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Fußball: Amateurfußballer stehen im Regen

Fußball

Amateurfußballer stehen im Regen

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    „Bundesliga und Champions League werden präsentiert, doch in deren Schatten ist es dunkel.“ Günther Hausmann, sportlicher Leiter des TSV Neusäß, moniert, dass die Amateurfußballer im Regen stehen gelassen werden.
    „Bundesliga und Champions League werden präsentiert, doch in deren Schatten ist es dunkel.“ Günther Hausmann, sportlicher Leiter des TSV Neusäß, moniert, dass die Amateurfußballer im Regen stehen gelassen werden. Foto: Oliver Reiser

    Günther Hausmann ist seit über fünf Jahrzehnten im Fußball-Geschäft. Ob als Spieler, Trainer, als Jugendkoordinator des FC Augsburg oder – wie in den letzten Jahren – als sportlicher Leiter des Bezirksligisten TSV Neusäß. Was er momentan in Zeiten der Corona-Pandemie erlebt, hätte der 73-Jährige niemals für möglich gehalten, obwohl er sich selbst gerne als „Querdenker“ bezeichnet. „Das nimmt verdammt viel Spaß an der Sache“, sagt Hausmann, „und es kostet viel Kraft, dass man nicht aufhört. Aber niemand kann etwas dafür.“ Was ihn am meisten stört: „Bundesliga und Champions League werden präsentiert, doch in deren Schatten ist es dunkel. Die Amateurfußballer leiden und werden im Regen stehen gelassen.“ Bei der jüngsten Kabinettssitzung fanden die Kicker nicht einmal Erwähnung, dürfen bis 18. September weiterhin nur Testspiele ohne Zuschauer austragen.

    „Ohne Worte! Das kann ich nicht nachvollziehen“, schüttelt Oliver Haberkorn, der Trainer der SpVgg Westheim, nur ungläubig den Kopf. Philipp Brauchler, Abteilungsleiter des TSV Lützelburg, hat die Hoffnung aufgegeben: „Auch wenn es schwerfällt, sollten wir den Spielbetrieb wieder einstellen und erst im Frühjahr 2021 mit Zuschauern und Nutzung der Duschen fortsetzen.“

    „Ich war grundsätzlich immer für einen Abbruch der Saison“, sagt Hausmann. „Ich mag keine halben Sachen.“ Das habe nichts mit dem Tabellenstand zu tun. Sein Verein, der TSV Neusäß, befindet sich als Aufsteiger gerade auf einem Abstiegsrang. Doch der Bayerische Fußball-Verband hat als einziger Verband in Deutschland die Saison nicht abgebrochen. Jetzt sollte der Re-Start mitten in den Ferien erfolgen. Ein Unding, findet Hausmann: „Auch die Ängste waren da, dass mit dem Ende der Urlaubszeit die Infektionszahlen wieder steigen.“

    Er wäre deshalb für einen Neustart Anfang Oktober gewesen, weil bis dahin auch die Inkubationszeit der Rückkehrer vorbei gewesen wäre. „Dann hätten alle mehr Planungssicherheit gehabt“, ist er sicher, dass durch die erneute Verschiebung des Re-Starts um zwei Wochen die Motivation bei allen Beteiligten nicht steigt. Trainer und Funktionäre hätten alle Hände voll zu tun, die Spieler bei Laune zu halten.

    Höchste Zeit sei es auch, dass die Kinder wieder spielen dürfen. „Die haben jetzt über Monate hinweg keinen Sportunterricht und kein Training gehabt“, so Hausmann. In einigen Vereinen bleiben die Nachwuchskicker bereits weg, suchen sich andere Sportarten. Auch Zuschauer seien im Nachwuchsbereich kein Problem: „Bei elf Spielern sind doch keine elf Elternpaare da. Wie viele schauen denn ihren Kindern überhaupt noch zu?“

    Trotzdem lautet die klare Ansage von Hausmann: „Nicht ohne Zuschauer!“ Mit den „paar müden Euros“ könne man dann wenigstens Schiedsrichter, Strom und Wasser bezahlen. Bei den Zuschauerzahlen der meisten Vereine von der Kreisliga bis hinunter zur B-Klasse sei es laut Hausmann doch relativ einfach, den Abstand zu wahren. Wie Augenzeugen berichten, würden sich so die wenigen Interessierten auf der Terrasse des Sportheims oder am Zaun deutlich dichter drängen, als wenn sie um das Spielfeld verteilt wären. Außerdem: Zuschauer, die man einmal weggeschickt hat, seien schwer zurückzuholen. Nächstes Problem der seit Monaten fehlender Einnahmen. Hausmann: „Wie soll man mit der Bezahlung von Trainern oder Spielern umgehen?“

    Aus Gründen der Gleichheit und der Gerechtigkeit habe der BFV die Saison nicht abgebrochen. „Das war meines Erachtens auch nicht der richtige Ansatz“, sagt Günther Hausmann. „Jedem war doch klar, dass eine Mannschaft innerhalb eines Zeitraumes von August 2019 bis Juni 2021 schon allein aus Studien- oder familiären Gründen nicht mehr identisch sein wird.“ Nun ist noch eine weitere Komponente hinzugekommen. „Vereine, die eng kalkulieren, sind im Nachteil, andere haben sich grandios verstärkt“, nennt Hausmann als Paradebeispiel den TSV Schwaben Augsburg. Das Wort Wettbewerbsverzerrung will er dabei nicht in den Mund nehmen. Im Gegensatz dazu würden Vereine profitieren, die gute Jugendarbeit machen. So könne der TSV Neusäß zum Beispiel vier Nachwuchskicker aus der JFG Lohwald in seinen Kader aufnehmen.

    Obwohl Günther Hausmann allen Respekt vor den Leuten hat, die sich Gedanken über die Fortsetzung des Spielbetriebs gemacht haben, ist er nicht mit allen Entscheidungen zufrieden. „Mir hat am Anfang vor allem die Auseinandersetzung gefehlt, weil der BFV bereits vor der Abstimmung der Vereine die Meinung vorgegeben hat“, glaubt Hausmann, dass der Verband mit Amateurfußball in erster Linie die Klubs der Regional- und Bayernliga meint. „Die Vereine auf dem flachen Land können die Hygiene-Vorgaben doch gar nicht umsetzen“, ist er sich sicher.

    Risikogruppen tragen die Verantwortung

    Das sei schon beim TSV Neusäß schwierig genug. „Wir geben den Spielern die Möglichkeit, Fußball zu spielen, und übernehmen dabei eine Riesenverantwortung“, lobt Hausmann alle Beteiligten, die bisher mit der Situation sehr verantwortungsvoll umgegangen seien. Das könne sich aber mit dem Ende der wärmeren Jahreszeit ändern. „Jetzt kann man sich noch im Freien umziehen, aber wenn an einem kalten und regnerischen Tag von 16 Spielern nur acht in die Kabine dürfen und die anderen in nassen Klamotten auf der Tribüne warten müssen, geht die Lust schnell verloren.“ Und außerdem: „Wie will man das beaufsichtigen?“ In Neusäß achten mit Betreuer Karl Lenz und ihm selbst Personen, die aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe gehören, darauf, dass die Regeln eingehalten werden. Bei vielen anderen Vereinen dürfte es nicht anders sein.

    Ob am Wochenende 19./20. September endlich wieder gespielt werden kann? Hausmann ist pessimistisch: „Und wenn ja, macht es Sinn?“ Vieles ist dem langjährigen Funktionär unerklärlich: „Beim Zweikampf auf dem Platz geht es in knallharte Manndeckung, und hinterher muss man Maske tragen und 1,5 Meter Abstand halten.“ Auch die Absicht des BFV, gegen den Freistaat zu klagen, gefällt ihm nicht: „Ich bin generell ein Gegner davon, über Gerichte etwas zu erzwingen, werde aber meine Trainer abfragen und dann nach deren Meinung abstimmen.“ Aber: „Fußball muss trotz Corona weiterleben!“

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