Vor 75 Jahren feierten die ersten Bewohner in Friedensdorf Richtfest: Damals wurden hier die Häuser der neuen Siedlung für Heimatvertriebene erbaut. Zeitgleich wurde im Oktober 1949 der Grundstein für die Friedenskirche gelegt. Anlässlich des Friedensdorfer Jubiläums fand in dieser Kirche jetzt eine Feierstunde statt. Die Marktgemeinde Zusmarshausen hatte mit dem Kulturkreis ZusKultur vor allem die jetzigen Einwohner von Friedensdorf eingeladen, um in Vorträgen und einer eigens konzipierten Ausstellung an die Geschichte des Ortsteils Friedensdorf zu erinnern. In der gut besuchten Friedenskirche sprach Pfarrer Saji Chalil über seinen Vorgänger Präses Leopold Schwarz, der damals die Initiative zum Bau einer Siedlung ergriffen hatte.
Stellvertretender Landrat Hubert Kraus hob in seinem Grußwort hervor, dass Friedensdorf zeige, dass aus einer schwierigen Situation etwas Positives und Nachhaltiges entstehen könne. Über „Frieden als Herausforderung“ sprach Bürgermeister Bernhard Uhl, den der aktuelle Krieg in der Ukraine zum Beitritt in die Organisation „Bürgermeister für den Frieden“ veranlasst hatte. „Frieden beginnt bei uns“, lautete sein Appell, „mit unseren Nachbarn, in unserer Gesellschaft“. Stolz verwies er darauf, dass Zusmarshausen mit Friedensdorf ein gelungenes Beispiel für Integration vorweisen könne.
Vertriebene wurden vor allem auf dem Land einquartiert
Die historischen Dimensionen reflektierte Bezirksheimatpfleger Christoph Lang: Die Unterbringung der Vertriebenen habe vor allem auf dem Land stattgefunden, da in den größeren Städten viel Wohnraum zerstört war. Einquartierungen waren unbeliebt und traditionelle dörfliche Strukturen bildeten das Umfeld, in dem die neu Hinzugekommenen unter schwierigsten Bedingungen kurz nach Kriegsende erst ihren Platz finden mussten. Hohe gesellschaftliche Schranken mussten überwunden werden, doch bald hätten sich Ehen zwischen Alt- und Neubürgern etabliert.
So stellte anschließend Herbert Kailich, stellvertretend für die Bewohner von Friedensdorf, das Schicksal seiner Familie vor und erzählte vom Aufwachsen in der „Siedlung“. Er erinnerte an einfachste Anfänge, als das Trinkwasser noch in Kannen in Zusmarshausen geholt werden musste, als jeder Gänse, Ziegen oder Schweine hielt und in den Gärten jedes Fleckchen für Obst- und Gemüseanbau ausgenutzt worden war. Schöne Erinnerungen hatte Herbert Kailich an die Gastwirtschaft Denk mit den beliebten „Göggele“.
Organisatorinnen sind vom großen Interesse überrascht
In die Ausstellung zur Geschichte von Friedensdorf und seiner Bewohner führte zum Abschluss der Feierstunde Hans-Peter Englbrecht ein. Ab Dezember soll sie im Rathaus in Zusmarshausen aufgestellt werden. Großen Beifall erhielt die Musikgruppe Allerloi um Reinhard Mayr aus Friedensdorf, die die Vorträge umrahmte. Die Organisatorinnen, Kulturbeauftragte Julia Endrös und Archivarin Angela Schlenkrich, waren überwältigt vom großen Interesse an der Geschichte von Friedensdorf, das als eigener Ortsteil zusammen mit Neugablonz in Kaufbeuren eine Besonderheit im Bezirk Schwaben darstellt. Wer Erinnerungen oder Fotos teilen möchte, kann sich gern bei Angela Schlenkrich melden (angela.schlenkrich@zusmarshausen.de).
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