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Ukrainerin kocht und erzählt: "Man beginnt, auf Deutsch zu träumen"
![Vera Malyuzhkovych wohnt in Neumünster und kommt aus der Ukraine. Seit 15 Jahren lebt sie in Deutschland. Vera Malyuzhkovych wohnt in Neumünster und kommt aus der Ukraine. Seit 15 Jahren lebt sie in Deutschland.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715674144167-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Vera Malyuzhkovych lebt seit 15 Jahren in Neumünster. Der Weg dahin war nicht einfach, erzählt die Ukrainerin - und kocht Borschtsch, einen typischen Eintopf.
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Vera Malyuzhkovych steht schon in der Küche und hantiert am Herd, als unsere Redaktion klingelt, ihre Tochter Viktoria öffnet die Türe. Es riecht nach gebratenem Tofu und Zwiebeln. Eine Katze streift den Besuchern um die Beine und macht es sich gleich auf dem Schoß unserer Kollegin gemütlich. „Wir sind gesund und glücklich“, prangt in weißen Buchstaben neben der Küchenzeile. Um den Tisch stehen einige Stühle bereit, für die zusätzlichen Gäste hat Malyuzhkovych extra mehr dazugestellt.
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Es gibt grünen Borschtsch, erklärt sie – ein Eintopf und ukrainisches Nationalgericht, das normalerweise mit Rippchen gegessen wird. Heute werden die für die vegetarische Variante mit Tofu, Zwiebel und Aubergine ersetzt. Dazu kommen Kartoffeln, Möhren, Salz und Wasser. Und ganz wichtig: eingemachter Sauerampfer. Das Einmachglas stammt von ihrer Schwester. Zu kaufen gibt es so etwas hier nicht.
In Deutschland führt sie ein eigenes Kosmetik- und Nagelstudio
Seit 15 Jahren ist die Ukrainerin in Deutschland. Her kam sie damals mit ihrem deutschen Freund, zusammen bekamen sie zwei Kinder. Als die beiden sich trennten, blieb sie hier. Wegen der Kinder war es schwierig, zu gehen, erklärt sie. Gleichzeitig war ihre eigene Bleibeberechtigung und die ihrer zwei Kinder aus früherer Ehe nicht gesichert. Früh begann sie daher wieder, zu arbeiten.
In der Ukraine war sie studierte Ingenieurin, in Altenmünster führt sie ein eigenes Kosmetik- und Nagelstudio. Ihren jetzigen Beruf übt sie gerne aus. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt die 44-Jährige. „Ich gehöre zu denen, die gerne zur Arbeit gehen.“
![Der grüne Borschtsch ist ein ukrainischer Eintopf. Das erste Mal gekocht hat Malyuzhkovych ihn mit acht Jahren. Der grüne Borschtsch ist ein ukrainischer Eintopf. Das erste Mal gekocht hat Malyuzhkovych ihn mit acht Jahren.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715674144167-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Dass sie Wert auf ihr Äußeres legt, zeigt sich auch in der heimischen Küche. Routiniert verwaltet sie dort die Töpfe auf dem Herd. Den grünen Borschtsch hat sie das erste Mal mit acht Jahren gekocht, ihr russischer Vater habe es ihr beigebracht. Von ihm habe sie kochen gelernt, ihre ukrainische Mutter habe gut Brot gebacken.
Beide sind inzwischen gestorben, ihre Mutter erst im Juli. Hinfahren zur Beerdigung konnte sie nicht, des Krieges wegen. Vor vier Jahren war sie das letzte Mal dort. Ihre Schwester ist noch da. Mit dieser telefoniert sie jede Woche. Ansonsten schaue sie keine Nachrichten. „Mir reicht es, zu hören, was meine Schwester erzählt“, so die 44-Jährige.
Die 11-jährige Viktoria kommt, um in der Küche zu helfen. Zum Borschtsch dazu gibt es noch selbst gemachte Teigtaschen namens "Wareniki", gefüllt mit Frischkäse und Gemüse. Viktoria darf den Teig für die Teigtaschen ausrollen, Malyuzhkovych befüllt sie. Unsere Redaktion versucht sich auch daran, Vera lobt das Ergebnis. Beim Kochen dürfe nicht getadelt werden, erklärt sie, sonst mache es demjenigen keinen Spaß mehr.
Integration liegt an jedem Menschen selbst, sagt die Ukrainerin aus Neumünster
Mit einer Gabel soll Viktoria die Teigtaschen verschönern – manchmal wird wohl auch die Küche zum Kosmetikstudio. Danach werden sie ins heiße Wasser geworfen. Dazu brät Malyuzhkovych saisonales Gemüse an, Karotten und Sellerie, mit viel Dill. Auch die 13-jährige Marie-Louise und der 23-jährige Volodymyr schauen in der Küche vorbei. Die älteste Tochter ist 26 und schon ausgezogen. „Ich freue mich, dass wir heute so viele sind“, sagt Malyuzhkovych. In der Ukraine sei man auch immer viele gewesen.
![Rezept: So gelingen ukrainische Wareniki Die ukrainischen Wareniki sind eine herzhafte vegetarische Speise, die sich leicht zu Hause nachkochen lassen.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715674144167-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Auch zwei Freundinnen hat sie zum Essen eingeladen, die kurz darauf vorbeischauen. Es ist eine fröhliche Runde, die da beieinandersitzt und das Gericht probiert. Dill und Sauerampfer kommen darin gut zur Geltung. Eintopf sei typisch Ukrainisch, sagt Vera, püriert werde dort selten. Man sehe gerne, was drin sei, bestätigt sie und lacht mit.
Sie ist eine Macherin, das merkt man schnell. Drei ukrainische Familien hat sie während des Krieges aufgenommen, fünf bis sechs Wochen lebten sie hier – zwölf Menschen, wo sonst vier leben. Es war eng im Haus, jede Schlafmöglichkeit besetzt, berichtet sie auf Nachfrage, eine große Sache macht sie daraus nicht. Gelernt, Verantwortung zu übernehmen, hat sie schon früh – mit 16 heiratete sie, mit 17 wurde sie Mutter. Vom Studieren hielt sie das nicht ab, ihr Kind war immer dabei. Schwierig sei das schon gewesen, ohne die Unterstützung ihrer Mutter hätte sie es nicht geschafft.
![Serviert wird der grüne Borschtsch mit Crème fraîche. Serviert wird der grüne Borschtsch mit Crème fraîche.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715674144167-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Bis heute arbeitet sie viel, die Selbstständigkeit verlangt ihr einiges ab. Trotzdem kocht sie jeden Tag für ihre Kinder. Sie sprechen Deutsch miteinander. Ihr Miteinander ist herzlich, sie nehmen sich gegenseitig auf den Arm und unterstützen sich. Sie habe sich schnell integriert, sagt Malyuzhkovych, war umgeben von Deutschen. Integration liege an jedem Menschen selbst, findet sie. Am Anfang sei die Sprache für sie schwierig gewesen, heute noch kämpfe sie manchmal mit den verschiedenen Dialekten. Auch die Menschen seien anfangs nicht gleich offen, zunächst gingen sie ein wenig auf Abstand. Ukrainer seien von Anfang an viel herzlicher. Aber wenn man sich besser kenne, ließen einen die Deutschen schon in ihr Herz.
Zu Hause fühlt sie sich hier schon lange. „Irgendwann beginnt man, auf Deutsch zu träumen, dann ist man angekommen“, verrät sie. Ihre Heimat bleibe trotzdem die Ukraine. „Es gibt eine Heimat und es gibt ein Zuhause. Dieses ist hier, die Heimat dort. Und ich vermisse sie natürlich.“
Für unsere Kochserie „Erzähl-Mahl“ haben wir mit Menschen aus dem Landkreis Augsburg ein Gericht aus ihrem Herkunftsland zubereitet. Wir haben mit ihnen über ihre Heimat gesprochen und wie sie in der Region gelandet sind. Alle Texte, Videos und Rezepte zur Serie finden Sie hier.
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