Am Anfang war – Sprachlosigkeit. Noch nie sei es ihm so schwergefallen, die richtigen Worte für seine Ansprache zur Neusässer Friedensnacht zu finden, sagte Bürgermeister Richard Greiner mit Blick auf die Ereignisse in Israel seit dem 7. Oktober, als die Terrororganisation Hamas Israel überfiel. Die Neusässer Friedensnacht wurde vor über 20 Jahren erstmals begangen, um an die Opfer und Getöteten der beiden Weltkriege zu erinnern und findet traditionell am Vorabend des Volkstrauertags statt. Doch längst gibt es mehr Gründe für diesen Gedenktag.
Inzwischen wird am Volkstrauertag Opfer von allen Kriegen gedacht. War der Volkstrauertag vor Jahren fast zum etwas angestaubten Pflichttermin für Veteranenvereine geworden, ist er inzwischen thematisch wieder aktuell. Den Höhepunkt glaubte man zunächst im vergangenen Jahr mit dem Gedenken an den Krieg in der Ukraine erreicht zu haben. Nicht nur in Neusäß nahmen zahlreiche Menschen an dem Gedenktermin teil. Auch in vielen anderen Gemeinden und Städten im Landkreis waren die Veranstaltungen gut besucht. So wird in Diedorf seit einigen Jahren ein Lichterweg zwischen der evangelischen und katholischen Kirche gestaltet. In Gersthofen fand in diesem Jahr ein Friedensfeuer beim Pfarrzentrum Oscar Romero am späten Nachmittag des Volkstrauertags statt.
Judenhass ist in Deutschland wieder aktuell
Ausgehend von der Reichspogromnacht vor 85 Jahren stand in diesem Jahr für Bürgermeister Greiner der Anschlag auf Israel im Mittelpunkt seiner Worte. Seine Bilanz in Bezug auf Antisemitismus auch in Deutschland war vernichtend: „Rechtsextreme in unseren Parlamenten, offener Judenhass auf unseren Straßen, Massendemonstrationen, bei denen Terror und blutige Massaker bejubelt werden; Angriffe auf jüdische Läden und Gebäude; jüdische Menschen, die, man will es nicht glauben, ihres Lebens in Deutschland nicht mehr sicher sind“, so sei die aktuelle Realität. Hinzu kämen Bevölkerungsgruppen, „bis weit in den Kulturbetrieb hinein“, die sich zu einem „ja, aber“ hinreißen ließen und damit erkennen ließen, dass das Existenzrecht des Staates Israel, immerhin deutsche Staatsräson, für sie nicht uneingeschränkt gelte.
Richard Greiner weiter: „Es darf, in der gegenwärtigen Situation, nämlich kein „Aber“ geben. Das heißt wiederum nicht, dass das unfassbare Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung nicht gesehen wird. Wer ein bisschen Empathie besitzt, muss doch sehen: Leben ist Leben.“ Und da dürfe keines gegen ein anderes gewichtet werden. Mut mache ihm, dass es immer noch Menschen gebe, die sich für andere einsetzten. Und da nannte er an erster Stelle jene, die sich ehrenamtlich für andere einsetzten, wie bei den Tafeln oder den Flüchtlingshelfern.
Das Friedenslicht wird in die Stadtteile gesandt
Besonderer Teil der Friedensnacht in Neusäß ist, dass vom Vorplatz der Kirche St. Ägidius in Alt-Neusäß aus Friedenslichter in die Stadtteile ausgesandt werden. Dort fanden im Anschluss fast überall kleinere Feiern der Veteranenvereine statt, andere wurden am Volkstrauertag begangen.