Könnten die alten Balken im Dachstuhl des Schlosses sprechen, hätten sie vermutlich viel zu erzählen. Zu sehen gab es jedenfalls eine Menge in den vergangenen Jahrhunderten. Brandschatzende Schweden etwa, die zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs durch Zusmarshausen zogen. Der Legende nach stürmte sie nicht weit vom Schloss entfernt die Brauerei und soffen ein Bierfass nach dem anderen leer. Vom Dachstuhl des Schlosses dürfte man auch einen guten Blick auf all die prominenten Gäste gehabt haben, die im Hotel in der Ortsmitte ein und aus gingen. Napoleon natürlich, aber auch Marie Antoinette, Zar Nikolaus und etliche Könige. Sie alle waren zu Gast, als die Balken des Dachstuhls im Zusmarshauser Schloss längst verbaut waren. Eine Erkenntnis, die durch eine spezielle Untersuchung erst jetzt ans Licht kommt.
Das Holz im Dachstuhl des Zusmarshauser Schlosses ist mehr als 400 Jahre alt
Dazu kam das Holz der alten Balken unters Mikroskop. Entscheidend dafür, das Alter möglichst genau bestimmen zu können, sind die Jahresringe im Holz. Verblüffend genau lässt sich durch sie nämlich nicht nur sagen, wann ein Baum umgemacht wurde, sondern auch, in welcher Gegend er stand und sogar zu welcher Jahreszeit er gefällt wurde. Dendrochronologische Untersuchung nennen Experten das. 17 Proben aus dem alten Dachstuhl in Zusmarshausen seien unter die Lupe genommen worden, erzählt Hubert Droste, Leiter des Forstbetriebs in Zusmarshausen. Die Ergebnisse sind überraschend.
So läuft die Untersuchung ab: Zum "Entschlüsseln" werden aus dem Holz mit einem Hohlbohrer Proben entnommen. Dabei wird von der äußeren Waldkante in den Stammkern gebohrt. Um das Fälljahr zu ermitteln, werden die Bohrkerne mit einer Vielzahl von Wachstumsmerkmalen bereits untersuchter Hölzer verglichen. Sie sind weltweit in Datenbanken gespeichert. Vermerkt sind darin auch gesicherte Daten, etwa das Baujahr einer Kirche oder eines alten Schlosses. Mithilfe vieler solcher Fixpunkte, ergibt sich eine exakte Zeitschiene. Für den süddeutschen Raum ist für alle Holzarten auch ein dichtes Netz an Wuchsmerkmalen archiviert. Hat es etwa einschneidende Unwetter gegeben, lässt sich das erkennen. Mit solchen Regionalchronologien kann dem Baum oftmals der Waldstandort zugewiesen werden. Dieser Herkunftsnachweis ist bei Flusstransporten oftmals über weite Entfernungen interessant. Augsburg bekam Bauholz schließlich über Jahrhunderte per Floß geliefert.
Jahrhundertealtes Kiefernholz im Zusmarshauser Schloss verbaut
Eigentlich war Waldexperte Hubert Droste davon ausgegangen, dass der Dachstuhl aus Fichten gebaut wurde, die vermutlich aus dem Alpenraum ins Augsburger Land geflößt wurden. Die Untersuchung zeigt aber, dass es sich um Holz von Kiefern handelt. Die sind zu schwer, um sie im Wasser treiben zu lassen. Droste geht deshalb davon aus, dass vor mehr als 400 Jahren Kiefern in der Region zu finden gewesen seien. Droste: "Weil Kiefernholz schwer ist, lässt es sich nicht einfach transportieren." Wann das Holz geschlagen wurde, lässt sich nun aber ganz genau beziffern: Im Winter der Jahres 1606 und 1607. Nur ein Holz entstammt einer Fällung ein halbes Jahr später, im Sommer 1607. "Angesichts der äußerst fortschrittlich wirkenden Konstruktion des Dachwerks, die man ohne Weiteres auch hundert Jahre später einordnen könnte, ist diese frühe Datierung doch eine Überraschung", heißt es in dem Gutachten. "Es ist ein Meisterwerk der Zimmermannskunst", sagt Hubert Droste.
Interessant: Gebaut wurde das Schloss in Zusmarshausen schon rund 100 Jahre, bevor die Bäume für den Dachstuhl umgemacht wurden. Im Jahr 1505 ließ der Augsburger Bischof Heinrich von Lichtenau das Schloss erreichen, wie mehrere Quellen belegen. "Da stellt sich die Frage: Warum gab es hundert Jahre später einen neuen Dachstuhl?", sagt Huber Droste. Vielleicht gab es ein Unwetter, vielleicht ist ein älterer Dachstuhl abgebrannt, vielleicht wurde das bestehende Gebäude um ein Stockwerk erweitert – bislang kann nur spekuliert werden.
Das Schloss in Zusmarshausen wurde mehrfach umgebaut
Im Laufe der Jahre wurde das Schloss, das bis zur Säkularisation im Besitz des Hochstifts Augsburg war, mehrmals umgebaut und um Nebengebäude erweitert. Eine Zeit lang habe es als "Königliches Landgericht Zusmarshausen" gedient, erzählt Hubert Droste. "Das kann man sich in etwa so vorstellen wie das heutige Landratsamt." Erst 1931 zog das Forstamt ein, das 2005 in den Forstbetrieb überging. Seit Mai 2021 wird der Dachstuhl des ehrwürdigen Gebäudes für etwa eine halbe Million Euro im Auftrag des Forstbetriebs saniert. Darin sind etwa 50 Kubikmeter des mehr als 400 Jahre alten Holz verbaut – ein großer Teil davon bleibt bestehen. Einzelne Balken wurden ausgetauscht. "Wir hoffen natürlich, dass es weitere 400 Jahre hält", sagt Droste. Erneuert wurde auch die Dacheindeckung, die aus den 1930er-Jahren stammte. Immer wieder krachten einzelne Ziegel herunter, deshalb musste eine neue Dachhaut her.
Die Chronik des Schlosses in Zusmarshausen
Ab 1505 lässt der Augsburger Fürstbischof von Lichtenau das Schloss von seinen Untertan erbauen. Wann es fertig wurde, ist nicht bekannt.
Bis 1803 dient es dem Hochstift Augsburg als Verwaltungssitz. 1803 kommt das Schloss im Zuge der Säkularisation in bayerische Hände.
1804 zieht das Königliche Landgericht Zusmarshausen ins Schloss. Es übernimmt in etwa die Aufgaben eines heutigen Landratsamtes.
1862 wird aus dem Landgericht das Bezirksamt, das bis zur Auflösung 1929 im Schloss zu finden ist.
1931 zieht das Forstamt mit dem Förster ins Schloss.
2005 wird das Schloss durch die Forstreform zum Sitz des Forstbetriebs Zusmarshausen, der zu einem von 41 Forstbetrieben der neu gegründeten Bayerischen Staatsforsten gehört.
Läuft alles nach Plan, soll der neue Dachstuhl im Juno fertig sein – dann wird gefeiert. Geplant ist ein großes Schlossfest vom 11. bis 13. August. Mehr als 25 Bands und Gruppen treten dann rund um das Zusmarshauser Schloss auf.