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Langweid: Mutmaßlicher Täter Gerhard B. nie von Waffenbehörde kontrolliert

Langweid

Mutmaßlicher Dreifachmörder wurde nie zu Hause von Waffenbehörde kontrolliert

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    Der 64-jährige Gerhard B. hat am Freitagabend in Langweid drei Nachbarn erschossen und zwei weitere Menschen schwer verletzt.
    Der 64-jährige Gerhard B. hat am Freitagabend in Langweid drei Nachbarn erschossen und zwei weitere Menschen schwer verletzt. Foto: Marcus Merk

    Der mutmaßliche Dreifachmörder von Langweid besaß ein kleines Waffenarsenal. Nach Informationen unserer Redaktion hatte der 64-jährige Gerhard B. mindestens fünf Waffen, darunter zwei sogenannte Kurzwaffen und drei Gewehre. Während seiner kaltblütigen Gewalttat am Freitagabend hatte er nach unseren Recherchen die zwei Kurzwaffen dabei: eine Pistole vom Kaliber neun Millimeter und einen Revolver mit Großmunition (Magnum). Die Todesschüsse auf seine drei Opfer sollen aus der Neun-Millimeter-Pistole gekommen sein. B. trug die ganze Zeit über Ohrenschützer, wie sie unter Schützen gegen laute Knallgeräusche üblich sind. 

    Gerhard B. aus Langweid hatte drei Kleinkalibergewehre zu Hause

    Bei sich in der Wohnung hat Gerhard B. zudem nach unseren Recherchen drei Kleinkalibergewehre in einem Waffenschrank aufbewahrt. Alle diese Waffen besaß er nach Auskunft des Landratsamts Augsburg legal. Laut Pressesprecher Jens Reitlinger war er sogar zum Besitz von drei Kurz- und drei Langwaffen berechtigt. Der 64-jährige B. ist Sportschütze und hatte eine entsprechende Waffenerlaubnis. Am Freitagabend gegen 19.15 Uhr war B. nach einem vorausgegangenen Streit mit den Nachbarn in der Langweider Schubertstraße zu einer Art Rachefeldzug aufgebrochen. Er soll zunächst die direkten Nachbarn im Obergeschoss des Mehrfamilienhauses erschossen haben. Den 52-jährigen Kfz-Mechaniker und die 49-jährige Erzieherin traf B. in den Kopf. Das Ehepaar hinterlässt einen minderjährigen Sohn im Teenageralter. Er war zum Tatzeitpunkt nicht zu Hause, wohnt derzeit bei Angehörigen und wird professionell betreut.

    Nach der ersten Attacke feuerte B. den Ermittlungen zufolge im Erdgeschoss durch die Wohnungstür einer 72-jährigen Anwohnerin und tötete sie ebenfalls. Im Anschluss fuhr er etwa 400 Meter zum Sohn der 72-Jährigen. Dort klingelte B. offenbar. Doch der 44-Jährige erkannte die Waffe in seiner Hand und schloss rasch die Tür. B. feuerte daraufhin auch hier durch die Tür und traf den 44-Jährigen und seine 32-jährige Partnerin. Beide wurden schwer verletzt, überlebten aber. Eine halbe Stunde nach der Tat wurde Gerhard B. im Langweider Ortsteil Foret festgenommen. Die zwei Kurzwaffen hatte er laut Polizei noch bei sich. Er sitzt in Untersuchungshaft. Seine Ehefrau soll zum Zeitpunkt der Tat nicht zu Hause gewesen sein. Der Gewalttat vorangegangen war ein jahrelang schwelender Streit zwischen Gerhard B. und den Hausnachbarn beziehungsweise dem Sohn der Nachbarin.

    Der Augsburger Rechtsanwalt Walter Rubach steht vor einem Rätsel

    Ist der Frührentner B. also am Freitagabend nach dieser langen Vorgeschichte komplett ausgerastet? Sein Verteidiger Walter Rubach hat den mutmaßlichen Dreifachmörder inzwischen mehrfach in Haft besucht und sagt: "Herr B. macht auf mich zunächst einmal einen sympathischen und freundlichen Eindruck. Und er ist durchaus in der Lage zu differenzieren." Der erfahrene Augsburger Rechtsanwalt steht in diesem Fall vor einem Rätsel: "Wie es zu dieser Tat kommen konnte, ist mir im Moment völlig unerklärlich", betont Rubach, der schon viele Gewaltverbrecher verteidigt hat.

    Der mutmaßliche Täter von Langweid war im Schützenverein Wertingen

    Doch wie kam der mutmaßliche Dreifachmörder überhaupt an all die Waffen? Nach Informationen unserer Redaktion ist der Rentner und frühere Lagerarbeiter Gerhard B. Mitglied bei der Feuerschützengesellschaft in Wertingen. In den Verein soll er schon vor vielen Jahren eingetreten sein. Der Sportschütze hat seit 1987 eine Waffenbesitzkarte und ist nach Informationen unserer Redaktion nicht vorbestraft. Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt die Aufsichtsbehörde mit, dass vor Ort nie überprüft wurde, ob Gerhard B. seine Waffen rechtmäßig aufbewahrt. 

    Das Landratsamt Augsburg ist dafür zuständig, Waffenbesitzkarten zu vergeben und die Inhaber auf ihre Eignung zu überprüfen. B. ist laut der Aufsichtsbehörde zuletzt im August 2022 überprüft worden. Dabei gibt es zwei Arten von Kontrollen. Alle drei Jahre muss kontrolliert werden, ob ein Waffenbesitzer grundsätzlich noch geeignet ist, seine Waffe weiterhin zu besitzen. Dazu wird etwa geprüft, ob ein Waffenbesitzer polizeilich in Erscheinung trat oder ob Vorstrafen vorliegen. Von der Kontrolle bekommen die Sportschützen in der Regel nichts mit.

    Keine Vorgabe, wie häufig Waffenbesitzer unangemeldet kontrolliert werden müssen

    Anders ist das bei der sogenannten Aufbewahrungskontrolle. „Die Kontrollen werden sowohl angemeldet als auch unangekündigt vorgenommen“, teilt das Landratsamt mit. Allerdings: Das Waffengesetz enthält keine konkreten Vorgaben dazu, wie häufig unangemeldete Kontrollen stattfinden müssen. Das bayerische Innenministerium hat den Waffenbehörden vorgegeben, bei jährlich mindestens fünf bis zehn Prozent der Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis in ihrem Zuständigkeitsbereich die ordnungsgemäße Aufbewahrung zu kontrollieren. 

    Die Auswahl der zu kontrollierenden Waffenbesitzer hat dabei laut Innenministerium "anhand einer Priorisierung nach dem vom jeweiligen Erlaubnisinhaber bzw. seinen Waffen ausgehenden Gefährdungspotenzial zu erfolgen". Je mehr halbautomatische und großkalibrige Schusswaffen also jemand besitzt, desto höher sei das Gefährdungspotenzial und damit auch die Kontrollpriorität. Allerdings dürfte es schon allein angesichts der Anzahl an Waffenbesitzern schwierig sein, jeden Sportschützen regelmäßig und ohne Ankündigung zu besuchen. Zum Fall Gerhard B. teilt das Landratsamt mit: "Der mutmaßliche Täter aus Langweid wurde bislang keiner Aufbewahrungskontrolle unterzogen."

    Der 64-jährige Mann, der im Landkreis Augsburg drei Menschen erschossen und zwei weitere schwer verletzt haben soll, soll noch am Wochenende dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Dies sagte ein Sprecher der Polizei am Samstagmorgen
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    Ein Mann hat in Langweid am Freitagabend drei Menschen erschossen und zwei weitere schwer verletzt. In der Nachbarschaft herrscht Trauer und Fassungslosigkeit.

    Eine Erlaubnis darf die Waffenbehörde nur erteilen, wenn der Betreffende „zuverlässig, geeignet und sachkundig“ ist. Außerdem muss er klarmachen, dass er eine Waffe benötigt. Im Gesetz heißt das, er muss ein „Bedürfnis“ nachweisen. In der Regel kommen dafür nur zwei Begründungen infrage: die Jagd oder der Schießsport. Sportschützen müssen dann nachweisen, dass sie regelmäßig schießen. 

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast "Augsburg, meine Stadt" mit dem Strafverteidiger Walter Rubach an – unter anderem zu der Frage: "Warum verteidigen Sie Mörder und Sexualstraftäter?" Die Folge können Sie sich hier anhören:

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