Die Zahl der geflüchteten Menschen ist im Landkreis Augsburg so hoch wie lange nicht. Die Unterkünfte seien voll, warnte Landrat Martin Sailer vor einigen Tagen. Jetzt verschärfe sich die Lage bei der Unterbringung noch einmal erheblich, Auslöser sei eine "Hiobsbotschaft", die ihn nun erreicht habe. Im Landkreis Augsburg muss demnach ab kommender Woche eine große Zahl Geflüchteter aus der Ukraine aufgenommen werden.
Warum ist das so? Bayern liegt laut Landratsamt bei der Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge im Bundesvergleich aktuell bei einem Minus von rund 7000 Personen. Aus diesem Grund hat das zuständige Ministerium mit den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen vereinbart, dass sämtliche dort ankommenden ukrainischen Kriegsflüchtlinge Bayern zugewiesen werden. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Männer, Frauen oder Kinder einen persönlichen Bezug zu einem anderen Bundesland haben. Da die Quote des Regierungsbezirks Schwaben das höchste Minus aufweist, muss der Bezirk ab der kommenden Woche die zentrale Aufnahmestelle übernehmen, um so den innerbayerischen Ausgleich zu erreichen. Prognostiziert wird ein Zugang von rund 2400 ukrainischen Geflüchteten.
Viele Flüchtlinge aus der Ukraine sind im Landkreis Augsburg bisher privat untergebracht
Für den Landkreis Augsburg hat dies laut Landrat weitreichende Konsequenzen: "Nach der Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) gehen rund 13 Prozent der Neuzuweisungen im Asylbereich in Schwaben an uns. Zusätzlich ist eine festgelegte Quote an Geflüchteten aus der Ukraine unterzubringen. Das heißt, wir müssen uns darauf einstellen, in den nächsten Wochen zusätzlich mehrere hundert Geflüchtete aus der Ukraine staatlich aufnehmen zu müssen und das unabhängig von den regulären wöchentlichen Zuweisungen von derzeit etwa 25 Personen aus anderen Herkunftsländern."
Die Zahl der Geflüchteten, die im Landkreis Augsburg untergebracht werden müssen, ist auf dem höchsten Stand seit 2016. Aktuell sind 2113 Asylsuchende untergebracht. Etwa die Hälfte von ihnen hat den Landkreis im vergangenen Jahr erreicht. Dazu kommen rund 2000 Geflüchtete aus der Ukraine, die allerdings zum allergrößten Teil bisher privat untergekommen sind.
Die insgesamt 67 dezentralen Unterkünfte und Gemeinschaftsunterkünfte der Regierung von Schwaben im Landkreis seien bereits fast vollständig belegt, so Sailer. "Wenn es nicht zeitnah gelingt, aus der Situation etwas Druck rauszunehmen, steuern wir bald auf einen Kollaps zu." Er appelliert an Bund und Länder, die Landkreise und kreisfreien Städte mit der Aufgabe der Schaffung von Unterbringungsplätzen nicht alleine zu lassen. Unter anderem wäre zu prüfen, ob leer stehende Landes- und Bundesimmobilien für die übergangsweise Unterbringung von Geflüchteten herangezogen werden könnten.
Frust beim Augsburger Landrat über bürokratische Hürden
Sailer wird bei seinen Forderungen noch konkreter: Vor allem sei es notwendig, bürokratische Hürden im Baurecht wie beispielsweise die bislang erforderlichen Nutzungsänderungsverfahren bei der Anmietung von Bestandsimmobilien zu beseitigen oder zumindest Lockerungen wie die befristete bauplanungsrechtliche Zulassung von Unterkünften in Gewerbe- und Industriegebieten zuzulassen. "Selbst, wenn wir geeignete Grundstücke, Container oder Bestandsgebäude angeboten bekommen und das Einverständnis unserer Kommunen vorliegt, vergeht aufgrund zahlreicher baurechtlicher Vorgaben einfach viel zu viel Zeit, bis wir die Unterkünfte letztlich in Betrieb nehmen können, oder die Vorhaben scheitern komplett", so der Landrat. Er hoffe, dass der Freistaat erkenne, dass es hier eine große Notwendigkeit gebe, schnelle Rechtsänderungen in die Wege zu leiten.
Um die ankommenden Menschen unterbringen zu können, wird das Landratsamt in den kommenden Wochen verstärkt Unterkünfte anmieten müssen. Sailer fügt an, dass der Landkreis dabei keine Rücksicht darauf nehmen könne, wie stark eine Kommune bereits belastet ist: "Wir müssen jedes Objekt, das uns angeboten wird, anmieten, wenn wir die Belegung von Turnhallen und das Aufstellen von Zelten verhindern wollen."