Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg Land
Icon Pfeil nach unten
Lokalsport
Icon Pfeil nach unten

Sportskanonen: Leistungssport im Stillen

Sportskanonen

Leistungssport im Stillen

    • |
    Ursula und Wolfgang Müller aus Neusäß sind beide gehörlos – und waren in mehreren Sportarten jeweils auf Medaillenkurs. Damit traten sie sogar bei den „Deaflympics“, den Spielen der Gehörlosen, an.
    Ursula und Wolfgang Müller aus Neusäß sind beide gehörlos – und waren in mehreren Sportarten jeweils auf Medaillenkurs. Damit traten sie sogar bei den „Deaflympics“, den Spielen der Gehörlosen, an. Foto: Sigrid Wagner

    Zum Medaillenzählen muss man nicht unbedingt auf die Olympischen Spiele oder die derzeit stattfindenden Paralympics in Rio de Janeiro schauen. Es genügt auch ein Blick auf das Neusässer Ehepaar Ursula und Wolfgang Müller. Er erkämpfte sich Bronze als Brustschwimmer bei den „Deaflympics“. Sie gewann Gold im Kugelstoßen und im Weitsprung sowie Bronze im Diskuswerfen bei den deutschen Juniorenmeisterschaften. Außerdem holte sie sich noch den Titel als deutsche Gehörlosen Senioren Tennismeisterin. Die Müllers waren schon in ihrer Jugend außergewöhnlich sportlich. Beide sind in früher Kindheit ertaubt, sodass sie bei Wettkämpfen im Rahmen des Gehörlosensports antreten konnten.

    Bei den Olympischen Spielen für Behinderte sind hörgeschädigte und taube Sportler nicht mit dabei, bedauert Wolfgang Müller. Für Gehörlose gibt es separate Spiele, die Deaflympics, eine Wortzusammenstellung aus dem Englischen deaf für „taub“ und Olympics für „Olympische Spiele“. Sie finden ebenfalls alle vier Jahre statt, immer ein Jahr nach den herkömmlichen Olympischen Spielen.

    Eine Besonderheit bei den Deaflympics ist, dass die Gebärdensprache als „Weltsprache“ gilt und mit den Sportlern länderübergreifend gut kommuniziert werden kann. Um zu verstehen, weshalb es separate Olympische Spiele für Gehörlose gibt, muss man einen Blick auf die Entwicklungsgeschichte der klassischen Spiele werfen. Diese waren nicht für den Behindertensport zugänglich, sodass bereits 1924 erstmals eigene Olympische Spiele für Gehörlose durgeführt wurden. Erst später, im Jahr 1960 in Rom, fanden dann Olympische Spiele für Rollstuhlfahrer statt, die dann Schritt für Schritt um verschiedene Behinderungsarten erweitert wurden und heute als Paralympische Spiele stattfinden.

    Wolfgang Müllers Sporttalent wurde während des Schulschwimmens entdeckt. Daraufhin trat er dem Schwimmverein Hildesheim bei und trainierte dreimal in der Woche. Er schwamm so gut, dass er in den deutschen Nationalkader berufen wurde und 1965 bei den Weltmeisterschaften im Gehörlosensport in Amerika am Start war. „Der Sport eröffnete mir eine neue Welt“, erzählt Wolfgang Müller. Für ihn als damals 18-Jährigen sei das alles sehr aufregend gewesen. Seine sportlichen Leistungen seien so gut gewesen, dass er sogar als Favorit gehandelt wurde. „Dieser hohe Erwartungsdruck verunsicherte mich“, blickt Wolfgang Müller zurück, „und ein grippaler Infekt schwächte mich so, dass ich das Siegertreppchen verpasste.“ Vier Jahre später reiste er als Bundestrainer für die deutschen Schwimmer mit zu den Spielen, außerdem war er aktiver Wasserballspieler. 1973 wurde er erneut in den deutschen Nationalkader berufen. „Diesmal war ich fit und Herr der Situation.“ Er trat als Brustschwimmer zur 4x100- Meter-Lagen-Staffel der Herren an und gewann Bronze. Nach diesem Erfolg trat er etwas kürzer und kümmerte sich um seine berufliche Laufbahn. Zu einem Weiterbildungslehrgang für Architekten reiste er 1976 nach Heidelberg und lernte hier seine Frau kennen. „Hier in Heidelberg habe ich mein Herz verloren“, erzählt Wolfgang Müller schmunzelnd und ist stolz auf seine Ursula.

    Als 16-Jährige gewann diese bei den deutschen Juniorenmeisterschaften der Leichtathleten für Gehörlose zweimal Gold und einmal Bronze. Viele Jahre später kämpfte sie sich dann im Tennis nochmals ganz nach oben. „Der Sport hat uns viel Kraft fürs Leben gegeben“, sind sich die beiden einig.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden