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Prozess um Dreifachmord in Langweid: Ist Gerhard B. psychisch krank?

Prozess in Augsburg

Dreifachmord in Langweid: Ist Gerhard B. psychisch krank?

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    Der mutmaßliche Dreifachmörder Gerhard B. auf der Anklagebank. Anmerkung der Redaktion: Der Angeklagte legt keinen Wert darauf, auf Foto- und Videomaterial unkenntlich gemacht zu werden. Daher zeigen wir Gerhard B. in unserer Berichterstattung unverpixelt.
    Der mutmaßliche Dreifachmörder Gerhard B. auf der Anklagebank. Anmerkung der Redaktion: Der Angeklagte legt keinen Wert darauf, auf Foto- und Videomaterial unkenntlich gemacht zu werden. Daher zeigen wir Gerhard B. in unserer Berichterstattung unverpixelt. Foto: Marcus Merk

    Bedrohlich sieht Gerhard B. wahrlich nicht aus. Seit Beginn der Verhandlung sitzt der mutmaßliche Dreifachmörder im immer gleichen Outfit auf der Anklagebank. Schwarzes Shirt, dunkle Hose, dunkelblaue Steppjacke. Der Rentner mit Halbglatze und Brille wirkt bieder, unauffällig, ordentlich. Nach etlichen Verhandlungstagen ist klar: B. ist Einzelgänger, hatte keine Freunde und stritt sich mit praktisch allen in seinem Umfeld. Auch mit den Nachbarn. Was brachte ihn dazu, sie zu erschießen? Wie tickt Gerhard B.? Vor Gericht wurden nun mehrere Gutachten vorgestellt, die Aufschluss geben sollen. Dabei gibt es inhaltlich große Unterschiede.

    Prozess in Augsburg: Ist der mutmaßliche Mörder voll schuldfähig?

    Eines der Gutachten legt nahe, dass Gerhard B. psychisch krank ist. In Auftrag gegeben hatte das Gutachten der Verteidiger des Angeklagten, Walter Rubach. Er geht davon aus, dass Gerhard B. nur eingeschränkt schuldfähig ist. Als er an einem Freitagabend im Sommer 2023 drei Menschen erschossen hat, habe er an einer „tiefgehenden Bewusstseinsstörung“ gelitten. Das Gericht äußert allerdings erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Gutachtens der psychiatrischen Gutachterin Hanna Ziegert. Der vom Gericht beauftragte Gutachter Felix Segmiller kommt zu anderen Ergebnissen.

    Die Privatgutachterin hatte den Angeklagten vor wenigen Wochen im Gefängnis in Gablingen besucht und nach eigenen Angaben etwa vier Stunden lang Gespräche geführt. Die Tat, so schildert es jedenfalls die Gutachterin, müsse im Zusammenhang eines umfassenden Krankheitsbildes des Angeklagten gesehen werden. Während die Gutachterin ihre Ergebnisse dem Gericht schildert, liegt vor ihr ein dicker Aktenordner, voll mit medizinischen Befunden. Die Liste der angeblichen Leiden ist lang: Angststörung, Depression, Verfolgungswahn. Hinzu kommen etliche körperliche Krankheiten. Das von der Verteidigung in Auftrag gegebene Gutachten zeichnet das Bild eines ängstlichen, kranken Mannes, der sich existenziell bedroht fühlte. Ein Mann, dessen Kindheit bereits von Angst geprägt gewesen sei, ausgelöst durch einen Alkoholiker-Vater, der seine Kinder schlug. Auch als Erwachsener habe sich B. permanent bedroht gefühlt. Etwa von seiner Frau – und seinen Nachbarn.  

    Dreifachmord in Langweid: Täter will sich kaum mehr erinnern

    Liegt darin das Motiv der Tat? Gerhard B. schweigt bislang zu den Einzelheiten des Dreifachmords. Die nun vorgestellten Gutachten liefern aber neue Einblicke in die Wahrnehmung des Täters. Demnach erinnert sich der 65-Jährige noch detailliert an die Stunden vor den tödlichen Schüssen. Wie mehrfach berichtet, gab es am Tag der Tat mal wieder Streit in dem Mehrfamilienhaus in der Schubertstraße in Langweid. Am Nachmittag rückte die Polizei an. Doch B. war nicht zu Hause. Während die Beamten mit seiner Ehefrau sprachen, war der Täter zum Grab seiner Mutter gefahren. Als er zurückkehrte, sei einer seiner Nachbarn mit einem Werkzeug in der Hand in der Hofeinfahrt gestanden. B. habe sich bedroht gefühlt, heißt es im Gutachten.

    Der 64-jährige Mann, der im Landkreis Augsburg drei Menschen erschossen und zwei weitere schwer verletzt haben soll, soll noch am Wochenende dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Dies sagte ein Sprecher der Polizei am Samstagmorgen
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    Ein Mann hat in Langweid am Freitagabend drei Menschen erschossen und zwei weitere schwer verletzt. In der Nachbarschaft herrscht Trauer und Fassungslosigkeit.

    Verängstigt sei er in seine Wohnung gegangen und habe mit zitternder Hand ein Glas Wasser getrunken. „Und dann setzt die Erinnerung aus“, erklärt die Gutachterin. B. habe auf eine Art Autopiloten gestellt, sei zum Waffenschrank gegangen, habe seine Pistole geladen und sich seinen Gehörschutz aufgesetzt. So wie er es als Sportschütze schon unzählige Male gemacht habe. Diesmal schoss der 65-Jährige aber nicht am Schießstand – er löschte das Leben von drei seiner Nachbarn aus. An die folgenden Momente will sich B. nach Auskunft eines Psychologen nur noch in Bruchteilen erinnern. Auch kurz nach der Festnahme sprach der Schütze bereits von einem „Blackout“, war sich aber nach Aussagen der Polizisten bewusst, dass er drei Menschen erschossen hatte.

    Erhebliche Zweifel gab es bereits an der Glaubwürdigkeit des von der Verteidigung in Auftrag gegebenen Gutachtens. Auf dem Beipackzettel eines jeden Medikaments stünden etliche mögliche Nebenwirkungen, stellte etwa der Vorsitzende Richter Michael Eberle klar. „Das heißt aber doch nicht, dass sie auch eintreten.“ Zweifel gab es auch an der Vorgehensweise der Gutachterin. Sie stütze sich ausschließlich auf die Aussagen des Angeklagten, gab etwa eine der Nebenklägervertreterinnen zu bedenken. Um sich ein umfassendes Bild machen zu können, müsse man sich auch die Schilderungen anderer Zeugen anhören.

    Kritik am Gutachten zum Zustand des mutmaßlichen Mörders

    Auch der vom Gericht beauftragte Gutachter Felix Segmiller kritisiert das Gutachten seiner Kollegin scharf. Er kommt zu völlig anderen Ergebnissen. B. habe zwar möglicherweise eine Persönlichkeitsstörung, nach ausführlicher Untersuchung gäbe es aber keine Hinweise auf eine Angststörung. „Ich halte das für falsch diagnostiziert“, stellt Segmiller klar. Auch eine Depression diagnostiziert Segmiller dem Angeklagten nicht. Allerdings zeige B. zwanghafte Persönlichkeitszüge. So sei ihm Ordnung sehr wichtig. Auch ein vom Gericht beauftragter Psychologe beschreibt den Angeklagten als zwanghaft und impulsiv. Nach etlichen Tests kommt er zu dem Schluss, dass Gerhard B. weniger reflektiert und aufnahmefähig als die meisten Menschen ist. Allerdings: „Es gibt Hinweise darauf, dass er sich kränker darstellen möchte, als er ist.“

    Welcher Version das Gericht am Ende folgt, wird entscheidend für das Urteil sein, das Ende Juli erwartet wird. Angeklagt ist B. wegen dreifachen Mords, versuchten Mords sowie in zwei Fällen wegen gefährlicher Körperverletzung. Gerhard B. droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.

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