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Vereine kritisieren Gersthofens Entscheidung, an einem Nazi-Straßennamen festzuhalten

Gersthofen

Gersthofen hält an Nazi-Straßennamen fest: „Die Stadtratsmehrheit hat einen Fehler gemacht“

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    Die Bürgermeister-Wendler-Straße in Gersthofen wird weiter so heißen. Die Stadtratsentscheidung darüber sorgt für massive Kritik.
    Die Bürgermeister-Wendler-Straße in Gersthofen wird weiter so heißen. Die Stadtratsentscheidung darüber sorgt für massive Kritik. Foto: Marcus Merk

    Die Entscheidung des Gersthofer Stadtrates, weiterhin eine Straße nach Georg Wendler zu benennen, sorgt weiter für Unruhe bis Empörung. Neben Lesern haben sich auch Vertreter von Vereinen gemeldet, die den Beschluss nicht nachvollziehen können. Zumal, wie berichtet, eine Historikerin nach Forschungen über den ehemaligen Gersthofer Bürgermeister die Umbenennung empfohlen hatte.

    So teilt Christian Gerlinger vom Verein „Gegen Vergessen und für Demokratie“ mit, dass die Ergebnisse demokratischer Entscheidungen zu respektieren sind. Das gelte auch für die Abstimmung des Gersthofener Stadtrates über die mögliche Umbenennung der Georg-Wendler-Straße. Kritik sei aber erlaubt, so Gerlinger, Sprecher der Regionalen Arbeitsgruppe Augsburg-Schwaben und fährt fort: „Und hier ist es sogar notwendig zu sagen: Die Stadtratsmehrheit in Gersthofen hat einen Fehler gemacht und sollte ihn korrigieren.“

    Hat Wendler den Zusammenbruch der Diktatur nie verwunden?

    Wendler sei mehr als ein Karrierist gewesen: „Es scheint so, als habe Herr Wendler den Zusammenbruch der verbrecherischen Diktatur, die er vorbehaltlos bis zum Schluss unterstützt hat, nie verwunden.“ Aus diesem Geist heraus sei er 1952 bei den Wahlen in Gersthofen als Bürgermeister angetreten und in sein früheres Amt zurückgekehrt. Wendler habe sein Verfangensein in die NS-Diktatur nie bereut; kein entsprechender Hinweis finde sich in seinen öffentlichen oder privaten Aufzeichnungen. „Mit dem Wissen von heute hat Herr Wendler keine Würdigung durch eine Straßenbenennung verdient“, sagt Gerlinger. „Und dieser eindeutige Befund lässt sich auch durch einen Zusatztext am Straßenschild nicht zurechtbiegen.“ Angesichts der Informationen der Historikerinnen hätte man keine andere Wahl gehabt, als der Umbenennung der Straße zuzustimmen.

    Der Verein Gersthofen ist bunt ist empört

    Sigried Puschner, Vorsitzende des Vereins „Gersthofen ist bunt“, ist über die Entscheidung im Gersthofer Stadtrat, die mit 24 zu zwei Stimmen gefallen war, empört. Der Verein hatte vor zwei Jahren beantragt, unter anderem die Werner-von-Braun-Straße umzubenennen. Diesem Antrag sei nie stattgegeben worden, eine Antwort an den Verein sei aus ausgeblieben, teilt Puschner mit. „Auch der Fachbeirat „Stolpersteine“ hatte auf Überprüfung und Umbenennung hingewiesen. Diese Hinweise wurden ebenfalls nicht berücksichtigt.“

    Umso gravierender sei der Beschluss, nachdem die Historikerin, Edith Raim, eine eindeutige Empfehlung zur Umbenennung gegeben hat. „Eine fundierte Empfehlung, besonders in der heutigen Zeit, abzulehnen, zeigt große Ignoranz und beschämt mich“, sagt Puschner. Da erscheine die Empörung über Wahlergebnisse in der heutigen Zeit und die zunehmende Bedeutung extremistischer Ideologien ziemlich fadenscheinig. Das Abstimmungsergebnis sei „verstörend“.

    Der Stadtratsbeschluss ist eine Katastrophe.“

    Bernd Lehmann, Historiker, Sprecher der Stolpersteininitiative Gersthofen

    Noch weiter geht Bernhard Lehmann, selbst Historiker und Sprecher der Stolpersteininitiative Gersthofen: „Der Stadtratsbeschluss ist eine Katastrophe, ein Supergau, weil er die Interessen der Opfer völlig ignoriert und die jahrzehntelange Arbeit zugunsten einer behutsamen Erinnerungskultur konterkariert.“

    Lehmann zählt zahlreiche Opfer aus der Zeit Georg Wendlers als Bürgermeister in den Jahren 1940 bis 1945 auf. „War es Zufall, dass Alexei Hivert mit 19 Jahren, Alexander Kirjakow mit 19, Grigori Lasebnik mit 24, Nikolay Stepanow mit 18 und Nikolaj Wlasenko mit 18 Jahren in Gersthofen verstarben?“, fragt Lehmann. All diese Fälle seien ebenso über den Schreibtisch des Nazibürgermeisters und späteren Ehrenbürgers Georg Wendler gelaufen wie die Todesmeldungen von Gersthofer Bürgern aus Grafeneck oder Hartheim. „Wendler wusste genau, was dort vor sich ging“, ist sich Lehmann sicher.

    Der Gersthofer Historiker ist überzeugt: Die Beibehaltung der Straßennamen sei eine Verhöhnung der Opfer - stattdessen sollte den Opfern gedacht werden. Das sei mehrmals erfolglos vorgeschlagen worden.

    2013 war hielt Jens Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora und Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, einen Vortrag im Ballonmuseum Gersthofen. Mit dabei war damals auch Lehmann. Er erinnert an Wagners Worte:

    „Straßenbenennungen nach historischen Persönlichkeiten sind öffentliche Würdigungen. Gewürdigt werden sollten Leistungen, die die Welt friedlicher, humaner und lebenswerter gemacht haben. Voraussetzung sollte sein, dass die zu würdigenden Personen Demokratie und Menschenrechte geachtet haben.“ (corh)

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    5 Kommentare
    Franz Xanter

    Es ist stark anzunehmen, dass die heutige durchschnittliche Generation überhaupt Gedanken um Straßennamen hinsichtlich dieser Behauptungen und Annahmen macht. Es erscheint wieder einmal ein groß angelegter Sturm im Wasserglas hervorgerufen zu sein.

    Thomas Faßnacht

    Herr Xanter, selbst wenn ihre Annahme richtig ist dass es die heutige Jugend nicht kümmert, dann ist es doch kein Argument dass die *Alten* nicht die Chance nutzten um Straße *nicht mehr* nach einem Mann zu benennen der sehr früh in die NSDAP eingetreten ist und bis 1944, wohl aufgrund dem Tod seiner Söhne an der Front, ein inbrünsiger Anhänger der Partei war und seit 1933 regelmäßig für die Partei geworben hat. Oder um es in den Worten eines Ermittlers 1948 zu sagen: "Die Ermittlungen haben ergeben, dass der Betroffene der Nationalsozialist war, der an die Idee Hitlers glaubte, wie ein guter Christ an die Lehre der Kirche. Wendler war bis zur letzten Minute in dem festen Glauben der Sieg ist unser. Als Kreisredner ist Wendler bekannt und war auch Kreisamtsleiter für Kommunalpolitik".

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    Walter Koenig

    Es ist für mich erschreckend, wie man sich heute anmaßt, über die Elterngeneration urteilen zu dürfen. Was den Herrn Wendler betrifft, so war er ein Kind jener Zeit. Und hätte man nur seine Zeit bei der NSDAP für die Straßenbenennung hergenommen, dann würde ich jede Kritik verstehen. Aber Herr Wendler hat nach dem Krieg fast 20 Jahre auch als Bürgermeister gearbeitet, und dabei viele gute Dinge für die Bürger gemacht. Ich finde es mehr als selbstgerecht, wenn man ihn nur auf seine Nazivergangenheit reduzieren will. In der Bibel ist ein guter Satz von Jesus überliefert, der wahrlich zeitlos ist: Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.

    Martin Goller

    Sie haben recht, die Aufarbeitung in Deutschland war sehr schlecht, wenn ein überzeugter Nazi danach noch in solche Ämter kam. Hat er sich denn in den 20 Jahren mal entschuldigt?

    Peter Pfleiderer

    "Interessen der Opfer völlig ignoriert" - Opfer solcher Umbenennungen sind die Anwohner einer solchen Straße, denen Lebenszeit für Bürokratie geraubt wird. Wenn denen der Staat 2 Tage bezahlten Sonderurlaub für eine Unzahl an Briefen an Vertragspartner und Behördenbesuche finanzieren würde, könnte man ja darüber diskutieren. Aber ohne ein entsprechendes Servicepaket liegt der "Supergau" einzig bei den Anwohnern.

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