Er ist Gegenstand zahlreicher Märchen, Mythen und Legenden. Kaum eine Fläche ist so sagenumwoben, geheimnisvoll und beliebt wie der Wald. Doch in jüngster Zeit sorgten die baumbestandenen Gebiete auch im Augsburger Land immer wieder für negative Schlagzeilen. Borkenkäfer, Sturmschäden oder Trockenheit machen dem Forst schwer zu schaffen. Fachleute und Waldbesitzer versuchen daher, die grüne Landschaft fit für die Zukunft zu machen. Wichtiger Indikator, wie der Umbau zu einem klimatoleranten Mischwald gelingt, ist das Gutachten des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, (AELF) das alle drei Jahre unter anderem Aufschluss über die Verbissschäden gibt. Denn: "Wald und Wild müssen im Einklang sein", sagt Bereichsleiter Ralf Gang. Und hier besteht Handlungsbedarf im Augsburger Land.
39.000 Hektar groß ist das Waldgebiet im Landkreis und der Stadt Augsburg. Stichprobenartig haben die Fachleute des AELF die Bestände der in zehn Hegegemeinschaften aufgeteilten Gebiete in Augenschein genommen. Jede Hegegemeinschaft umfasst wiederum zwischen acht und 34 unterschiedliche Jagdreviere. "Von diesen insgesamt 220 Revieren wurden etwa 180 begutachtet und darauf basierend eine Empfehlung ausgesprochen", sagt Gang. Fazit: In 121 Jagdrevieren ist die Verbissbelastung zu hoch. "Als Konsequenz ist der Abschuss in den betroffenen Gebieten entsprechend zu erhöhen", so der Bereichsleiter. Doch es gibt auch positive Nachrichten.
Rund um Biburg sind Wald und Wild im Einklang
"In knapp einem Drittel der Jagdreviere sind laut Gutachten Wald und Wild im Einklang", freut sich Gang. Dies betrifft vor allem die Hegegemeinschaft rund um Biburg. Auch der Verbiss in den Stauden sei noch im tragbaren Rahmen. Eine erhöhte Abschussempfehlung wird für diese beiden Bereiche daher nicht gegeben.
Warum in den anderen Gebieten jedoch der Verbiss deutlich zugenommen hat, lässt sich nicht eindeutig klären. Zwar hat es aufgrund Corona erst ab Herbst 2021 wieder Drückjagden auf Rehwild gegeben, laut Auskunft der Unteren Jagdbehörde habe es aber dennoch keinen Einbruch der festgelegten Abschusszahlen gegeben.
Teilweise müssen die Abschusszahlen für das Rehwild nun deutlich erhöht werden. Vor allem die Hegegemeinschaften rund um Meitingen im Norden und Schwabmünchen im Süden weisen einen zu hohen Verbiss auf. Bei allen anderen Revieren wird empfohlen, den Abschuss um zehn Prozent zu erhöhen.
Ins Visier der Jäger gerät dabei laut Gang das Rehwild, da es zu den sogenannten "Konzentratselektierern" gehört. Dies bedeutet, dass die Tiere gezielt leicht verdauliche Pflanzenteile auswählen, die reich an hochverdaulichen Zellinhaltsstoffen sind. "Ein Reh knabbert gerne an den Knospen der jungen Bäume", erklärt Gang. Werden die jungen Triebe oben abgebissen, könne der Baum nicht mehr wachsen und geht lediglich in die Breite. Doch bei einem gesunden Wald komme es vor allem auf die richtige Mischung an.
Der Buchdrucker und Kupferstecher sind mächtige Feinde des Walds
"Der ideale Wald besteht aus mindestens vier unterschiedlichen Baumarten", erklärt Gang. Klassischer Bestand in vielen Wäldern sei aus wirtschaftlichen Gründen immer noch die Fichte, doch sie hat zwei mächtige Feinde - den Buchdrucker und den Kupferstecher. Diese beiden Arten des Borkenkäfers fressen sich durch die Rinde, legten dort ihre Eier ab und durchtrennen dabei die Leitungsbahnen, die die Baumwurzeln mit lebenswichtiger Nahrung versorgen. Ist der Saftfluss in die Krone erst einmal zerstört, kann der Baum nicht mehr gerettet werden. "Entscheidend für den Wald der Zukunft ist daher die Artenvielfalt", betont Gang. Schwächelt in diesem pflanzlichen Quartett eine Baumart, seien immer noch drei andere da.
Wachsender Beliebtheit erfreut sich momentan bei vielen Waldbesitzern die Douglasie. "Sie wächst schneller als eine Fichte, ist klimatoleranter, hält mehr Trockenheit aus und verfügt über ein wertigeres und härteres Holz", so Gang. Ein guter Partner sei aber auch die Tanne, da sie tiefer wurzelt und somit auch standfester als eine Fichte ist. Gut verträglich mit anderen Bäumen ist laut Gang zudem die Buche. Sie fungiere im Wald als eine "Basenpumpe" und wirke sich positiv auf den pH-Wert aus. Der Boden werde durch einen Buchenbestand nicht so sauer und verbessere dadurch die Qualität. "Dies wiederum wirkt sich unter anderem auch positiv auf den Pilzbestand aus und verbessert insgesamt das Wohlgefühl der anderen Bäume". erklärt Gang.
Verbissbelastung im Landkreis Augsburg reduzieren
Die Ergebnisse des Gutachten werden nun an die Untere Jagdbehörde weitergegeben. Diese informiert die Jagdpächter der rund 220 Reviere, um die Verbissbelastung auf ein tragbares Maß zu reduzieren. "Ziel ist eine Verjüngung der Baumarten ohne künstliche Schutzmaßnahmen, wie etwa einen Zaun oder eine sogenannte Wachshülle zu erreichen", erklärt Gang. Das Bayerische Waldgesetz spreche sogar vom Grundsatz "Wald vor Wild". Schließlich sei der Forst nicht nur für das Rehwild der wichtigste Lebensraum. "Je naturnäher, vielfältiger und stabiler der Forst ist, desto besser ist er für den gesamten Tierbestand - angefangen von den Totholzbewohnern, über Würmer bis hin zu Vögeln", betont Gang.
Um Waldbesitzer beim Umbau des Waldes zu unterstützen, gibt es sogar eine staatliche Förderung. Gang beziffert die Kosten, um beispielsweise einen Hektar Wald zukunftsfähig zu gestalten, auf etwa 5000 bis 15.000 Euro. 60 bis 80 Prozent der Summe werden dabei bezuschusst. Trotz der teilweise hohen Verbisszahlen sieht der Bereichsleiter des AELF das Projekt auf einem guten Weg. "Der Umbau findet statt, wenn auch noch nicht in dem Umfang, der möglich wäre." Dies würde zwar noch einige Jahrzehnte dauern. "Aber der Wald von morgen entsteht bereits heute."