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Thierhaupten: Nach 30 Jahren fliegt Pilot Reinhard Kiwitt in Rente

Thierhaupten

Nach 30 Jahren fliegt Pilot Reinhard Kiwitt in Rente

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    Pilot Reinhard Kiwitt verlässt das Cockpit und geht in Rente. Jetzt sitzt er nur noch hinter dem Steuer seines Busses.
    Pilot Reinhard Kiwitt verlässt das Cockpit und geht in Rente. Jetzt sitzt er nur noch hinter dem Steuer seines Busses. Foto: Lara Matic

    Eigentlich war Reinhard Kiwitts Traum vom Fliegen nie sein Traum. Der Düsseldorfer, der seit langem in Thierhaupten lebt, ist studierter Geologe, hat als Textilkaufmann gearbeitet und wechselte erst spät zum Fliegen. Zum Jahresende geht er nun in Rente – ganz kann der 64-Jährige aber doch nicht mit dem Chauffieren aufhören: Als Busfahrer wird er weiterhin hinter dem Steuer sitzen. Im Gespräch mit unserer Zeitung blickt er auf seine lange Dienstzeit zurück, erklärt, wie sich der Beruf gewandelt hat und verrät, worauf er sich besonders freut.

    Herr Kiwitt, erinnern Sie sich noch an ihren ersten Flug?

    Reinhard Kiwitt: Natürlich. Mit meiner Familie bin ich früher nie in Urlaub geflogen. Meinen ersten Linienflug habe ich also selbst gesteuert. Der war in einem kleinen Flieger, einem Neunsitzer als Co-Pilot nach Düsseldorf oder Hamburg. Das Flugzeug war so klein, dass die Leute mir wie im Omnibus im Genick saßen.

    Seine ersten Linienflüge absolvierte der Pilot in deutlich kleineren Maschinen als heute.  Seinen erste Job hatte er bei einer Augsburger Fluglinie.
    Seine ersten Linienflüge absolvierte der Pilot in deutlich kleineren Maschinen als heute. Seinen erste Job hatte er bei einer Augsburger Fluglinie. Foto: Repro: Marcus Merk

    Sie sind 30 Jahre geflogen, von einem geregelten Schreibtischjob kann man nicht reden. Wie sah Ihr Alltag aus?

    Kiwitt: Ich habe in Stuttgart, Nürnberg und in München als Pilot gearbeitet. Deshalb hat mein Arbeitstag mit einer einstündigen Fahrt zum Flughafen begonnen – sowohl in der Früh wie auch am Abend zurück nach Hause. Danach folgte eine Stunde Flugvorbereitung. Nach vier Flügen war aber meistens Ende. Das ist für mich ein echt langer Tag, nach dem ich echt geschafft bin. Alles in allem bin ich 14 Stunden unterwegs.

    Sie haben vier Kinder, die inzwischen alle erwachsen sind. Wie aber war so ein langer Arbeitstag mit kleinen Kindern vereinbar?

    Kiwitt: Eigentlich ging das ganz gut. Ich war ja nicht jeden Tag unterwegs. Ganz im Gegenteil: Ich war tatsächlich viel zu Hause und glaube, dadurch mehr Zeit als normale Arbeitnehmer für meine Familie gehabt zu haben. Der Nachteil war eher, dass ich am Wochenende und nachts fliegen musste.

    Schlagwort Flugscham – wie ergeht es Ihnen als Pilot mit Debatten um den Klimaschutz? Fliegt bei Ihnen das schlechte Gewissen mit?

    Kiwitt: Ich habe kein Problem mit Flugscham. Ich verzichte aber nicht auf Fliegen oder meinen Urlaub und verlange das auch nicht von anderen. Ich vertraue den Ingenieuren, dass sie innovativ arbeiten. Wir Piloten sind eben auch Teil der Wirtschaft. Erst wenn sich diese ändert und Leute lernen, zu verzichten, sehe ich eine Chance auf Veränderung.

    Ein anderer Punkt betrifft die Sicherheit beim Fliegen. Denken wir an den Absturz der German Wings Maschine, die ein depressiver Pilot vor wenigen Jahren zu Absturz brachte. Inwiefern hat sich Ihr Beruf durch solche Ereignisse verändert?

    Kiwitt: Natürlich bin ich betroffen, weil ich sehe, dass so etwas passieren kann. Die Wahrscheinlichkeit, einen depressiven Kollegen zu haben, ist aber gering. In dem Fall ist er durch das Netz gerutscht. Viel hat sich auch durch die Anschläge nach 2001 geändert. Seither ist die Cockpittür schusssicher und nicht mehr zu öffnen.

    Hat sich dadurch der Kontakt zu den Passagieren verändert?

    Kiwitt: Ja. Früher konnte ich Passagiere, die Flugangst haben, ins Cockpit nehmen und ihnen zeigen, wie die Technik funktioniert. Das fand ich sehr gut.

    Seit ein paar Jahren arbeiten Sie nebenbei als Busfahrer – wie kam es dazu?

    Kiwitt: Auch als ich schon mit dem Fliegen begonnen hatte, habe ich weiterhin als Geologe am Boden gearbeitet. Mir hat es schon immer Spaß gemacht, noch was anderes zu machen. Seither war ich aber nur Pilot. Vor einigen Jahren habe ich mir dann überlegt: Was mache ich, wenn ich nicht mehr fliegen kann? So kam ich zum Busfahren.

    Kiwitt kennt nicht nur die Vogelperspektive. In Thierhaupten fährt der Pilot auch Linienbus.
    Kiwitt kennt nicht nur die Vogelperspektive. In Thierhaupten fährt der Pilot auch Linienbus. Foto: Reinhard Kiwitt

    Wie unterscheidet sich die Arbeit?

    Kiwitt: Das Ansehen als Pilot ist viel größer und die Leute haben Respekt vor der Uniform. Den Unterschied merke ich als Busfahrer sehr. Darüber hinaus ist der Verkehr am Boden anstrengender. Ich muss viel mehr Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer nehmen und aufpassen, keine Unfälle zu bauen.

    Kann man über den Wolken vom Stress auf der Erde abschalten?

    Kiwitt: In gewisser Weise ja. Man hat zwar einerseits auch beim Fliegen Stress, wenn wir stundenlang dem Funk zuhören müssen und uns fragen: Sind wir gemeint? Andererseits habe ich oben einen Autopiloten und kann abschalten.

    Was ist Ihnen lieber: Vogelperspektive oder doch mittendrin im Verkehr?

    Kiwitt: Vogelperspektive. Beim Fliegen ist viel mehr geregelt. Außerdem ist das Flugzeug sehr sicher.

    Wird Ihnen das Fliegen fehlen?

    Kiwitt: Nein. Zum einen habe ich es lang genug gemacht und zum anderen hat sich der Beruf zu sehr verändert. Früher stand das Abenteuer im Vordergrund, weil das Flugzeug technisch gar nicht so ausgereift war. Das waren echte Pioniere. Das ist heute nicht mehr so. Mir fehlen inzwischen die langen Aufenthalte nach Flugreisen, die man schön gestalten konnte. Jetzt bedeutet der Beruf für mich nur noch: Weg zur Arbeit, Fliegen, Fliegen, Fliegen und wieder zurück.

    Wo soll der letzte Flug hingehen?

    Kiwitt: Ich habe eigentlich keine Vorlieben. Eventuell meine Hausstrecke nach Mallorca, dort würde ich dann eine Fahrradtour machen.

    Was planen Sie für Ihre Rente? Sie sind Ihr Leben lang gereist, was reizt Sie noch?

    Kiwitt: Ich freue mich darauf, Dinge zu erfühlen und zu erleben. Dazu muss ich nicht weit weg fliegen, das kann auch der Wald um die Ecke sein. Ich bin in den vergangenen Monaten eh schon viel weniger geflogen, ich kenne das Gefühl also schon. Ich muss sagen: Das fühlt sich toll an.

    Lesen Sie hierzu auch den Kommentar: Zeitenwende - Neues Jahr, neues Glück

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