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Neusäß: Nach Jahren auf der Flucht kocht er jetzt im Sternerestaurant

Neusäß

Nach Jahren auf der Flucht kocht er jetzt im Sternerestaurant

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    Ansumana S. ist von Gambia nach Deutschland geflohen und lebt derzeit in Steppach. Nun steht er kurz davor, eine Ausbildung zum Koch zu beginnen.
    Ansumana S. ist von Gambia nach Deutschland geflohen und lebt derzeit in Steppach. Nun steht er kurz davor, eine Ausbildung zum Koch zu beginnen. Foto: Marcus Merk

    Ansumana S. – seinen Nachnamen nennen wir nicht, um seine Sicherheit nicht zu gefährden – erinnert sich kaum noch an den Senegal, wo er geboren wurde. Als er drei Jahre alt war, töteten Rebellen seinen Vater, und seine Mutter floh mit ihm nach Gambia. Über zehn Jahre später spürten die Rebellen seine Familie in

    Dann fuhr er nach Burkina Faso, wo er am Bahnhof schlief. "In der Nacht hörte ich nur Waffen", erzählt er. Über Algerien ging es nach Libyen, wo er von einer Familie im Garten untergebracht wurde. Als sich die Kriegslage dort verschlimmerte, wollte die Familie Zuflucht in Tunesien suchen. Ohne Pass konnte Ansumana aber nicht mitkommen. Da erzählte ihm der Familienvater von der Möglichkeit, über das Mittelmeer nach Europa zu fahren. "Ich konnte nicht schwimmen", sagt Ansumana. "Aber ich hatte keine Wahl. Er hat mich 500 Meter vor das Meer gefahren, gab mir 1000 Dollar und wünschte mir Glück."

    Im Schlauchboot mit 110 Menschen übers Mittelmeer

    Am Meer hatte er sich zweimal bei Booten angestellt, aber immer reichte sein Geld nicht, um mitgenommen zu werden. Als es schon dunkel war, rief ein Mann beim letzten noch vorhandenen Boot: "Wer hat noch Geld?" Ansumana sprang auf. "Ich habe 1000 Dollar", sagte er. Weil es zu wenig war, wurde er geschlagen, aber dann doch ins Boot geworfen. Ansumana hat am ganzen Körper noch Narben von dieser Nacht. "Heute kann ich das mit Ruhe erzählen", sagt er. In dem Schlauchboot saßen 110 Menschen. "Wir mussten selber schauen, wie wir vorankommen", erzählt er. Ansumana füllte während der Fahrt das Benzin nach. "Das hat in meinen Wunden so gebrannt." Als er die letzten 20 Liter nachfüllte, war Italien noch immer nicht in Sicht. Ansumana bereitete sich schon auf das Ende vor, als endlich ein großes Schiff Halt machte. 

    Es war ein deutsches Schiff, das Ansumana und die anderen im März 2013 im letzten Moment aus dem Wasser zog. Ansumana wurde über Sizilien nach Bari in ein Camp gebracht. Im Dezember 2014 stellte er einen Asylantrag in Rom und wurde abgelehnt. Er fuhr nach Mailand, wo er den Hinweis bekam, nach Deutschland zu fahren. Über Zürich ging es nach Singen – ein erneuter

    Ansumana wurde nach mehreren Stationen schließlich nach Horgau ins Wohnheim geschickt. Inzwischen musste er aber auch seine Unterkunft oft wechseln. Jetzt wohnt er in Steppach. Im Schulzentrum Neusäß besuchte er dann für drei Jahre die Integrationsklasse – und stieß so auf den Ausbildungszweig "Ernährung und Versorgung" an der FOSBOS.

    Schon in Gambia hat Ansumana gerne gekocht

    Das erste Mal gekocht hat Ansumana mit zwölf Jahren für seinen Bruder, als seine Mutter bei der Arbeit war. "Ich habe meiner Mutter immer beim Kochen zugeschaut", erzählt er. "Dann habe ich es einfach selbst probiert. Ich habe Reis mit Erdnussbutter-Soße gekocht." Und der Reis schmeckte – auch seiner Mutter. "Seitdem war Kochen für mich immer etwas, was mir super Spaß gemacht hat", erzählt Ansumana. "Selber zu kochen, ist einfach das Beste, weil man auch genau weiß, was drin ist." Auch in Libyen, im Camp in Bari und jetzt im Wohnheim kocht er selber.

    Neben der Kochpraxis umfasst der Ausbildungszweig "Ernährung und Versorgung" aber auch Fächer wie Deutsch, Politik und BWL. Ansumana muss sich vielen Prüfungen stellen, stets mit der schwierigen Hürde der deutschen Sprache. "Praktisch hatte ich immer eine Eins – aber schriftlich habe ich anfangs sehr schlechte Noten bekommen", erzählt er. "Ich habe die zehnte Klasse dreimal gemacht. Und ich hatte fast jeden Tag Nachhilfeunterricht, auch am Wochenende." 

    Für das Pflichtpraktikum im letzten Schuljahr bewarb er sich bei der Alten Liebe, einem Sternerestaurant in Augsburg. Nach erfolgreichem Probearbeiten bekommt er die Stelle. "Wenn ich zur Alten Liebe gehe, habe ich immer gute Laune", sagt er. Weil ihm die Arbeit dort so viel Spaß macht, kommt er in den Ferien freiwillig. Auch als er noch in Untermeitingen wohnte und aufgrund der späten Arbeitszeiten oft nachts am Bahnhof auf den ersten Zug warten musste.

    Schulabschluss in Neusäß steht kurz bevor

    Jetzt steht Ansumana kurz vor dem Schulabschluss. Und: Er kann in der Alten Liebe auch zur Ausbildung bleiben – vorausgesetzt, sein Asylantrag wird anerkannt. „Ansumana den Ausbildungsplatz anzubieten, war eine Herzensentscheidung“, sagt Benjamin Mitschele, Geschäftsführer der Alten Liebe. Diese sei gemeinsam im Team gefallen. „Wir arbeiten hier vier Tage pro Woche auf engstem Raum zusammen, da muss die Chemie stimmen – und das tut sie.“ Bei einem gemeinsamen Personalessen habe Ansumana auch schon einmal seine Heimatküche für alle gekocht. Während der Ausbildung wird Ansumana dann ein bis zwei Tage in der Berufsschule, die restliche Zeit in der Alten Liebe sein. „Wir freuen uns auf ihn“, sagt Mitschele.

    Auch Ansumana freut sich sehr über die Möglichkeit, in der Alten Liebe zu bleiben. Die Arbeit dort und das Kochen lenken ihn ab. Denn seit er Gambia verlassen hat, hat er seine Mama nur zwei Mal am Telefon gesprochen. "Ihre Nummer funktioniert aber jetzt nicht mehr", sagt er. "Doch ich finde meine Mama. Sie konnte kaum glauben, dass ich hier freiwillig zur Schule gehe. Wenn ich mein Zeugnis habe, muss sie das unbedingt sehen."

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