Wird ausgerechnet aus dem als Klimakiller verschrienen Co2 der Stoff, mit dem die grüne Zukunft gebaut wird? Dass das geht, hat die Wissenschaft bereits bewiesen. Doch ob es auch im industriellen Maßstab möglich ist, soll sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Tut sich hier ein neues Geschäftsfeld für den Meitinger Kohlenstoffspezialisten SGL auf?
Derzeit treibt das Projekt Composites United voran, das ist ein Verbund von Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen, der sich faserbasiertem Leichtbau verschrieben hat. Das Ziel ist die industrielle Herstellung von "grünen" Kohlenstofffasern. Das begehrte Material, das bei Automobilbau, Luft- und Raumfahrt oder beim Bau von Windkraftwerken verwendet wird, soll nicht länger auf der Basis von Erdöl hergestellt werden, sondern klimaneutral. Wie das geht, stellte Composites-United-Geschäftsführer Tjark von Reden unserer Redaktion bei einem Termin im Meitinger Rathaus vor. Das Prinzip sieht so aus: Zuerst wird Co2 mit Filtern aus der Luft gefischt oder aus pflanzlichem Material gewonnen, zum Beispiel Stroh oder Zellulose. Daraus lassen sich chemische Grundstoffe wie Glycerin und Ethanol gewinnen, aus denen am Ende dann grüne Kunststoffe oder Kunstfasern werden, die in der Industrie verbaut werden können.
Diese Universitäten forschen am "grünen Carbon"
Geforscht werde an dem Verfahren unter anderem an den Universitäten Aachen, Dresden und München, so von Reden. Die TU in der bayerischen Landeshauptstadt arbeitet unter anderem mit der SGL Carbon zusammen an einem Algenprojekt namens "Carbon Green". Schnell wachsende Grünalgen verwandeln und binden Kohlendioxid aus der Atmosphäre, ihr Algenöl liefert dann Glycerin zur Herstellung von Carbonfasern. Die SGL stellt in Meitingen bekanntlich Carbonfaser-Materialien und -Bauteile her und geht immer wieder auch neue Geschäftsfelder an und erprobt diese. Zuletzt waren das zum Beispiel Materialien für die Batterieherstellung oder für Brennstoffzellen. Bund und Freistaat sind als Zuschussgeber mit von der Partie.
Jetzt geht es darum, das grüne Carbon aus dem Labor in die industrielle Fertigung zu bringen. Das war Ende vergangenen Jahres auch Thema einer Besprechung in der Bayerischen Staatskanzlei mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, die der CSU-Landtagsabgeordnete Georg Winter vermittelt hatte. Gesichert sei nun, dass der Freistaat die Forschung für das Vorhaben weiter unterstütze. Der direkt gewählte Stimmkreisabgeordnete sieht in der "grünen Carbonfaser" ein Produkt, von dem heimische Firmen profitieren könnten. Aber: Auch in anderen deutschen Bundesländern und im europäischen Ausland gibt es Projekte.
Es geht um eine Millioneninvestition - ist Meitingen der richtige Standort?
Deshalb sei durchaus Eile geboten, sagte Alexander Gundling gegenüber unserer Redaktion. Nach Angaben des früheren Composites-United-Geschäftsführers, der dem Netzwerk heute noch als Berater verbunden ist, müsse man bis 2025 in der Lage sein, größere Mengen der grünen Carbonfaser herzustellen. Das Material müsse überdies industriellen Standards genügen. Damit könne man dann sogenannte Demonstratoren bauen, die den Kunden zeigen, wozu der grüne Kohlenstoff alles taugt. Fünf bis zehn Tonnen müsse man dafür im Jahr schon herstellen und dafür sei zuerst einmal eine Investition im zweistelligen Millionenbereich nötig.
Wer an welcher Stelle das Geld in die Hand nimmt, ist laut Gundling noch offen. Schließlich sei eine Reihe von Firmen an dem Vorhaben beteiligt. Er glaubt aber, dass der Region eine wichtige Rolle zukommen wird. "Wenn man das in Europa anpacken will, dann ist die Region der ideale Standort." Hier sei man für die Fähigkeiten für den Umgang mit der Faser weltweit bekannt. Gundling glaubt: "Ohne Meitingen wird das Projekt nicht fliegen."