Ob es am herrlichen Wetter lag? Oder am letzten Tag des 50. Jubiläumsjahres der Stadt Gersthofen? Oder vielleicht doch an den bevorstehenden Kommunalwahlen? Auf jeden Fall hat man beim Gersthofer Silvesterlauf lange nicht mehr so viele politische Mandatsträger oder solche, die es werden wollen, auf und neben der Strecke gesehen. Einige wagten sich sogar auf den 9,7 Kilometer langen Kurs durch die Innenstadt und die Lechauen. Eine Abordnung, die sich aus fast allen Gruppierungen zusammensetzte, machte sich gemeinsam zum Nordic Walking auf. Das faschingserprobte Moderatoren-Duo Reinhold Dempf und Herbert Lenz sorgte für gute Laune und Erheiterung in der gut besetzten Abenstein-Arena. Nicht zuletzt, weil sie den Sieger Brian Weishaupt statt Weisheit ankündigten. Für die Läuferszene ein grober Fauxpas, denn der 22-Jährige aus Stadtbergen, der für die LSC Höchstädt/Aisch startet, ist dort längst ein Begriff.
Mit Brian Weisheit und der in Neusäß lebenden Kerstin Hirscher (LAC Quelle Fürth) haben sich zwei Lokalmatadore sozusagen vor der Haustüre zum ersten Mal in die Siegerlisten des Gersthofer Silvesterlaufes eingetragen. Insgesamt gingen am letzten Tag des Jahres 2019 im Schüler- und Hauptlauf über 9,7 Kilometer 1356 Läuferinnen und Läufer an den Start. Mit Wanderern, Nordic Walkern und Flitziläufern waren es knapp 1700 Teilnehmer.
Bei den Flitzis, die ohne Zeitmessung aus Spaß an der Freude die ersten Erfahrungen sammelten, hat auch Brian Weisheit angefangen. „Ich kann mich noch erinnern, wie ich als Kind hier beim Flitzilauf die ersten Runden gedreht habe“, freute er sich ganz besonders über seinen Premierensieg beim Silvesterlauf, den er als „Heimsieg“ bezeichnete. „Das ist schon ein tolles Gefühl, hier gewonnen zu haben, wo ich alle Leute seit Jahren kenne“, zeigte sich der 22-Jährige im Ziel überglücklich und bescheiden: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich hier in Gersthofen gegen so starke Konkurrenz durchsetzen kann.“
Vorjahressieger Tobias Gröbl (LG Zusam), der mit insgesamt sieben Erfolgen (2010 bis 2015 gewann er sechs Mal in Folge) das abgelaufene Jahrzehnt beim Gersthofer Silvesterlauf prägte, musste sich im Schlussspurt geschlagen geben und lief kopfschüttelnd über die Ziellinie. „Am Anfang habe mich schon geärgert, dass ich noch überholt worden bin, nachdem ich bei Kilometer acht 400 Meter aufgeholt hatte“, hatte der 36-Jährige aber schnell eine plausible Erklärung parat: „Da hat man halt die 14 Jahre Altersunterschied gesehen. Also ist das schon in Ordnung.“ Als Dritter kam Hiob Gebisso von der TG Viktoria Augsburg ins Ziel.
Stärkere Konkurrenz hätte sich Kerstin Hirscher gewünscht, die mit fast zwei Minuten Vorsprung vor Cornelia Griesche (LG Telisfinanz Regensburg), der fünffachen Seriensiegerin von 2013 bis 2017, einlief. Im vergangenen Jahr musste sich Hirscher noch mit Platz zwei hinter Brendah Kebaya begnügen. „Damals war ich etwas angeschlagen, aber diesmal ist es top gelaufen“, strahlte die Silvesterlauf-Siegerin, „deshalb hätte es mich schon interessiert, ob ich diesen Rückstand von 30 Sekunden hätte wettmachen können.“ Doch Kerstin Hirscher nahm es locker: „So habe ich halt die Männer eingesammelt und einen nach dem anderen überholt. Ich bin sehr glücklich.“ Ein Sieg in Gersthofen hat in der Läuferszene einen sehr hohen Stellenwert. „Und es ist auch ein super Erlebnis und macht richtig Spaß, im Stadion vor der voll besetzten Tribüne ins Ziel einzulaufen“, meinte die 30-Jährige, die sich nun ganz auf die Hallensaison konzentrieren wird.
Gersthofer Stadtmeister darf sich Christoph Magg nennen, Stadtmeisterin Alexandra Grashei. Bei den Jugendlichen siegte zum zweiten Mal in Folge Sarah Bischof von der LG Reischenau-Zusamtal.
Neben der Spitzenklasse sind in Gersthofen aber auch Jahr für Jahr Hunderte von Freizeitsportlern unterwegs, die teilweise fast doppel so lang brauchen wie die Sieger, aber zum Jahresausklang noch einmal ein Erfolgserlebnis feiern wollen. Dabei kommt auch der Spaßfaktor nicht zu kurz. So liefen Monika Gaertig aus Gersthofen und Christine Schmid aus Rehling im Engelskostüm. Im vergangenen Jahr waren die beiden Arbeitskolleginnen aus der Verwaltung der Augsburger Kripo im Baströcken unterwegs. „Nachdem wir schon mal als Teufel gelaufen sind, wollten wir es diesmal als Engelchen probieren“, lachten die beiden Frauen.
Aus Neusäß war ein ganzes Wolfsrudel am Start. Weil ihr Organisator Wolfgang Erhard heißt, hatten sich auch Anna, Magdalena, Hubert und Maximilian sowie Thomas Lis einheitliche T-Shirts zugelegt. Im Ziel setzten sie zusätzlich noch eine Wolfsmaske auf. Mit einheitlichen T-Shirts waren auch zahlreiche Läuferinnen und Läufer des Heimat- und Volkstrachtenvereins Gersthofen unterwegs, um Werbung in eigener Sache zu machen. Am letzten Tag des Jahres 2019 wurde kräftig angefeuert, 2020 wird das 100-jährige Jubiläum gefeiert.
Selbstverständlich durfte auch Feuerwehrmann Stefan Roidl aus dem thüringischen Jena nicht fehlen, der erneut in voller, 30 Kilogramm schwerer Ausrüstung startete. Er hat damit inzwischen den legendären „Tarzan“ abgelöst, der stets nur mit einer Badehose bekleidet auf die Strecke ging. Bei diesem herrlichen Wetter am letzten Tag des Jahrzehnts dürfte er ebenso seine Freude gehabt haben, wie Hinrich Habenicht.
Der Präsident des TSV Gersthofen hatte zum dritten Mal beim Silvesterlauf die Fäden in der Hand. „Es war eine Veranstaltung, die geprägt war von begeisterten Zuschauern und einer friedlichen, fröhlichen Stimmung“, so Habenicht.
Und auch das Problem mit der Tee-Zubereitung löste sich letztendlich in Wohlgefallen auf, da bei Wassertemperaturen über 70 Grad Mikroorganismen sicher inaktiviert werden.
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