrer Meinung nach nicht. Um etwas dagegen zu tun, müsse man den Mut haben, Menschen mit ihren Vorurteilen zu konfrontieren. Selbst wenn es – wie in ihrem Fall – im direkten Umfeld vorkommt. Als eine Verwandte sich beklagte, man verstehe im eigenen Land die Sprache nicht mehr, konterte Paulina Wölfel, sie freue sich über die kulturelle Vielfalt.
Polizeigewalt: In Deutschland für viele kein Thema
Der 15-jährige Jonas Praffer findet zwar, dass Polizeigewalt gegen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland kein strukturelles Problem ist, doch ist zur Demonstration gekommen, um ein Statement gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt anderswo auf der Welt abzugeben. „Als Mischlingskinder wurden meine beiden Söhne von klein auf ausgegrenzt“, sagt Silvia Veney. Der eine spielt in einem erfolgreichen schwäbischen Basketballverein. Im Sport wird er gefeiert, aber privat erlebe er noch heute Ausgrenzungen, sagt die Mutter. Zur Demo kam sie, um zu zeigen: „Wir sind im Jahr 2020 in einer bunten Welt.“
So still, wie der Name „Silent Demo“ vermuten lässt, ging es nicht zu. Mehrere Redner brachen die Stille. Fabienne Molela M. erinnerte sich an Sätze wie „Du gehörst nicht hierher“ oder „Du siehst anders aus.“ Es habe sich angefühlt wie ein „Peitschenschlag“, der sie aus einer unbeschwerten Kindheit „in eine schwarzweiße Realität“ brachte. Adriana Lamar Finkel sah den Alltagsrassismus hierzulande beispielsweise in rassistischen Witzen. Noch immer würde man die Folgen der deutschen Kolonialzeit in Stereotypen erkennen. Sie bekam viel Applaus für ihr Statement: „Es reicht nicht, ein Foto von einer Demo in den Sozialen Medien zu posten – wir sind kein Trend.“ Antirassismus-Arbeit brauche Zeit und Geduld.
Nach zwei Stunden bewegte sich der friedliche Demonstrationszug von der Ulrich-Hofmaier-Straße über Hermann-, Schießgraben- und Stettenstraße zurück zum Parkplatz der Erhard-Wunderlich-Sporthalle. Vorher allerdings kam noch ein wenig Open-Air-Feeling auf. Musikalisch sorgte unter anderem Rapper Y. Freeman für Stimmung. Zu Young B’s sommerlichen Reggaeton-Beats tanzten manche Demonstranten. Kharis Ikoko, die eine Gesangseinlage gab, ist Organisatorin des Events. Dass Ressentiments gegen Menschen anderer Herkunft oder Hautfarbe nicht immer offensichtlich sind und bisweilen keine böse Absicht dahinter steckt, weiß sie aus Erfahrung. So musste sie selbst im Freundeskreis erklären, warum sie eine „Silent Demo“ in Augsburg für nötig hielt.
Hier sei es doch „gar nicht so schlimm mit dem Rassismus wie in Amerika“, hieß es. Doch Kharis Ikoko, die mit acht Jahren mit ihren Eltern aus dem Kongo nach Deutschland kam, wird im Alltag immer wieder mit Rassismus konfrontiert. „Ich erlebe jeden Tag hasserfüllte Blicke, das zieht einen runter.“ „Aber das kriegt niemand mit, wenn man das allein mit sich zu Hause ausmacht.“ Die „Silent Demos“ sollen öffentlich machen, was sonst totgeschwiegen wird.
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