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Landkreis Augsburg: Wie Kinder unter den Schulden ihrer Eltern leiden

Landkreis Augsburg

Wie Kinder unter den Schulden ihrer Eltern leiden

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    Jeden Cent umdrehen zu müssen, ist eine bittere Erfahrung für Kinder. 
    Jeden Cent umdrehen zu müssen, ist eine bittere Erfahrung für Kinder.  Foto: Jens Kalaene/dpa

    Wege in die Schulden sind unterschiedlich. Mal sind sie schleichend, mal schnell. Schulden belasten jedoch nicht nur das eigenen Leben, sondern auch das der Kinder. Betroffene erhalten Hilfe bei Beratungsstellen wie der Schuldner- und Insolvenzberatung der Diakonie Augsburg. Die drei Schuldnerberaterinnen Susanne Grußler, Mechthild Förg und Sabine Roth berichten aus ihrem Alltag.

    Wie geraten Menschen trotz sozialer Absicherung in die Insolvenz?

    Roth: Die soziale Absicherung dient der Existenzsicherung, es gibt aber viele Möglichkeiten, sich davor zu verschulden. Das hat zunächst nichts mit der Existenzsicherung zu tun, diese ist eher das Auffangnetz. Die Überschuldung beginnt mit Einkäufen, die über das Budget hinaus gehen oder mit einem Hauskauf.

    Was machen denn Schulden mit einem Menschen?

    Grußler: Schulden machen krank. Das können körperliche Erkrankungen oder auch psychische Probleme sein. Das zeigt sich dann häufig in massiven Schlafstörungen, Depressionen oder Ängsten.

    Beginnen die Probleme schon bei kleinen Schuldbeträgen?

    Grußler: Man muss unterscheiden zwischen Schulden und Überschuldung. Schulden empfinden viele Menschen oft erst mal nicht als Problem. Problematisch wird es für die meisten erst, wenn die Raten nicht mehr bezahlt werden können oder es zu Rückständen bei den laufenden Kosten, wie beispielsweise bei der Miete oder beim Strom kommt. Oder aber man hat nicht genug Geld für Lebensmittel, sei es für sich oder seine Kinder. Das führt bei Betroffenen schnell zu massiven Existenzängsten.

    Roth: Das kann sich auch darin äußern, dass Betroffene so überfordert sind, dass sie ihre Post nicht öffnen.

    Und das bekommen auch Kinder von Betroffenen mit?

    Grußler: Existenzängste und psychische Erkrankungen belasten das Familienleben und verursachen eine angespannte Atmosphäre. Kinder sind sehr sensibel und merken relativ schnell, dass etwas nicht stimmt. Bei ihnen können sich Ängste entwickeln, die sich auf ihr späteres Leben auswirken.

    Wie wirken sich Schulden konkret auf den Alltag mit Kindern aus?

    Roth: Finanzielle Probleme belasten das Leben der Kinder, wenn beispielsweise Eltern die Kindergartengebühren nicht mehr bezahlen, der Musik- oder Sportunterricht nicht mehr möglich ist und so der soziale Kontakt zu Gleichaltrigen leidet.

    Förg: Kinder werden herausgerissen und verlieren dann ihr soziales Umfeld. Das kann aber auch durch einen Umzug passieren, wenn Eltern die Miete nicht mehr zahlen können.

    Wie sollten Eltern mit ihren Kindern über Schulden reden?

    Roth: Das hängt vom Alter der Kinder ab und der Frage, inwiefern sie das überhaupt schon erfassen können. Und natürlich auch davon, wie prekär die finanzielle Not der Eltern schon ist. Wir raten Betroffenen daher, sich Hilfe zu holen und beraten zu lassen. So hätten sie die Möglichkeit, wieder auf die Füße zu kommen.

    Grußler: Wichtig ist vor allem auch ein offenes Gespräch über Geld in der Familie und auch die Unterstützung der Eltern, wenn es bei jungen Volljährigen darum geht, erste Verträge abzuschließen oder in eine eigene Wohnung zu ziehen.

    Welche Fehler können Eltern dabei unterlaufen?

    Roth: Eltern sollten auf keinen Fall das Thema verschweigen, wenn ein Kind nachfragt. Schulden dürfen kein Tabu-Thema sein. Ab einem gewissen Alter haben die Eltern auch einen Erziehungsauftrag und sollten ihren Kindern den richtigen Umgang mit Geld beibringen. Wenn jemand selbst Schulden hat, kann er auch aus eigener Erfahrung berichten. Jugendliche sollten auch wissen, wie es ist, wenn man kein Geld mehr hat und sich nicht alles leisten kann.

    Grußler: Wir machen auch die Erfahrung, dass Eltern ihren Kindern zu wenig Eigenverantwortung geben. Junge Menschen müssen einen geplanten Umgang mit Geld selbst lernen.

    Wie können sich Schulden auf das Leben der Kinder im Erwachsenenalter auswirken? Kann sich so ein gestörtes Verhältnis zu Geld entwickeln?

    Roth: Ich glaube, dass sich der Umgang mit Geld „vererben“ kann. Als ein gestörtes Verhältnis will ich es aber nicht sehen, vielleicht entwickeln sie kein angemessenes Verhältnis zu Geld. Für sie ist ein vernünftiger Umgang wichtig. Dazu gehört, zu planen und nicht über den Verhältnissen zu leben. Es gibt Hilfsangebote und Wege aus den Schulden, auch wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Für sie ist es wichtig, auch positive Erfahrungen zu sammeln. Das kann zum Beispiel dadurch sein, dass es ihre Eltern aus der Krise geschafft haben.

    Da Sie es gerade sagen: Wie finden Menschen denn aus der Krise zurück in den Alltag?

    Grußler: Mit einer fundierten Haushaltsplanung. Das kann auch ein längerer Prozess sein. Es ist unser erstes Ziel, dass der Mensch wieder genug zum Leben zur Verfügung hat und keine neuen Schulden aufbaut, sozusagen eine finanzielle Stabilität. Am Ende der Beratung steht dann für viele Menschen die Entschuldung beispielsweise durch einen Vergleich oder eine Insolvenz.

    Muss man nach der Insolvenz wieder lernen, sich „schöne Dinge“ leisten zu können oder auch zu dürfen?

    Roth: Ich glaube, Betroffene müssen lernen, wieder leben zu können. Zu wissen, dass das Geld für Essen, Miete oder ähnliches reicht. Manche können gar nicht mehr daran denken, sich etwas Schönes leisten zu dürfen. In vielen Familien ist es schon sehr auf Kante genäht. Es hängt aber auch davon ab, wie ihr Leben nach den Schulden weitergeht. Behalte ich den Arbeitsplatz? Bleibe ich gesund? Bekomme ich ein weiteres Kind? Vieles lässt sich nicht beeinflussen. Es geht gar nicht darum, sich etwas Schönes zu leisten, sondern wieder ein ganz normales Leben zu führen.

    Wofür haben Menschen am häufigsten ihr Geld ausgeben?

    Grußler: Nummer eins ist das Handy, vor allem bei jungen Menschen. Die Kosten hierfür werden häufig sehr unterschätzt.

    Welchen Rat haben Sie für junge Menschen, um eben nicht in solch eine Schuldenfalle zu geraten?

    Roth: Jüngere sollten Hilfe in Anspruch nehmen, sobald ihr Konto dauernd überzogen ist oder sie etwa die Miete nicht mehr regelmäßig zahlen können. Viele aber stecken den Kopf oft in den Sand und denken: ja wird schon, wird schon.

    Wer kommt am häufigsten zu Ihnen in die Beratung?

    Roth: Wir haben unterschiedliche Klienten, alle Altersgruppen kommen zu uns. Es kommen viele junge Menschen nach der Volljährigkeit zu uns, die Probleme haben. Wobei inzwischen auch viele ältere Menschen in die Beratung kommen. Die Mieten steigen, die Renten nicht in dem Maße. Manche Rentner nehmen ihre Schulden aus ihrem Berufsleben mit und bekommen Schwierigkeiten, diese finanziell zu stemmen.

    Interview: Brigitte Mellert

    • In der nächsten Folge berichten wir über die Tauschbörse in Königsbrunn. Dort brauchen die Mitglieder kein Geld, um einzukaufen. Sie bezahlen mit Talenten.
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