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Landkreis Augsburg: Mehr Unterstützung für belastete Kinder, die in der normalen Schulkasse überfordert sind

Landkreis Augsburg

Mehr Unterstützung für belastete Kinder, die in der normalen Schulkasse überfordert sind

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    In Stütz- und Förderklassen oder -gruppen können Kinder an Förderschulen so unterstützt werden, dass sie wieder am Unterricht in der normalen Schulklasse teilnehmen können.
    In Stütz- und Förderklassen oder -gruppen können Kinder an Förderschulen so unterstützt werden, dass sie wieder am Unterricht in der normalen Schulklasse teilnehmen können. Foto: picture alliance, dpa (Symbolbild)

    Ein Bub, nennen wir ihn Max, leidet unter ADHS und besucht eine Förderschule. Je nachdem, wie es ihm geht und ob er Medikamente nimmt, kann er sich kaum konzentrieren und still sein. In seinem Kopf rasen die Gedanken oftmals hin und her. Was die Lehrerin erklärt, rauscht an ihm vorbei und wenn alle anderen Kinder mit der Aufgabe fertig sind, hat er noch gar nicht angefangen. Dann wird er oft wütend und flippt aus, ist völlig überfordert. Dann ist es gut, wenn er die nächste Zeit nicht in der Klasse sein muss, sondern in einer kleineren Gruppe weitermachen kann.

    Kinder wie Max profitieren von einer Stütz- und Fördergruppe, wie es sie an einigen Förderschulen gibt. Kinder, die eine Förderschule besuchen, wären in der Grundschule überfordert. Innerhalb der Förderschulen wiederum gibt es Kinder, die Schwierigkeiten haben, sich in ihrer regulären Klasse einzufügen und einen erhöhten Förderbedarf haben - etwa, weil sie verhaltensauffällig oder traumatisiert sind, unter ADHS oder einer Autismus-Störung leiden. An der Helen-Keller-Schule in Dinkelscherben, einem sonderpädagogischen Förderzentrum, gibt es deshalb zwei Stütz- und Fördergruppen, eine in Dinkelscherben und eine an der Außenstelle in Ustersbach. Die Kinder besuchen ihre reguläre Klasse, sind aber zwei bis drei Stunden täglich in einer Kleingruppe mit sechs Kindern und werden hier individuell im emotional-sozialen Entwicklungsbereich gefördert.

    Diese Probleme haben nun den ländlichen Raum erreicht.

    Marvin Fogelstaller, Schulleiter Helen-Keller-Förderschule Dinkelscherben

    „Es gibt momentan einen extremen Wandel“, sagt Schulleiter Marvin Fogelstaller, „mit einem massiven Anstieg von psychisch belasteten, traumatisierten Kindern, die wir ohne diese Stützgruppen gar nicht aufnehmen könnten“. Was früher nur Probleme der Ballungszentren gewesen seien, hätten nun den ländlichen Raum erreicht. Hier spielten vor allem Gewalterfahrungen in der Familie, manchmal in Zusammenhang mit einer Drogen- und Alkoholproblematik, eine Rolle. In den Stützgruppen, die es seit vier Jahren in Dinkelscherben gibt, sind die Kinder dann ein paar Monate, bis sie sich gefangen haben und wieder ganz am regulären Unterricht in ihrer Klasse teilnehmen können.

    Bedarf steigt

    An der Christophorusschule in Königsbrunn existiert hingegen eine ganztägige Stütz- und Förderklasse (SFK) für acht Kinder im Grundschulbereich. Beide Schulen haben die Ausweitung des Angebots auf den Mittelschulbereich zum neuen Schuljahr 2025/2026 für die Kinder ab der fünften Klasse beantragt, weil der Bedarf an dieser Förderung für Kinder, die in der normalen Klasse nicht klarkommen, immer mehr steigt und auch für ältere Kinder und Jugendliche besteht. Nun befasste sich der Jugendhilfeausschuss des Landkreises im Rahmen der Haushaltsberatungen mit dem Thema, denn die Finanzierung dieser Stützklassen oder -gruppen ist teuer.

    An der Christophorusschule stellt die St.-Gregor-Jugendhilfe das nicht schulische Personal. Eine zusätzliche Stützklasse schlägt für den Landkreis zum Beispiel mit 144.000 Euro zu Buche - für das Fachpersonal im Bereich Sozialpädagogik und Heilpädagogik. Wie dringend der Handlungsbedarf in dem Bereich ist, verdeutlichte Schulleiter Marvin Fogelstaller den Ausschussmitgliedern: „Das betrifft Kinder, die ohne eine solche Förderung Gefahr laufen, nie eine Schule von innen zu sehen, die sind am Rande einer Nicht-Beschulbarkeit, und ihnen müssen wir auch gerecht werden.“ Träger der Stützgruppen in Dinkelscherben und in der Außenstelle in Ustersbach ist das Frère-Roger-Kinderzentrum.

    Betroffene kommen aus allen sozialen Schichten

    Stefan Reichenberger, Leiter der Ambulanten Angebote und Hilfen dort, verdeutlicht die Bedürfnisse der Zielgruppe: Manche der Kinder hätten auch eine diagnostizierte Störung, etwa ADS, ADHS oder eine Autismus-Spektrum-Störung, die es ihnen schwer macht, in einer normalen Klasse zurechtzukommen. Oftmals stören diese Kinder den Unterricht oder können nicht lange sitzen bleiben. Früher fielen solche Kinder als „Zappelphillipp“ auf, heute sorgen Früherkennung und Diagnostik für eine gezielte Behandlung und Förderung, aber auch für steigende Fallzahlen. Betroffene kämen aus allen sozialen Schichten, „das ist auch kein Migrationsthema“, so der Pädagoge. Die Verhaltensauffälligkeiten und Probleme seien vielfältig, „und jeder Fall ist anders“.

    In der Stützgruppe liege der Schwerpunkt trotzdem auf dem Unterricht durch eine Lehrkraft - nur eben in reduziertem Tempo und nach den individuellen Bedürfnissen des Kindes. Da kann es sein, dass man mit einem Viertklässler Matheaufgaben aus der zweiten Klasse wiederholt, um Defizite aufzuholen. „Jedes Kind wird dort abgeholt, wo es gerade steht“, so Reichenberger. In der Kleingruppe kann das Personal Tag für Tag individuell und flexibel reagieren. Wenn es Konflikte gibt, kann auch ein soziales Kompetenztraining oder ein Spiel auf dem Plan stehen, je nachdem, was die Kinder gerade am nötigsten brauchen.

    Förderung auch nach der vierten Klasse nötig

    Auf jeden Fall zeigten die Erfahrungen, dass der Förderbedarf nicht einfach verschwindet, wenn die Kinder in die fünften Klasse kommen. Mit den entsprechenden Hilfen könne man aber jedem Kind zu einer guten Weiterentwicklung verhelfen, so Reichenberger. Ziel sei bei der Stützklasse in Königsbrunn, nach zwei Jahren wieder in die normale Stammklasse zu wechseln, sagte die Schulleiterin im Ausschuss.

    Die Kreisräte im Jugendhilfeausschuss erkannten den Bedarf dieser Hilfen geschlossen an, machten sich nur Gedanken über die Finanzierbarkeit. Während der Freistaat für die Schulen und die Lehrer sorgt, bleiben die Kosten für die Sozialpädagogen beim Landkreis hängen, rund 190.000 Euro jährlich. Die Kreisverwaltung wird prüfen, ob der Landkreis für die Hilfsangebote Zuschüsse erhalten kann.

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