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Unglück vor zehn Jahren: Hochwasser in Diedorf: Die Katastrophe mit Ankündigung

Unglück vor zehn Jahren

Hochwasser in Diedorf: Die Katastrophe mit Ankündigung

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    In die Tiefgarage in Diedorf-Lettenbach, in der zwei Männer starben, waren Rettungstaucher geschickt worden. Die Garage hatte sich binnen Sekunden mit Wasser gefüllt und war für die Männer, die ihre Autos in Sicherheit bringen wollten, zur tödlichen Falle geworden.
    In die Tiefgarage in Diedorf-Lettenbach, in der zwei Männer starben, waren Rettungstaucher geschickt worden. Die Garage hatte sich binnen Sekunden mit Wasser gefüllt und war für die Männer, die ihre Autos in Sicherheit bringen wollten, zur tödlichen Falle geworden. Foto: Kaya (Archiv)

    Es ist ein Tag, an den sich in Diedorf kaum jemand erinnern mag. Zehn Jahre ist es am 7. Juni, in diesem Jahr der Feiertag Fronleichnam, her, dass das folgenschwerste Hochwasser die Ortsteile Anhausen und Lettenbach heimsuchte. Nie geahnte Sturzbäche ergossen sich von den Wäldern her in die Ortschaften. Die Flut kam so schnell, dass eine 81-jährige Frau in

    Pfingsten 1999 Augsburger Stadtteile im Westen, unter anderem Pfersee, versinken in den Schlammmassen der Wertach.

    September 2000 Hochwasser an der Zusam und der Schmutter überschwemmen Dinkelscherben, die

    Januar 2001 Diedorfs Bürgermeister Otto Völk spricht die Situation auf dem Neujahrsempfang der Gemeinde an. Er befürchtet, dass sich die Situation verschärfen könnte.

    Donnerstag, 6. Juni 2002 Meteorologen warnen vor schweren Gewittern. Wie schwer vor allem Mittelschwaben und der westliche Landkreis Augsburg dann aber tatsächlich getroffen werden, war nicht vorhergesagt worden. In der Nacht erreichen die Gewitter Schwaben. Von vorherigen Regenfällen ist der Boden bereits vollgesogen.

    Freitag, 7. Juni 2002 Gegen vier Uhr früh rauschen gewaltige Wassermassen von Südwesten aus dem Wellenburger Wald her in Richtung Lettenbach und Anhausen. Der Hausmeister einer modernen Wohnanlage in der Lettenbachstraße weckt die Bewohner und warnt sie. Viele von ihnen rennen in die Parkgaragen, um ihre Wagen herauszufahren. Eine der Garagen liegt unter der Erde. In ihr sterben wenig später zwei Männer, 46 und 50 Jahre alt. Sie konnte die Garage nicht mehr rechtzeitig verlassen. Binnen Sekunden füllte sie sich über die Einfahrtsrampe mit einer stinkenden braunen Brühe. Ein Anwohner sieht noch, wie ein Mann hinter ihm im Auto sitzt, dann kann er selbst im letzten Moment fliehen.

    Zur gleichen Zeit versucht eine 81-jährige Frau, ihre Habseligkeiten aus ihrem Keller am Ortsrand von Diedorf nach oben zu retten. Auch sie wird vom Wasser eingeschlossen. Ein 37-jähriger Nachbar seilt sich durch ein Kellerfenster ab und versucht, die Frau zu retten. Er kann nichts für sie tun, kommt selbst in akute Gefahr. Nur das Licht der Taschenlampe eines Feuerwehrmanns weist ihm den Weg nach draußen.

    Erst gegen Mittag gelingt es Helfern, die Leichen in Lettenbach zu bergen. In der trüben Brühe der bis zum Rand gefüllten Tiefgarage sehen die Rettungstaucher die Hand nicht vor Augen. Jederzeit können sie von einem Auto, die teilweise übereinandergeschoben sind, erdrückt werden. Derweil sind Feuerwehrleute ununterbrochen im Einsatz, Notfallseelsorger und ein Kriseninterventionsteam kümmern sich um verzweifelte Menschen. Die Gemeinde Diedorf hat in aller Eile eine Notunterkunft für die Betroffenen im Bürgersaal über dem Kindergarten in Lettenbach eingerichtet.

    „Das ist das schlimmste Unglück, das die Marktgemeinde Diedorf je getroffen hat. Wir trauern“, sagt Bürgermeister Otto Völk. Meteorologen rechnen vor, dass es in drei Stunden so viel geregnet hatte, wie sonst in einem Monat. 100 Liter Wasser auf einem Quadratmeter wurden gemessen. Dennoch sei es ein lokales Ereignis gewesen – mit einem Schwerpunkt auf Diedorf.

    Am Nachmittag retten zwei Augsburgerinnen, die mit ihrem Hund an der Schmutter spazieren waren, einen Neunjährigen Diedorfer Buben unter Einsatz des eigenen Lebens aus dem reißenden Fluss. Er hatte sich zu nah ans Ufer gewagt.

    Samstag, 8. Juni 2002 Am Morgen hebt Landrat Karl Vogele den Katastrophenalarm über den Landkreis auf. In Diedorf beginnen die Aufräumarbeiten. Bürgermeister Völk sagt, dass die Fluten wohl nicht zu stoppen waren. Er zieht Bilanz: Ganz Lettenbach stand unter Wasser, auch der Bereich des Anhauser Baches in Anhausen und im Ortszentrum war die Tiefgarage des Seniorenzentrums überflutet.

    Montag, 10. Juni 2002 Landrat Vogele bittet die Staatsregierung um Soforthilfe für die Geschädigten. Viele Menschen haben einen Großteil ihrer Habe verloren. Auch die Kartei der Not hilft. Außerdem nimmt die Staatsanwaltschaft Augsburg Ermittlungen auf. Es geht unter anderem darum, ob es in der betroffenen Wohnanlage ausreichend Fluchtwege gab.

    Donnerstag, 20. Juni 2002 In einem Trauergottesdienst gedenkt Diedorf der Opfer. Im Ort werden derweil Gerüchte laut, die Wohnhäuser an der Lettenbachstraße hätten gut 15 Jahre zuvor gar nicht genehmigt werden dürfen. Einsprüche damals galten aber eher ökologischen Bedenken, ein derartiges Hochwasser war nicht vorausgesehen worden. Tatsächlich war die Genehmigung rechtens.

    Juli 2002 Der Gemeinderat Diedorf befasst sich mit einem grundlegend neuen Hochwasserschutz. Erste Pläne liegen dann im Oktober auf dem Tisch. Der Marktgemeinde selbst ist durch das Hochwasser ein Schaden in Höhe von 250000 Euro entstanden.

    August 2002 Das nächste schwere Gewitter mit bis zu 80 Liter Niederschlag pro Quadratmeter traf erneut Anhausen und Diedorf.

    September 2002 Der Gemeinderat Diedorf beschließt, Kanäle in Lettenbach, Diedorf und Anhausen aufzuweiten und das Regenüberlaufbecken an der Wellenburger Straße zu vergrößern. Ein erster Schritt.

    In den vergangenen Jahren hat sich der Hochwasserschutz in Diedorf, aber auch in den Stauden und umliegenden Gemeinden teilweise grundlegend verändert. Wie, das lesen Sie in einer weiteren Folge unserer Serie. Außerdem treffen wir Bürgermeister Otto Völk und Einwohner aus Lettenbach.

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