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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)
Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)

Warum bei allem verständlichen Ärger über die Tarifreform das Kurzstreckenticket richtig ist. Es bedarf allerdings einer Korrektur, um es noch besser zu machen.

Kommentar
28.01.2018

AVV-Tarifreform: Ein Plädoyer für das Kurzstreckenticket

Von Michael Hörmann

Bei allem verständlichen Ärger über die Tarifreform ist das Kurzstreckenticket dennoch richtig. Es bedarf allerdings einer Korrektur, um es noch besser zu machen.

Sie ist der Aufreger des Jahres: Die Tarifreform, die seit 1. Januar im Augsburger Verkehrsverbund (AVV) gilt, hat einen Proteststurm wütender Fahrgäste ausgelöst. Der Ärger ist deshalb so groß, weil sich zumindest ein Teil der Kunden abgezockt sieht. Viele Leserbriefschreiber, die sich an unsere Redaktion in den zurückliegenden drei Wochen gewandt haben, listen exemplarisch auf, dass sie seit Januar oftmals sehr viel mehr Geld im AVV-Gebiet zahlen müssen als zuvor. Die Preispolitik stößt auf massive Proteste.

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Verständlich, wenn eine Reform dem Bürger so hart in den Geldbeutel greift. In Augsburg ist die Wut so extrem, weil für bestimmte Fahrten im Stadtgebiet das Doppelte verlangt wird. Es trifft in diesem Fall Gelegenheitsfahrer, die für ein Einzelticket 2,90 Euro bei einer längeren Strecke zahlen müssen. Dieser Preis hat sich seit Januar zwar nicht geändert, doch die Tarifreform hat die Regelung deutlich verschärft. Wer jetzt mehr als fünf Haltestellen inklusive Einstieg in Anspruch nimmt, zahlt diesen Betrag. Bis zu fünf Haltestellen kostet das Ticket 1,45 Euro.

Augsburger ärgern sich über Tarifreform des AVV

Sauerei, heißt es deshalb immer wieder. Die Kritik ist sicherlich zutreffend, doch es gibt auch gute Gründe, ein solches Kurzstreckenticket eingeführt zu haben. Das sage ich, der als typischer Gelegenheitsfahrer zu bezeichnen ist. Als jemand, der sich nicht mit einem Abo binden möchte und der die Tram nutzt, wenn es regnet oder wenn er zu faul ist, zu laufen. Und als jemand, der immer schon als Gelegenheitsfahrer Probleme hatte, das komplexe Tarifzonensystem im Stadtgebiet zu verstehen. Denn hier gibt es die Zonen 10 und 20. Vereinfacht gesagt, betrifft die Zone 10 den innerstädtischen Raum. Weiter weg davon liegt die Zone 20.

Vor Januar 2018 galt für Gelegenheitsfahrer folgende Regelung: Wer aus der Zone 10 in die Zone 20 wollte und umgekehrt, zahlte bereits 2,90 Euro. Es gab ein spezielles Angebot für etwa fünf Haltestellen im Zonengebiet: Ein Miniticket war für den Betrag von 1,70 Euro erhältlich. Der Haken dabei war: Dieses günstige Angebot war vielen Fahrgästen gar nicht bekannt, deshalb zahlten sie dann oftmals den vollen Betrag von 2,90 Euro. Ein Beispiel aus der Praxis: Die Haltestelle Ulrichsbrücke ist die erste der Tramlinie 1 stadtauswärts in Lechhausen. Sie ist der Zone 10 zugeordnet. Etwa 200 Meter entfernt, nahezu in Sichtweite, ist die Haltestelle „Schlössle“. Sie gehört zur Zone 20. Wer nun vor Januar diese kurze Verbindung genutzt hat, konnte das Miniticket nutzen. Doch es gab sicherlich auch Fahrgäste, die 2,90 Euro zahlten. Es ist sicherlich ein Extrembeispiel. Im Rückblick gesehen, bleibt festzuhalten: Die Zonen 10 und 20, dazu ein Miniticket. Das war reichlich kompliziert und schwer durchschaubar.

Neues Kurzstreckenticket besser als bisheriges Miniticket

Ein Kurzstreckenticket, wie es jetzt auf den Markt gebracht wurde, ist jedenfalls in der Abwägung erst einmal eine bessere Lösung für Gelegenheitsfahrer. Gezählt wird die Zahl der Haltestellen. Die Logik ist erkennbar: Eine kurze Strecke ist günstig, eine längere teurer. Es ist eine einfachere Handhabe, die sich auch für Auswärtige schnell erschließt. Man kann sich leicht ausmalen, wie orientierungslos Nicht-Augsburg-Kenner im Dschungel des Zonen-Tarifsystems waren. Das Kurzstreckenticket in seiner jetzigen Form (1,45 Euro) ist auch günstiger als das mittlerweile eingestellte Miniticket (1,70 Euro).

Sind 1,45 Euro für fünf Haltestellen nun zu viel Geld? Das muss jeder für sich beantworten. 2,90 Euro für sechs Haltestellen sind es dagegen allemal. So ist der Ärger der Fahrgäste zu verstehen. Sie haben damit zweifellos recht. Wobei Gelegenheitsfahrer günstiger fahren, wenn sie etwas vorausschauend ihre Tickets kaufen. Die kurze Fahrt kostet 1,20 Euro mit der Streifenkarte, was einem Streifen entspricht, der zu entwerten ist. Auf die längere Fahrstrecke (ab sechs Haltestellen) sind es zwei Streifen, macht somit 2,40 Euro. Die Ersparnis gegenüber einem Einzelticket beträgt immerhin 50 Cent.

Dieses Beispiel mag verdeutlichen, dass es in einem komplexen Tarifsystem auch günstigere Angebote gibt. Wenn man sich damit ein wenig beschäftigt. Es ist vor allem Sache der Stadtwerke, diese Möglichkeiten viel deutlicher zu kommunizieren. Denn die Tarifreform beinhaltet sehr wohl kundenfreundliche Angebote.

Stadtrat entscheidet über Nachbesserung der Tarifstruktur

Das Kurzstreckenticket in der jetzigen Form ist es aber (noch) nicht. Die Stadträte haben bereits erkannt, dass Handlungsbedarf besteht. Die Stadtwerke werden sich deshalb schwertun, an der jetzigen Regelung festzuhalten. Es wird nachgebessert, davon ist auszugehen. Sollte die Zahl der Haltestellen beispielsweise auf sieben erhöht werden, kommen Fahrgäste von der Ulrichsbrücke direkt in die Innenstadt. Derzeit endet ihre Fahrt für 1,45 Euro an der Pilgerhausstraße, auf Höhe des Alten Stadtbads. Mit sieben Haltestellen kämen sie zum Moritzplatz, also direkt in die Innenstadt.

Dass an anderen Tarifangeboten ebenfalls zwingend nachgebessert werden muss, ist nötig. Ein Kurzstreckenticket mit verbessertem Angebot wäre jedoch ein Schritt für mehr Akzeptanz dieser Tarifreform.

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