So schwer wird das ja nicht sein, denke ich mir, als ich die Einladung zum Schafkopf bekomme. Der Heimatverein Welden bietet einen Kurs für Anfänger an. Ich muss sofort an alte bayerische Wirtshäuser denken. An ältere Herren, die in einem verrauchten Hinterzimmer sitzen und Schafkopf spielen. Ein Kartenspiel, das ich nie wirklich verstanden habe. Höchste Zeit also, das nachzuholen. Ein Anfängerkurs wäre doch bestimmt lustig, denke ich mir. Eine Fehleinschätzung, wie sich herausstellen soll.
„Wer hat noch nie gespielt?“, fragt Peter Bergmeir vom Heimatverein Welden ein paar Tage später im Museumsraum der Grund- und Mittelschule Welden. Ein paar heben vorsichtig die Hand, auch ich melde mich. Ein paar Kommilitonen haben im Studium mal vergeblich versucht, mir Schafkopf beizubringen. Das ist einige Jahre her. Die meisten der zwölf Teilnehmenden scheinen hingegen mehr Erfahrung zu haben. Es ist ein bunter Haufen, der sich hier getroffen hat, um das bayerische Kartenspiel zu lernen. Die Jüngste geht noch zur Schule, der Älteste ist in Rente.
„Von den Grundregeln ist Schafkopf ein ganz einfaches Spiel“, sagt Bergmeir. Das klingt schon mal gut. Meistens wird mit vier Spielern gespielt, jeder bekommt acht Karten. Eine Runde gewinnt derjenige, der die höchste der vier Karten legt. Trumpf sind in der Regel Ober, Unter und alle Karten mit der Farbe Herz. Alle Karten haben außerdem einen Wert, auch Augen genannt. Zählt man alle Karten zusammen, sind 120 Augen im Spiel. Wer am Ende mindestens 61 Augen, also über die Hälfte hat, gewinnt.
Wer beim Schafkopf zusammenspielt, zeigt sich erst im Lauf des Spiels
In der Regel wird ein sogenanntes Rufspiel gespielt, erklärt Bergmeir. Dabei bilden zwei Spieler ein Team. So weit, so verständlich. Dann beginnt es allerdings, kompliziert zu werden. Wer zusammenspielt, zeigt sich nämlich erst im Lauf eines Spiels. Zur Veranschaulichung befestigt Bergmeir viermal acht Karten an einer Tafel. Mit der Farbe nach oben, sodass alle die Karten sehen können. Zug um Zug simuliert Bergmeir an der Tafel ein Spiel.
Die ersten vier Karten sind gelegt. „Wer gehört zusammen? Wissen wir das schon?“, fragt Bergmeir. Nein, denke ich mir. Klar, sagen die anderen Teilnehmenden, die die beiden Mitspieler direkt erkannt haben. Ein erster Rückschlag. Habe ich nicht aufgepasst? Ich fühle mich ein bisschen wie früher in der Schule, wenn ich auf einmal nicht mehr mitkam. Können wir nicht einfach eine Runde Uno spielen?
Meine Hilflosigkeit wird mit der Zeit nur größer. Was ich verstehe: Es ist offenbar wichtig im Blick zu haben, welche Karten schon gelegt wurden. Und zugleich zu überlegen, welche Karten die anderen Spieler noch haben könnten. Strategisch zu spielen. Damit tue ich mir schwer. Den anderen Teilnehmenden scheint das keine Probleme zu machen. Sie rufen eifrig Vorschläge rein, welche Karte man legen müsste. Diskutieren, was die beste Taktik wäre.
„Man muss beim Schafkopf immer dabei bleiben und mitdenken“, betont Peter Bergmeir. Er selbst spielt seit über 50 Jahren Schafkopf. Er mag die Geselligkeit beim Spielen. Aber auch das Taktische, die verschiedenen Spielweisen. Im Vergleich zu früher werde heute deutlich weniger gespielt, sagt Bergmeir. Mittlerweile gebe es gerade bei jüngeren Menschen durch digitale Angebote eine große Konkurrenz. Auch deswegen habe sich der Heimatverein entschieden, erstmals einen Anfängerkurs anzubieten.
Einen Satz merke ich mir: „Mit einem Unter gehst nicht unter“
Mein Kopf raucht mittlerweile wie früher nach einer Doppelstunde Mathe. Ich komme mir vor wie in einem Sprachkurs, aber keine Vokabeln zu können. Oder die Grammatik. Oder beides. Immer wieder fallen Wörter, die mir nichts sagen. Was ist ein Wenz? Wieso ist das Blatt-Ass der Blaue? Und was hat es mit dem Ramsch auf sich? Einen Satz merke ich mir: „Mit einem Unter gehst nicht unter.“ Immerhin. Was mache ich allerdings, wenn ich keinen Unter habe?
Zum Ende geht es von der Theorie in die Praxis. Auf drei Tische verteilt spielen wir jeweils zu viert eine Runde Schafkopf – zum Glück mit offenen Karten. So kann ich ganz gut kaschieren, dass ich keine Ahnung habe, welche Karte ich legen soll. „Lieber eine niedrige oder eine hohe?“, überlege ich laut. „Kommt darauf an, ob du ins Risiko gehen willst“, meint mein Mitspieler. Gute Frage. Ich entscheide mich für eine niedrige Karte. War das jetzt Risiko oder nicht?
Normalerweise spielt man beim Schafkopf um Geld, sagt Bergmeir. Er rät allerdings: „Wer nach dem Abend meint, er kann es – bitte nicht teuer spielen.“ Da muss er sich bei mir keine Sorgen machen. Sollte ich jemals um Geld spielen, wäre es für meine Mitspieler sicher ein lukrativer Abend.