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So lebt es sich in Leitershofen in einem Haus aus U-Boot-Stahl

Susanne Peter und Clemens Jandl haben das Stahlhaus 1999 gekauft. Gebaut wurde es 1951 binnen dreier Tage. MAN wollte nach dem Zweiten Weltkrieg neue Absatzmärkte schaffen, doch das Konzept setzte sich nicht durch.
Leitershofen

So lebt es sich in einem Haus aus U-Boot-Stahl

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    Wer vor diesem Haus in der Bergstraße in Leitershofen steht und bei Susanne Peter oder Clemens Jandl klingeln will, kommt um diese Handbewegung nicht herum. Fast schon zwanghaft krümmt sich der Zeigefinger und klopft vorsichtig gegen die Fassade. "Klonk, klonk", tönt es hohl von den Wänden und der Blick schweift ungläubig über die Fassade. Ein Haus aus Stahl? "So geht es jedem Besucher", sagt die stolze Besitzerin, die das ungewöhnliche Domizil mit ihrem Mann bewohnt. Es handelt sich um ein "MAN-Stahlfertighaus", das 1951 gebaut wurde. Material: U-Boot-Stahl. Nun hat unsere Redaktion eine exklusive Führung durch dieses Stück Zeitgeschichte bekommen. Und die Besitzer haben viel zu erzählen.

    Weltweit gab es weiland nur 400 Exemplare in unterschiedlichen Stilen, und in Deutschland stehen mittlerweile nur noch gut drei Dutzend dieser Häuser. "Wir haben es 1999 gekauft", sagt Susanne Peter. Sie sind nun der dritte Eigentümer. Den Kaufpreis will sie nicht verraten, aber der Grundpreis für den Erwerb hat sie fein säuberlich dokumentiert. 17.400 Mark hat das Exemplar nach dem Zweiten Weltkrieg in der Normalausführung gekostet. Eingeschlossen für den üblichen Rohbau waren: Wasser- und Elektroinstallation ab Keller, eine Installationswand mit Spültisch, ein Doppelspülbecken und Schwenkhahn sowie ein WC mit Druckspüler. Einbauten wie die komplette Küche samt Einbauschränken und Heizung wurden zusätzlich berechnet. "Das Haus war somit vergleichsweise teuer", sagt Clemens Jandl. Und dies war seiner Meinung auch der wesentliche Grund, warum sich das eigentlich gut durchdachte Konzept nicht durchsetzen konnte. 

    Das Stahlhaus wirkt wie ein faradayscher Käfig

    "Der schwäbische Häuslebauer werkelt ja, um Kosten zu sparen, gerne mit", sagt Jandl mit einem Augenzwinkern. Doch dies war bei dem MAN-Stahlfertighaus nicht möglich. Achtmal elf Meter beträgt der Grundriss des Objekts, das laut Baubeschreibung wie ein faradayscher Käfig wirkt und eine hundertprozentige Sicherheit vor einem Blitzeinschlag bietet. "Wir haben uns aber nicht darauf verlassen und dennoch einen klassischen Blitzableiter eingebaut", so Jandl. Das Besondere an dem Haus ist aber vor allem, dass es keinerlei tragende Wände im Wohnbereich gibt. 1,50 Meter breit sind die vorgefertigten stählernen Seitenwände und 2,50 Meter hoch. Wie bei einem Haus aus dem Legokasten wurden die Teile vor Ort zusammengefügt, in drei Tagen stand die Hülle. Am aufwendigsten war jedoch der Innenausbau. 

    Aufgrund der freitragenden Bauweise können die Wände nach Belieben entfernt werden. So entsteht ein großer offener Wohnraum.
    Aufgrund der freitragenden Bauweise können die Wände nach Belieben entfernt werden. So entsteht ein großer offener Wohnraum. Foto: Marcus Merk

    "Innen wurden für die Dämmung Glasfasermatten angebracht, die zum Wohnraum hin mit Fasernplatten abgedeckt sind." Clemens Jandl hat diese Isolation mittlerweile durch Thermo-Hanf ersetzt. Auch das Erdgeschoss hat sich schnell in einen großen offenen Wohn- und Essbereich verwandelt. "War ganz einfach", sagt Jandl und lacht. Die Wandelemente lassen sich ganz nach Belieben verschieben oder abbauen, man benötige lediglich einem 13er-Maulschlüssel. Allerdings hat die Konstruktion auch einen Nachteil. Da auf der Dämmung zur Stahlfassade lediglich dünne Faserplatten montiert sind, lassen sich an den Wänden keine schweren Gegenstände aufhängen. "Andererseits lassen sich dadurch Bilder ganz einfach mit einer Spax-Schraube anbringen", so Jandl. Doch wie lebt es sich in einem Haus, das aus Stahl besteht, durch das Baukastensystem beliebig veränderbar ist und theoretisch sogar zerlegt und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden könnte? 

    Wohn- und Raumklima im Haus aus Stahl sind sehr angenehm

    "Uns ist sofort aufgefallen, dass es in dem Haus keinerlei Modergeruch und null Schimmel gibt", sagt Susanne Peter. Das Wohn- und Raumklima sei daher im Vergleich zu gemauerten Häusern wesentlich angenehmer. Auch Unterhaltungen dürften in dem Stahlhaus vermutlich leiser geführt werden, als hinter dicken Mauern. "Es ist schon sehr hellhörig", räumt Jandl ein. Jedes Mal, wenn sein Enkel zu Besuch ist und jemand im Obergeschoss durch die Räume läuft, würde der Bub mit Blick nach oben sagen: "Jetzt donnert es wieder." Als Mehrfamilienhaus wären diese Domizile daher denkbar ungeeignet. Auch die aktuelle Energiedebatte geht an dem

    Neben der Ölheizung ist der Kaminofen die zweite Wärmequelle im Stahlhaus. Aufgrund der Bauweise sind die Räume schnell erwärmt - aber auch schnell wieder kalt.
    Neben der Ölheizung ist der Kaminofen die zweite Wärmequelle im Stahlhaus. Aufgrund der Bauweise sind die Räume schnell erwärmt - aber auch schnell wieder kalt. Foto: Marcus Merk

    "Im Sommer heizt die Sonne die Räume zwar schnell auf, dafür wird es nachts aber sehr schnell angenehm kühl", erklärt Susanne Peter. Auch im Winter seien allein dank des Holzofens im Wohnzimmer alle Räume binnen zehn Minuten schön temperiert. Gespeichert aber wird diese Wärme nicht. Da eine Modernisierung mit Wärmepumpe oder Photovoltaik nicht möglich sei, sieht sich das Ehepaar daher gezwungen, "die Ölheizung so lange wie möglich zu behalten". Jeder Energieberater würde sich ihrer Meinung nach sicherlich an diesem Stahlhaus "die Zähne ausbeißen".

    Die Zukunft des MAN-Stahlfertighauses in Leitershofen ist ungewiss

    Susanne Peter und ihr Mann genießen es aber dennoch, in einem ganz besonderen Haus mit einem ganz speziellen Charme zu wohnen. Doch die Zukunft der seltenen MAN-Konstruktion ist ungewiss. Gerade mit Blick auf die Heizproblematik vermuten die beiden, dass die nächste Generation kurzen Prozess mit dem Stahlhaus machen könnte und in einigen Jahren niemand mehr mit dem Finger an die Fassade klopfen wird: Abriss. Doch dieser wird vermutlich ebenso schnell erledigt sein, wie der Aufbau – binnen dreier Tage und mit einem 13er-Maulschlüssel als wichtigstes Werkzeug. 

    Mehr Bilder aus dem Stahlhaus sehen Sie hier:

    In Leitershofen steht ein Stahlhaus. Eines von nur rund 40 in ganz Deutschland.
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    9 Bilder
    In den Nachkriegsjahren baute MAN Häuser aus Stahl - weltweit existieren nur noch wenige. Ein Ehepaar in Leitershofen hat uns ihr außergewöhnliches Zuhause gezeigt.
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