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Lesetipp: Ein Dealer packt aus: So funktioniert der Drogenhandel in der Region

Lesetipp

Ein Dealer packt aus: So funktioniert der Drogenhandel in der Region

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    Mit einem Joint begann die Drogenkarriere eines jungen Mannes, der später unter anderem kiloweise Cannabis handelte.
    Mit einem Joint begann die Drogenkarriere eines jungen Mannes, der später unter anderem kiloweise Cannabis handelte. Foto: Daniel Karmann, dpa (Symbolfoto)

    Die Handschellen klickten Ende September vor zwei Jahren. Seitdem sitzt der heute 24-Jährige in Haft. Verurteilt wegen Besitzes und Handels mit Betäubungsmitteln. 16 Kilogramm Cannabis und andere synthetische Drogen hatte die Polizei damals bei dem Augsburger in einem Kellerabteil seiner Wohnung gefunden. Drogen, die unter anderem für den Weiterverkauf in den Landkreis Augsburg bestimmt waren. Auch der Dealer, der Betäubungsmittel an die beiden Jugendlichen verkauft haben soll, die im vergangenen Sommer an einer Überdosis starben, und der am Mittwoch in Augsburg verurteilt wurde, zählte über Zwischenhändler zu seinem Kundenkreis. Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt der 24-Jährige, wie die Geschäfte in der Drogenszene abgelaufen sind.

    Peter* machte seine erste Drogenerfahrung bereits im Alter von 15 Jahren. "Vorher hatte ich weder Alkohol getrunken noch Zigaretten geraucht", erzählt er. Ein Kumpel habe ihm dann mal auf einer Party einen Joint angeboten. Der Rausch gefiel ihm. Es blieb nicht bei dem einen Mal. "So zwei, drei Jahre hat es ganz gut geklappt", sagt er. Immer wieder hätte er sich mal mit seinen Kumpels einen Joint durchgezogen, mehr nicht. Doch dann wurde er das erste Mal mit einer kleinen Menge Gras erwischt.

    Zunächst beliefert der 24-Jährige aus dem Raum Augsburg seine Bekannten mit Drogen

    Als Auflage musste er dem Gericht regelmäßig einen negativen Urintest vorlegen. Peter stieg um auf Kräutermischungen. Synthetische Cannabinoide, deren Konsum damals noch nicht illegal war. Es sollte der Startschuss für seine Drogenkarriere sein. "Ich habe dann angefangen, immer wieder kleinere Mengen zu verkaufen", erinnert er sich. Zunächst habe sich der ganze Handel innerhalb des Bekanntenkreises bewegt. Immer wenn er gefragt wurde, "kannst du mir was besorgen?", kaufte er bei kleineren Händlern ein.

    Ein Gramm Cannabis kostet den Endverbraucher in der Region zwischen zehn und 15 Euro. Der Verkäufer hingegen bezieht seine Ware für rund sieben Euro. Dessen Dealer wiederum zahlt noch weniger. In dieser Pyramide wollte Peter aufsteigen.

    Cannabispflanzen werden gerne in Maisfeldern angebaut.
    Cannabispflanzen werden gerne in Maisfeldern angebaut. Foto: picture alliance, dpa (Symbolfoto)

    "Es war wie ein Spiel, bei dem man versucht, auf ein noch höheres Level zu kommen", schildert Peter seinen Ehrgeiz, die Drogen billiger und billiger zu bekommen. Und irgendwann war Peter auf einem ganz hohen Level. Er kaufte das Gras direkt in Holland ein. 5000 Euro kostete das Kilo, also fünf Euro pro Gramm. Die Kontaktdaten hatte er zuvor von seinen Dealerkollegen erhalten. Anlaufstelle waren aber auch immer wieder die dortigen Coffee Shops.

    Vor etwa sechs Jahren machte er sich das erste Mal auf den Weg ins Nachbarland. Die Route hatte er zuvor detalliert geplant. "Ich fuhr zunächst mit dem Flixbus nach Düsseldorf", erzählt er. Von dort ging es mit dem Zug nach Kleve. Zu Fuß habe er sich dann auf den Weg über die grüne Grenze in Richtung Nijmegen gemacht und zwei oder drei Kilo Cannabis gekauft.

    6000 Euro Gewinn brachte jede Drogenlieferung von Holland in den Landkreis Augsburg ein

    Mit einem Rucksack voller Gras in doppelt vakuumierten Plastikbeuteln ging es auf der gleichen Strecke wieder zurück nach Augsburg. "Mit dem Auto zu fahren, ist viel zu gefährlich", weiß Peter. Auch wenn es keinen Schlagbaum mehr an der Grenze zu Holland gebe, würden auswärtige Kennzeichen mit jungen Leuten am Steuer von Zivilstreifen viel zu schnell kontrolliert. Peter aber schlüpfte immer wieder erfolgreich durch diese Maschen. Rund 6000 Euro brachte ihm jede Lieferung ein.

    Irgendwann aber waren ihm diese Touren zu aufwendig. Peter orderte das Cannabis direkt in Rotterdam und zahlte stattdessen lieber eine zusätzliche Liefergebühr von 500 Euro pro Sendung. Dennoch ein lukratives Geschäft. "120.000 Euro hatte ich bei meiner Festnahme in der Wohnung", sagt er und fügt nach einer kleinen Pause an: "Ein Riesenfehler." Noch heute ärgert er sich, dass er das Bargeld nicht gewaschen und anderweitig investiert hat, "etwa in Bitcoins".

    Verkauft hat Peter das Cannabis in großen Mengen an seine Kunden in Augsburg und dem Landkreis. Abnehmer hätte es vor allem in Welden, Meitingen, Nordendorf, Schwabmünchen und Untermeitingen gegeben. Für die Kontaktaufnahme hatte er sich eigens ein "Geschäftshandy" zugelegt. Alle zwei, drei Wochen wechselte er die Nummer. "Viele Telefonshops etwa in Oberhausen verkaufen einem auch ohne Ausweis die Sim-Karten", verrät er. Er hätte einfach gesagt, "hab ich vergessen".

    Für nur fünf Euro habe er dann ohne weitere Nachfragen eine auf einen fremden Namen registrierte Karte bekommen. Per Rund-SMS an die auf dem Telefon gespeicherten Kontakte bekamen seine Kunden die neue Nummer. "Je nachdem, wie gut ich diese kannte, erfolgte die Übergabe entweder in meiner Wohnung oder an vereinbarten Plätzen." Auch hier hatte sich Peter ein ausgeklügeltes System einfallen lassen.

    Maisfelder eignen sich besonders gut für den Anbau von Cannabis

    "Ich hatte mir zehn gleiche Sporttaschen gekauft", erzählt er. Seine Käufer übergaben ihm die mit Geld gefüllte Tasche und erhielten dann das identische Modell mit dem Gras. "Cannabis hatte ich immer auf Vorrat." Kokain, Ecstasy und Amphetamine wurden auf Nachfrage über Mittelsmänner aus dem Darknet geordert. "Ecstasy gibt es dort für 50 Cent, auf der Straße kostet es zehn Euro." Von Heroin und Crystal Meth habe er jedoch stets die Finger gelassen.

    Eine Zeit lang baute Peter sein Gras auch selber an. "Das war aber mehr Hobby", sagt er. Damit sich ein Selbstanbau finanziell lohne, müsse im großen Stil angebaut werden. Dass im Augsburger Land immer wieder kleine Plantagen vor allem in Maisfeldern gefunden werden, kann Peter erklären. "Die Felder werden mit Stickstoff gedüngt, was ein idealer Nährboden für Cannabis ist." Zudem biete eine ausgewachsene Maispflanze einen guten Sichtschutz.

    Peters Geschäfte fanden jedoch im September 2018 ein schmerzhaftes Ende. Er erinnert sich noch ganz genau an den Moment, als es an seiner Tür geklopft hat. Als er die Tür öffnete, stürmten sechs Männer mit Sturmhauben in die Wohnung. Brutal schlugen sie auf ihn ein. "Sie trugen Sandhandschuhe", weiß er noch. Diese sind am Handrücken und im Bereich der Knöchel mit Quarzsand gefüllt und wirken wie ein Schlagring. Peters Freundin flüchtete auf den Balkon und rief die Polizei. "Die wollten dann natürlich wissen, was der Grund für den Überfall gewesen sein könnte."

    Hanf, Marihuana und Haschisch

    Im Volksmund werden die Begriffe Hanf, Cannabis, Marihuana oder Haschisch gerne synonym verwendet. Alles hat ja irgendwie mit "Kiffen" zu tun. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede.

    Als Hanf wird die Pflanze an sich bezeichnet. Aus ihr lassen sich landwirtschaftliche Produkte wie Fasern und Öl, aber auch Rauschmittel wie Marihuana und Haschisch gewinnen.

    Die lateinische Bezeichnung der Hanfpflanze lautet Cannabis sativa - oder kurz: Cannabis.

    Als Marihuana oder Gras werden die getrockneten, meist zerkleinerten Blütentrauben oder kleinen Blätter der weiblichen Pflanze bezeichnet.

    Als Haschisch bzw. Hasch oder Shit wird das aus weiblichen Cannabispflanzen gewonnene Harz bezeichnet. Es wird in der Regel zu Platten oder Blöcken gepresst.

    In beiden Cannabis-Produkten ist gleichermaßen der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, allerdings kann der Gehalt oft stark abweichen. THC unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz.

    Seine Freundin räumte ein, dass es die Täter vielleicht auf die Hasch-Kekse im Kühlschrank abgesehen haben könnten. Die Polizei durchsuchte daraufhin die gesamte Wohnung. In einem Kellerabteil, das zwar nicht auf Peters Namen angemietet war, fanden die Beamten schließlich kiloweise Gras.

    Nach seiner Haft will Peter die Finger von Drogen lassen

    Heute ist Peter rückblickend froh über das schmerzhafte Ende seiner Dealerei. "Ohne einen Schuss vor den Bug wird sonst nie etwas passieren", sagt er. Der Überfall sei eine heilsame "Schockerfahrung" gewesen. Nach seiner Haft will Peter endgültig die Finger von den Drogen lassen. Unterstützung für ein drogenfreies Leben wird er fünf Jahre lang im Rahmen der Führungsaufsicht bekommen, dem letzten Glied im Maßregelvollzug. Und auf noch etwas kann er dann zählen. "Meine Angehörigen stehen zum Glück trotz allem hinter mir." (*Name von der Redaktion geändert)

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