Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg Land
Icon Pfeil nach unten

Zusmarshausen-Streitheim: Falknerin Tanja Hndawy: "Ich fliege mit meinen Vögeln mit"

Zusmarshausen-Streitheim

Falknerin Tanja Hndawy: "Ich fliege mit meinen Vögeln mit"

    • |
    Falknerin Tanja Hndawy und Falke Fagour gehen regelmäßig zusammen auf die Jagd.
    Falknerin Tanja Hndawy und Falke Fagour gehen regelmäßig zusammen auf die Jagd. Foto: Marcus Merk

    Tanja Hndawy ist stolz, dass der Sakerfalke "Fagour" beim Fotografieren so gut mitmacht. "Wir kennen uns jetzt seit drei Jahren", erzählt sie. "Und es ist wie in einer Ehe: Wir haben gute und schlechte Zeiten." Falken seien schließlich Wildtiere, die zweckgebunden handeln - und keinesfalls Kuschel- oder Streicheltiere. "Fagour" kommt ursprünglich aus Spanien; von einem Züchter, der eigentlich nur an Scheichs verkauft. "Ich wollte aber gerne mit einem Sakerfalken versuchen, Krähen zu jagen", erzählt Hndawy. Mit dieser Begründung verkaufte der Züchter ihr dann tatsächlich einen seiner Vögel, den sie in der Nähe von Hamburg abholte. "Ich habe ihn den ganzen Weg nach Hause auf dem Arm getragen", erzählt Hndawy. Die hauptberufliche Tierpflegerin hat insgesamt zwei Falken, und inzwischen ihre Arbeitszeiten so angepasst, dass sie auch im Winter ausreichend Zeit hat, die Vögel zu fliegen.

    Einen Vogel fliegen wollte Hndawy schon als Kind - und zwar ihren ersten Wellensittich. "Doch als ich mit ihm nach draußen ging, hat ihn etwas erschreckt - und er ist weggeflogen", erzählt sie. Entmutigen ließ sie sich dadurch aber nicht und begann mit 17 die Ausbildung zur Tierpflegerin. "In der Berufsschule war ich auch immer die Vogelfrau, weil ich mich so gut auskannte", berichtet die Falknerin. Nach dem Abschluss arbeitete sie dann in einer Vogelklinik. Dort hatte sie eine Begegnung, die alles veränderte: "Es wurde ein wilder Adler geliefert. Und ich konnte einfach nicht lesen, wie dieser Vogel tickt", sagt sie.

    Bei der Jagd geht es vor allem darum, die Zeichen der Natur zu lesen

    Daraufhin machte Hndawy ein Praktikum in einer Falknerei, in der sie im Anschluss daran zu arbeiten begann. Dort bekam sie dann ihren ersten Vogel zugewiesen. "Simmi war ein scheuer Wanderfalke, den ich zähmen sollte. Sie war jede Minute bei mir", berichtet die Falknerin. Mit dem Vogel zur Jagd gehen wollte Hndawy aber nicht. Doch Simmi sah das bald etwas anders: "Wir waren bei einem Erdbeerfeld, um Krähen zu vergrämen - und Simmi sah plötzlich so aus, als wolle sie jagen. An diesem Tag haben wir unsere erste Krähe gefangen", erzählt Hndawy. Als Kind hatte sie auch Krähen selbst aufgezogen. "Die zu jagen war schon erst mal ein komisches Gefühl", meint sie. Das habe sie dann aber durch Simmi gelernt: "Sie ist es, die jagen will - weil es ihrer Natur entspricht."

    Nun ist Hndawy regelmäßig in den erlaubten Jagdgebieten mit ihren Falken unterwegs. Doch wie läuft solch eine Beizjagd ab? "Es geht vor allem darum, die Zeichen der Natur zu lesen - und um Wachsamkeit", erklärt Hndawy, die auch einen Jagd- und Falknerschein hat. "Wenn der Falke eine Krähe fasst, ist diese meist gleich tot. Er fängt sie in der Luft, und stürzt sich mit ihr zu Boden." Sollte dies einmal nicht der Fall sein, ist die Falknerin zur Stelle, um das Beutetier schnell vom Leid zu erlösen. Auch für den Fall, dass der Vogel verschwinden sollte, ist vorgesorgt: "Wir fliegen mit einem GPS-Sender. Außerdem hat der Vogel einen Adressring am Fuß. Und einen Ring, der ihn als Zuchttier auszeichnet, da Wildfalken streng geschützt werden."

    Um den Vogel im Fall der Fälle wieder aufspüren zu können, wird ein GPS-Sender an einer Schwanzfeder des Falken angebracht.
    Um den Vogel im Fall der Fälle wieder aufspüren zu können, wird ein GPS-Sender an einer Schwanzfeder des Falken angebracht. Foto: Marcus Merk

    Im Moment wird aber nicht gejagt: Es ist Mauserzeit bei den Falken. Jetzt wechseln Hndawys Falken ihr Federkleid und ruhen sich aus. Da ist auch ausreichend Futter wichtig: "Wenn es kalt ist, essen sie schon mal eine ganze Taube am Tag", erzählt Hndawy, die ihre Vögel in der Mauserzeit täglich versorgt. Doch auch in der Jagdsaison ist ausreichende Nahrung für ein optimales Gewicht entscheidend: "Wir wiegen dann die Vögel täglich, um sicherzustellen, dass sie genügend Kraft zur Jagd haben", sagt Hndawy. Besonders fasziniert sie die Schnelligkeit und das Wesen der Falken, die im Sturzflug bis zu 350 Kilometer pro Stunde fliegen können. "Sie sind die Hochleistungssportler unter den Greifvögeln. Wenn sie richtig Gas geben, ist das einfach: wow."

    "Die Falknerei gibt mir das Gefühl, Teil eines Großen Ganzen zu sein"

    Falknerin zu sein hat Hndawy auch mehr Selbstbewusstsein und Identität gegeben. "Die Falknerei gibt mir das Gefühl, Teil eines Großen Ganzen zu sein. Ich bin nie alleine, sondern stets von 1000 Augen beobachtet", sagt sie. In der Natur gebe es kein Gut und Böse; es gehe schlichtweg ums Überleben: "Da werden dann auch die eigenen Probleme ganz schnell klein", meint die Falknerin. Mit dem Vogel alleine draußen zu sein - das ist für sie echte Freiheit. In Konfliktsituationen könne sie, seit sie Falknerin ist, gelassener reagieren. Andererseits habe sie gelernt, schneller zu entscheiden: "Das muss ich auch, wenn ich mit den Vögeln draußen bin. Da habe ich keine Zeit, Situationen lange abzuwägen."

    Als Falknerin müsse man eben wie ein Vogel denken - nicht wie ein Mensch. "Irgendwann wächst man dann als Team zusammen, und entwickelt Strategien für die Jagd", erklärt Hndawy. Ein wenig besorgt ist sie mit Blick auf die Zukunft aber schon: Mögliche Falknerei-Verbote, zunehmende Umweltprobleme und schwindender Lebensraum für Wildtiere lassen viele Fragen offen. "Ich möchte den Greifvögeln gerne etwas zurückgeben. Wir wissen noch so wenig über sie. Ich möchte nicht, dass sie aussterben."

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden