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Prozess: Der Fußballer denkt netto

Prozess

Der Fußballer denkt netto

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    Beim TSV Aindling wurde ordentlich verdient. Nun standen sechs ehemalige Spieler im Zeugenstand.
    Beim TSV Aindling wurde ordentlich verdient. Nun standen sechs ehemalige Spieler im Zeugenstand.

    Nein, von Steuern war nie die Rede, wenn es ums Eingemachte ging – also ums Geld. Fußballer sprechen eigentlich immer von Netto, wenn sie für einen Verein und auf einem Niveau kicken, bei dem es was zu verdienen gibt. Einige haben ganz ordentlich verdient beim TSV Aindling: Auf bis zu 12000 Euro im Jahr sei er gekommen, sagte ein langjähriger Spieler vor dem Amtsgericht in Augsburg aus. Ein Teil wurde überwiesen, ein größerer Teil wurde ausgezahlt – bar. In der Regel monatlich unter vier Augen im Vereinsbüro und nach dem Training. Auf die Hand und gegen eine Quittung gab es Geld für Fahrtkosten und Prämien, berechnet nach Spieleinsätzen und gewonnenen Punkten.

    Einige Spieler im Zeugenstand definierten ihre Entlohnung als „Aufwandsentschädigung“. Immerhin hätten sie zum Training und zu Spielen fahren müssen, vier bis fünf Paar Fußballschuhe pro Saison verschlissen und zeitlich sei der Aufwand ja enorm gewesen. Eine Barauszahlung will übrigens keiner gefordert haben. Das sei in Aindling halt so üblich gewesen. Und die Quittung war für die jungen Männer ein Beweis, dass alles passt.

    Passt aber nicht. Das illegale Bezahlsystem des Vereins für seine Spieler mit einem Grundgehalt als geringfügig Beschäftigter (Minijob) plus meist doppelt so hohen Prämien und Fahrtkosten, die als Aufwandsentschädigungen deklariert wurden, ist bei einer großen Razzia vor vier Jahren aufgeflogen.

    Für die Staatsanwaltschaft ist klar: Die Fußballer waren ganz normale Arbeitnehmer. Der „Arbeitgeber“ hat Steuern hinterzogen und die Sozialversicherung betrogen. Vier TSV-Funktionäre, der aktuelle Präsident, zwei seiner Vorgänger und der langjährige Finanzvorstand, halten für das Bezahlmodell ihren Kopf vor Gericht hin. Alle vier sind im Rentenalter, bislang unbescholten, und haben sich laut Anklage nicht persönlich bereichert. Sozialkassen und Fiskus verlangen für die Gehälter aus der Schwarzgeldkasse insgesamt 2,1 Millionen Euro an Nachzahlungen und Strafzinsen. Der Verein hat Insolvenz angemeldet und kämpft ums Überleben.

    Spieler sind nicht ungeschoren davongekommen

    Aber auch einige Fußballer sind nicht ungeschoren davongekommen. Vor allem bei Spielern, die länger im Verein waren, sind das Finanzamt und auch der Staatsanwalt 2012 vorstellig geworden. Zwei bestätigten, dass sie Bußgelder gezahlt haben. In einem Fall waren es allein 15000 Euro. Das Strafverfahren gegen sie wurde daraufhin eingestellt. Dazu haben sie auch die vom Verein nicht abgeführten Lohnsteuern nachgezahlt.

    Vier Fußballer waren im Zeugenstand, die meist nur für eine Saison in Aindling angeheuert hatten. Da gab’s schon einige Ungereimtheiten, zu denen Richterin Simone Hacker konkret nachfragte. Warum sei da eine Quittung blanko unterschrieben worden? Kopfschütteln – keine Ahnung. Mehrere Spieler bekamen Geld für eine Übungsleitertätigkeit – das ist steuerfrei. Kein einziger der Befragten hat aber je ein Jugendteam trainiert. Keine Bedenken gehabt? Schulterzucken – keine Ahnung.

    Interessanter wurde es dann mit zwei langgedienten „Kämpen“ des Vereins als Zeugen. Ja, sagte der eine aus, er habe mehrmals beim Finanzvorstand nachgehakt, „ob das alles sauber läuft und den sicheren Weg geht“. Ja, habe der gesagt, und er habe ihm geglaubt. Schließlich sei der Mann Steuerberater von Beruf. Auch dessen langjähriger Spielerkollege gab zu Protokoll, dass er beim Finanzfachmann des Vereins explizit nachgefragt habe, ob die Auszahlungen korrekt seien. Antwort: „Mach dir keine Sorgen.“ Der Prozess wird am Freitag, 5. Februar, fortgesetzt.

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