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Schockanrufe in Neusäß: Betrüger muss ins Gefängnis

Bamberg/Würzburg

Missglückter Schockanruf: 66-Jährige bringt Callcenter-Betrüger ins Gefängnis

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    Ein Mann aus Polen steht nach einer Betrugsmasche vor Gericht.
    Ein Mann aus Polen steht nach einer Betrugsmasche vor Gericht. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa (Symbolbild)

    Im Callcenter in Warschau haben die Kriminellen die Umgebung Bambergs ins Visier genommen. Generalstabsmäßig werden an diesem Tag ältere Leute angerufen. Solche mit altertümlichen Vornamen oder kurzen Rufnummern. Man hofft, sie mit „Schockanrufen“ psychisch so weit zerrütten zu können, dass sie Geld und Wertsachen hergeben. Bei einer 66-jährigen Frau aus Hirschaid geraten sie allerdings an die Falsche. Sie durchschaut die Betrüger und schafft es, dass ihr Schwiegersohn die Polizei alarmieren kann. Die Ermittler sichern das Anwesen und sind als Mithörer über jeden Schritt des Laufburschen informiert. Er reist mit dem Zug an und nimmt vor Ort ein Taxi. Das hat den Vorteil, dass ein eigener Wagen bei einem möglichen Prozess als Tatmittel nicht beschlagnahmt werden kann. Und es verhindert, dass man aufgrund von GPS-Daten eines Mietwagens weitere Einsatzorte nachweisen kann. Auch Menschen aus dem Landkreis Augsburg waren von der Betrugsmasche betroffen.

    Der junge Fahrgast stammt aus Polen. Man hat ihn angeheuert, weil er dringend Geld braucht, für Alkohol und Drogen. Und weil er noch nicht vorbestraft ist. Dann fällt er bei Polizeikontrollen weniger auf. Drei Tage zuvor hat er in Neusäß bei Augsburg tütenweise Goldmünzen und Schmuck abgeholt und sie an einen Komplizen übergeben. Das lässt sich mit Aufzeichnungen mehrerer Überwachungskameras (Tankstelle, Hotel, Bahnhof und Dashcam im Taxi), den mobilen Daten seines Smartphones und einigen Zeugenaussagen nachweisen. Dem Fahrer in Hirschaid erzählt der junge Pole nun ständig neue Geschichten. Erst geht es um eine Wohnungsbesichtigung, dann um den Besuch bei einem Freund. Man fährt erst in die eine, danach in die andere Richtung. Tatsächlich läuft im Hintergrund die Maschinerie der Betrügerbande, die parallel mehrere ältere Leute in der Nähe am Haken hat. Wer zuerst die Geldbündel verpackt hat, zu dem wird der junge Mann gelotst.

    Polizei überführt Betrüger während Schockanruf in Bamberg

    Der Geldabholer lässt das Taxi einige Straßen entfernt halten und warten. Dann geht er zu Fuß zum Zielort. Nur wenige Meter davor wird er misstrauisch. Für so ein Wohngebiet sind verdächtig viele Leute auf der Straße. Was er nicht weiß: Da feiert jemand einen sehr runden Geburtstag. Als er ganz ohne Beute zurück zum Taxi geht, umzingeln ihn die Streifenpolizisten aus Bamberg. Am anderen Ende der Telefonleitung hört die Rentnerin aus Hirschaid ein „Abbruch!“. Offenbar hat man in Warschau mitbekommen, dass man selbst aufs Kreuz gelegt und ihr Handlanger festgenommen worden ist. Bis dahin hat man die alte Dame auf Herz und Nieren geprüft. Keinen Moment hat man sie zur Ruhe kommen lassen. Sie sollte sogar die Seriennummern der angeblich von der Bank geholten 22.000 Euro vorlesen. Nur damit die Betrüger nicht selbst betrogen werden.

    Eine Frau aus Neusäß verlor mindestens 60.000 Euro durch den Betrug

    Am Ende verurteilt die 4. Strafkammer mit ihrer Vorsitzenden Manuela Teubel den 22-jährigen Mann aus Polen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Es hätte wegen des vollendeten und versuchten Falles eines banden- und gewerbsmäßigen Betruges auch noch deutlich höher ausfallen können. Doch ein weitreichendes Geständnis sorgt dafür, dass die 83-jährige Rentnerin aus Neusäß nicht nach Bambeg kommen muss. Ihr bleiben eine beschwerliche Reise und eine möglicherweise peinliche Aussage am Landgericht Bamberg erspart. Denn die alte Dame schäme und mache sich Vorwürfe, dass sie auf den „Schockanruf“ hereingefallen sei, berichtet ein Kriminalkommissar aus Augsburg. Den angerichteten Schaden von 59.500 Euro muss der Angeklagte wiedergutmachen. Zumindest steht es so auf dem Papier. Wobei die Beute deutlich wertvoller gewesen sein dürfte – nur lässt sich das nicht mit letzter Sicherheit sagen. Bei vielen Erbstücken fehlen schlicht Kaufbelege.

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