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Asylunterkunft in Hotel bei Augsburg: "Von Integration kann keine Rede mehr sein"

Neusäß

Geflüchtete im Hotel: "Von Integration kann keine Rede mehr sein"

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    Das Hotel Select im GVZ wird zur Unterkunft für bis zu 440 Geflüchtete.
    Das Hotel Select im GVZ wird zur Unterkunft für bis zu 440 Geflüchtete. Foto: Marcus Merk

    Bis zu 440 männliche Flüchtlinge sollen im Select Hotel untergebracht werden, die ersten bereits im September. Das wird eine große Herausforderung: Bei der Integration von Geflüchteten haben sich die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer als unerlässliche Stütze erwiesen. Für sie bringt die Hotelunterbringung große Probleme mit sich. Auch die Bürgermeister der betroffenen Städte Gersthofen und Neusäß sehen die Pläne kritisch.

    Michael Wörle, Bürgermeister von Gersthofen, sieht vor allem die enorme Schieflage bei der Verteilung der Flüchtlinge und eine unfaire Mehrbelastung seiner Kommune: „Wir haben ohnehin mit die meisten Flüchtlinge von allen Gemeinden im Landkreis Augsburg. Wenn dann auch das Hotel besetzt ist, werden es insgesamt rund 1000 Geflüchtete sein, inklusive derjenigen aus der Ukraine, welche in Privatwohnungen untergekommen sind.“ Das fordere die Stadt gewaltig bei der Abwicklung in der Verwaltung, beispielsweise im Meldewesen. 

    Bürgermeister Wörle über geplantes Asylheim in Hotel: "Container aufstellen kann jede Gemeinde"

    Wenn man bedenke, dass es im Augsburger Land immer noch Gemeinden gibt, die keine Geflüchteten aufgenommen hätten, vergrößere sich die Schieflage. Laut Landratsamt sei immer versucht worden, Geflüchtete nach Möglichkeit in allen Kommunen gleichermaßen entsprechend ihrer Bevölkerungszahl unterzubringen. Allerdings seien nicht in allen Kommunen geeignete Objekte gefunden werden. Es liege also grundsätzlich nicht an der mangelnden Solidarität einzelner Kommunen, sondern am Fehlen entsprechender Unterbringungsmöglichkeiten.

    Michael Wörle ist seit 2014 Bürgermeister der Stadt Gersthofen.
    Michael Wörle ist seit 2014 Bürgermeister der Stadt Gersthofen. Foto: Kai Schwarz/stadt Gersthofen

    Wörle hat einen praktischen Vorschlag: „In den Jahren 2015/2016 hat man Container aufgestellt – das kann jede Kommune.“ Wörle appelliert an die anderen Landkreiskommunen: „Wir schaffen das nur gemeinsam.“ Er sieht die Hotelunterbringung auch deswegen kritisch, da die Hotelzimmer am starken Wirtschaftsstandort Gersthofen und im GVZ dringend gebraucht würden.

    Der Neusässer Bürgermeister Richard Greiner ist beim Thema Integration von Flüchtlingen überzeugt: Wenn Nachbarn sich helfen, wenn Familien zusammenkommen, weil sie nebeneinander wohnen oder die Kinder dieselbe Schule besuchen, dann finden sich auch Menschen aus anderen Kulturkreisen schnell in unserer Gesellschaft zurecht.
    Der Neusässer Bürgermeister Richard Greiner ist beim Thema Integration von Flüchtlingen überzeugt: Wenn Nachbarn sich helfen, wenn Familien zusammenkommen, weil sie nebeneinander wohnen oder die Kinder dieselbe Schule besuchen, dann finden sich auch Menschen aus anderen Kulturkreisen schnell in unserer Gesellschaft zurecht. Foto: Marcus Merk

    Auch der Neusässer Bürgermeister Richard Greiner übt Kritik. Er habe erst vor einer Woche von dem Vorhaben erfahren. Die Informationen waren anfangs widersprüchlich: Zuerst habe es geheißen, dass bis Dezember schrittweise vier Gruppen mit je 60 Personen einziehen würden. Nun sollen es bis zu 440 Männer sein. „Das zeigt, dass die aktuell betriebene Zuwanderungspolitik mit den von Berlin wiederholt ausgesendeten Fehlanreizen ein Irrweg ist“, sagt der CSU-Bürgermeister. Von Integration könne bei der Konzentration und dem Tempo, mit dem die Asylsuchenden kommen, keine Rede mehr sein. Offenbar habe es keine Alternative zur Anmietung des Hotels gegeben. Ob aber dieser Standort ohne vernünftige ÖPNV-Anbindung und soziale Infrastruktur wie Geschäfte oder Sportanlagen sinnvoll ist, sei zu hinterfragen. „Ganz abgesehen davon, dass eine Unterbringung in einem nagelneuen Viersternehotel auch finanziell fragwürdig ist“, findet Greiner. 

    Neusäß: Weitere Aufgaben sind nicht zumutbar

    Kritik kommt auch vom Neusässer Bundestagsabgeordneten Hansjörg Durz (CSU). „Es ist zwar nachvollziehbar, dass die Belegung eines Hotels der Unterbringung in Schulturnhallen vorgezogen wird, aber dennoch ist eine Großunterkunft mit so vielen Menschen für alle Beteiligten eine enorme Belastung“, so Durz. Bürgermeister Greiner geht ins Detail: „In Neusäß haben wir 2015/2016 ein Konzept erarbeitet, das eine Verteilung der Geflüchteten im Stadtgebiet und ihre dezentrale Unterbringung an verschiedenen Standorten vorsieht“, erklärt Greiner. Nur dank des Engagements ehrenamtlicher Helfer sei es möglich gewesen, die Schutzsuchenden kleinteilig zu integrieren. Aber die Ehrenamtlichen oder pädagogisches Personal sowie Betreuungseinrichtungen seien an der Belastungsgrenze. „Weitere Aufgaben sind nicht mehr zumutbar“, sagt Greiner, da es bereits schwer sei, ausreichend Betreuungskapazitäten für alle Familien mit Kindern bereitzustellen. Zudem fürchte er, dass sich die Unterbringung der Geflüchteten im Hotel besonders auf die Stadt Neusäß auswirkt, obwohl diese nicht allein für die Schutzsuchenden zuständig ist.

    Silvia Daßler ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag. Sie betreut und unterstützt auch die ehrenamtlichen Helferkreise für Geflüchtete.
    Silvia Daßler ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag. Sie betreut und unterstützt auch die ehrenamtlichen Helferkreise für Geflüchtete. Foto: Grünen-Kreistagsfraktion

    Das Hotel steht nämlich auf der Grenze von Augsburg, Neusäß und Gersthofen. „Wer weiß, wer sich da zuständig fühlt“, meint Silvia Daßler, die zuständig für die Helferkreise der Stadt Neusäß ist. Sie selbst habe erst am Montagabend davon erfahren und wisse ansonsten auch nur aus der Zeitung Bescheid. Mit der Hotelunterbringung der Geflüchteten sieht sie große Probleme: „Um das Hotel herum gibt es keine Infrastruktur“, erklärt Daßler. Sie fürchtet, dass die Integration darunter leide. Nur allein mit der Unterbringung der Schutzsuchenden sei es nicht getan. Sie müssten auch betreut werden. 

    Eine Asylberatungsstelle und das nötige Kursangebot direkt vor Ort seien wichtig. Zudem sollte eine Anlaufstelle für freiwillige Helfende geschaffen werden. „Es ist unabdingbar, die Bevölkerung zu informieren und mitzunehmen“, sagt Daßler. Sie würde sich daher wünschen, dass von offizieller Seite aus Interessierte eingeladen und informiert werden, um einen entsprechenden Unterstützerkreis zu etablieren. Bis jetzt weiß sie noch von keiner Hilfe, die von ehrenamtlicher Seite geplant sei, zumal die Helferkreise durch Corona sehr geschrumpft sind. Daßler sagt: „Durch die abgelegene Lage der Unterkunft ist es ja leider auch für die freiwilligen Helferinnen und Helfer schwierig, dorthin zu kommen.“ 

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