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Neusäß: Wo Neusäß bei der Barrierefreiheit aufholen könnte

Neusäß

Wo Neusäß bei der Barrierefreiheit aufholen könnte

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    Georgine Miehle-Zesch (im Bild) klagt, dass sie mit ihrem Rollstuhl nicht problemlos in die Säle im Rathaus gelangt. Dritter Bürgermeisterin Susanne Höhnle ist die Situation peinlich.
    Georgine Miehle-Zesch (im Bild) klagt, dass sie mit ihrem Rollstuhl nicht problemlos in die Säle im Rathaus gelangt. Dritter Bürgermeisterin Susanne Höhnle ist die Situation peinlich. Foto: Marcus Merk

    Auf die Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen aufmerksam machen - das ist eines der Anliegen der Bundestagsabgeordneten Heike Heubach (SPD), die selbst gehörlos ist. Mit dem SPD-Ortsverein Neusäß war sie jetzt in der Stadt unterwegs, um zu erkunden, wie barrierefrei die Stadt ist. Die Begehung beginnt am Rathau. Mit dabei ist an diesem Tag Georgine Miehle-Zesch. Sie nutzt einen Rollstuhl und klagt unter anderem über das Fehlen von Toiletten, die auch tatsächlich genutzt werden können, denn die Einrichtung im Rathaus ist nicht immer geöffnet. In Neusäß ein Politikum.

    Mir ist das peinlich, wenn die Behindertentoilette zugesperrt ist und es auch keinen barrierefreien Zugang zu den Sälen in Neusäß gibt“, gesteht Susanne Höhnle, die dritte Bürgermeisterin. Das war auch Thema auf einer der jüngsten Sitzungen des Planungs- und Umweltausschusses. Damals gab es am Ende der Diskussion einen Kompromiss: Eventuell soll eine durchgängig geöffnete, barrierefreie Toilette in einigen Jahren auf dem Spielplatz an der Remboldstraße entstehen. Weiter geht es zum Haus der Musik. Auf dem Weg dorthin macht Georgine Miehle-Zesch auf die nächste Herausforderung aufmerksam. Der Weg vom Rathaus zur Hauptstraße führt über eine Steigung, die für Fußgänger zwar kein Problem darstellt, für Rollstuhlfahrer jedoch mit einem enormen Kraftaufwand verbunden ist. „Ein Handlauf wäre hier von Vorteil“, so Miehle-Zesch.

    Neusässer Bahnhof: Ein unüberwindbares Hindernis für Menschen mit Behinderung

    Der Weg zum Haus der Musik führt am Neusässer Bahnhof vorbei. Dort gibt es keinen einzigen Zugang oder Erleichterung für Menschen, die keine Treppen gehen können. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Begehung mit einer Höreinschränkung merken außerdem an, dass es für sie ganz schwierig sei, die Gleisanzeigen zu erkennen. Verglichen mit dem Augsburger Hauptbahnhof ist der Schriftzug in Neusäß sehr klein und die Informationen fallen sehr kurz aus. Die Lautsprecheransagen reichen nicht aus. Durch sie wird darauf aufmerksam gemacht, ob ein Zug nur durchfährt oder am Gleis hält. Menschen, die nicht oder wenig hören können, bekommen diese Information nicht mitgeteilt. „Der Bahnhof ist ein Trauerspiel. Aber vor 2030 wird sich daran auch nicht mehr viel ändern. Denn für den Bahnhof ist das Land zuständig“, so Stadtrat Christian Rindsfüßer. Erst im Zuge der Generalsanierung der Strecke zwischen Ulm und Augsburg ist mit einer Veränderung der Situation am Bahnhof zu rechnen.

    Begehung der Barrierefreien Brennpunkte in Neusäß mit Heike Heubach und Menschen mit Behinderung / im Bild  Georgine Miehle Zesch vor dem Haus der Musik -   -
    Begehung der Barrierefreien Brennpunkte in Neusäß mit Heike Heubach und Menschen mit Behinderung / im Bild Georgine Miehle Zesch vor dem Haus der Musik - - Foto: Marcus Merk

    Am Bahnhof vorbei, kommt die Truppe letztlich im Haus der Musik an und steht vor geschlossener Tür. Diese lässt sich nur schwer öffnen und Georgine Miehle-Zesch macht auf die Schwelle am Boden aufmerksam, die sie als Rollstuhlfahrerin ohne Hilfe nicht überwinden kann. „Erstens geht die Türe zu schwer auf und zweitens ist das hier eine Brandschutztüre, erfüllt aber nicht die vorgeschriebenen Bedingungen“, bemerkt sie. Eine Brandschutztüre müsse barrierefrei sein, weiß sie. Inklusion in Kindergärten und Schulen sowie der alltägliche Umgang mit einer Schulbegleitung sind weitere Themen der Begehung.

    Es gibt Möglichkeiten, um Barrieren zu überbrücken

    Bundestagsabgeordnete Heike Heubach (Mitte), mit Teilnehmenden der Begehung, links Christoph Rösch, Vorsitzender der SPD Neusäß, zweite von links Barbara Heidemann, dritter von links Christian Rindsfüßer und rechts Susanne Höhnle.
    Bundestagsabgeordnete Heike Heubach (Mitte), mit Teilnehmenden der Begehung, links Christoph Rösch, Vorsitzender der SPD Neusäß, zweite von links Barbara Heidemann, dritter von links Christian Rindsfüßer und rechts Susanne Höhnle. Foto: Bettina Schiemann

    Eigentlich wollte der Freistaat Bayern beim Thema Inklusion schon viel weiter sein, als er heute ist. Susanne Höhnle hat vor Kurzem daran erinnert, dass der Grundgedanke seit 2008 Gesetzescharakter hat. Gerade haben das Kultus- und das Sozialministerium eine neue Initiative mit dem Titel „Inklusive Regionen“ gestartet. Dabei wird darauf abgezielt, verschiedene Bildungseinrichtungen und Organisationen – sowohl schulische als auch außerschulische Akteure – miteinander zu vernetzen und ihre Zusammenarbeit zu fördern. Ziel ist es, gemeinsam neue Unterrichtsformen und unterstützende Angebote zu entwickeln, die sowohl für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf als auch für Schüler ohne diesen Bedarf geeignet sind.

    Heike Heubachs Einsatz für gehörlose Menschen im Bundestag

    Wie wichtig Inklusion ist, hat Bundestagsabgeordnete Heike Heubach an diesem Tag selbst verdeutlicht. Gemeinsam mit anderen Hörgeschädigten teilte sie mit, wie schwierig es für sie sei, an der Gesellschaft teilzunehmen. Eine von ihnen ist Ursula Müller. Sie überlegt, in ein Betreutes Wohnen zu ziehen. Aber: „Ich wäre alleine als Gehörlose und ich wüsste nicht, wie die Kommunikation flüssig funktionieren könnte.“ Heike Heubach liegt die Thematik selbst sehr am Herzen. „Ich möchte es anstoßen und dafür sorgen, dass etwas passiert und sich etwas ändert. Viele Angebote können von Menschen mit Hörbehinderung nicht angenommen werden, weil sie nicht das Budget für eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher haben“, bemerkt Heubach.

    Doch es gibt auch Veränderungen: Während Gebärdensprache im 20. Jahrhundert nicht in allen Schulen als Verständigungsmittel anerkannt wurde, ist sie seit 2002 eine offizielle Sprache in Deutschland. Heike Heubach erzählt begeistert, dass eine Schule Gebärdensprache sogar als Wahlfach anbietet. Zudem hilft die technische Entwicklung. Heubach berichtet von einer App, die es ermöglicht, dass Menschen mit Hörbehinderung sich in öffentlichen Einrichtungen verständigen und mit anderen telefonieren können. Per Videochat übersetzt ein Dolmetscher von der Gebärden- in die Lautsprache und umgekehrt. „Ich finde das total praktisch und hoffe, dass dieses Angebot in Zukunft bekannter und mehr genutzt wird.“ (mit jah)

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