Als um 1900 der Neusässer Ortsteil Westheim zu einem beliebten Ausflugsziel für Augsburger wurde, gab es fünf Gasthäuser – bei gerade einmal 430 Einwohnern. Doch es hat sich viel verändert, heute werden noch ein Hotel, das ehemalige Schmutterhaus und ein rumänisches Lokal in der Hindenburgstraße betrieben, wo früher die Tirolerwirtschaft war.
Eines der beiden Lokale auf dem Kobel war das Café Heider, dessen Geschichte 1928 ihren Anfang nahm: Damals beabsichtigte der Besitzer des Wein- und Café-Restaurants Welser-Stube in Augsburg, Hermann
Park-Café Heider unter verschiedenen Pächtern
Es wurde an den Zahnarzt Helmut Wünsch verkauft, der es für zwei Jahre an Viktoria und Karl Mitlehner verpachtete, bevor es Otto und Verena Hestler, ein Ehepaar aus der Schweiz, übernahmen. Mit
Ab 1994 führte dann das Ehepaar Katrin und Wolfgang Zöttl erfolgreich das beliebte Ausflugs- und Speiselokal für gehobene Ansprüche. Selten gab es freie Tische. Als das Ehepaar am 17. April 2007 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte, war das Entsetzen groß. Es folgten mehrere unglückliche Pächterwechsel. Deshalb entschied sich der Besitzer 2012, das Restaurant zu schließen. So gingen 84 Jahre Restaurantbetrieb auf dem Kobel zu Ende.
Große Menschenmassen bei der Kobelwirtschaft
Etwas weiter die Straße entlang, südlich der Kobelkirche, war früher die Kobelwirtschaft. Bereits 1613 als "Wirtshaus den Wallfahrern als Erholung" errichtet, gab es zwischen 1748 und 1898 viele Besitzerwechsel, bis Georg Schmid den Besitz für 96.000 Mark an den Architekten Walter Kraus aus Augsburg verkaufte. Ein Jahr später baute der ein neues Gasthaus mit "Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit Terrasse und Aussichtsturm, Saalbau mit Fremdenzimmer, Bierhalle mit Terrasse, Kegelbahn mit Veranda und Bühnenraum, Schlachthaus mit Waschküche, Pferdestallung, Stadel mit Lagerbierkeller, Abortenanbau", hielt Seitz in dem Buch "Westheim – Ein Ort im Wandel der Zeit" fest.
Anfang des 20. Jahrhunderts wechselten die Pächter der Gaststätte oft, und später auch die Besitzer. Bis das beliebte Ausflugslokal 1920 zum letzten Mal verkauft wurde, an die Stadt Augsburg, die sie bis zum Abbruch in ihrem Besitz hatte. Die Pächter wiederum wechselten mehrfach, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Wirtschaft geschlossen und diente bis Kriegsende als Unterkunft für die Soldaten. Nach dem Krieg wurde der Kobel wieder bewirtschaftet.
Zum Kobelwirt kennt Andreas Seitz viele Geschichten. Hier hat er mit 16 Jahren sein erstes Bier getrunken, mit dabei war sein Bruder. "Das war kurz, bevor die Wirtschaft geschlossen hat. Aber geschmeckt hat's mir nicht", sagt der 78-Jährige und lacht. Das sei während der Frauendreißiger gewesen, so Seitz. Er erinnert sich an den großen Trubel während der dreißig Tage vom 15. August bis 15. September. Es habe auf dem Vorplatz immer eine Messe mit Predigt gegeben sowie viele Verkaufsstände, an denen es Kerzen und Spielsachen gab. Auch die Faschingsbälle seien legendär gewesen, wie eine ältere Passantin vor der Kobelkirche bestätigt: "Da hat man sich kennengelernt." 1938 kostete in der Kobelwirtschaft eine Tasse Café 25 Pfennig, wie auf einem Originalbeleg aus dem Jahr zu sehen ist.
Im Keller habe es eine Kegelbahn gegeben. "Oben hat man seine Jacken aufgehängt. Wenn man nach dem Kegeln wieder hochkam, waren alle Geldbeutel weg", erinnert sich Seitz. Um die Diebe zu stellen, habe einmal ein Dorfpolizist – damals hatte Westheim noch eine eigene Polizei – während eines Kegelabends Wache gehalten. So sei er nach unten gegangen, um den Gästen mitzuteilen, dass er niemanden beobachtet hatte. Als er wieder die Treppen hochkam, seien aber alle Geldbörsen weg gewesen, erzählt Seitz. 1970 wurde die Kobelwirtschaft abgerissen. Heute ragt eine freie Fläche vor der Kobelkirche. Nur die großen Kastanien erinnern noch an den damaligen Biergarten.
Ob urige Brauwirtschaft oder edles Café: In der Serie "Wirtshausgeschichte(n)" lassen wir die Historie ehemaliger Lokale im Augsburger Land wieder aufleben.
Alle Wirtshausgeschichten gibt es hier.
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