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Kochlöffel oder Karriereleiter: Junge Erwachsene reflektieren über Rollenbilder in sozialen Medien und Alltag

Neusäß

Kochlöffel oder Karriereleiter – was wollen junge Erwachsene?

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    Junge Erwachsene in der FOS in Neusäß reflektieren während einer Unterrichtsstunde über Rollenbilder.
    Junge Erwachsene in der FOS in Neusäß reflektieren während einer Unterrichtsstunde über Rollenbilder. Foto: Lisa Bäuml

    „Auf TikTok oder auf Instagram gibt es halt die beiden Extreme“, sagt Melissa Feldner. Einerseits werden ihr dort Menschen gezeigt, die sich individuell und frei entfalten. Andererseits sehe sie Frauen, die für ihre Männer putzen und Männer, die anderen erklären, wie man ein „echter Mann“ sei. Geschlechterrollen und -klischees nehmen in den sozialen Medien an Bedeutung zu und werden dort wie der Großteil der Inhalte emotionalisierend und polarisierend dargestellt. Wir haben darüber mit Schülerinnen und Schülern aus der dreizehnten Klasse an der Fachoberschule in Neusäß gesprochen.

    Kardelen Tuna sagt, in den sozialen Medien würden Frauen entweder über ihr erfolgreiches Arbeitsleben berichten oder überschminkt und herausgeputzt wie in „einer alten Dr. Oetker-Werbung“ den Haushalt führen - eine sogenannte Tradwife. Ein Mittelweg zwischen Beruf und Familie werde kaum dargestellt.

    In den sozialen Medien sieht man auch den Bruch mit klassischen Rollenbildern

    Ines Mamani Quispe hat das Gefühl, „dass man als Frau beides schaffen muss“. Entscheide sich eine Frau für Familie statt Karriere, müsse sie online beweisen, dass sie keine Antifeministin ist. Alexander Palle sieht in seinem Feed eher den Bruch mit den traditionellen Geschlechterrollen. Als Beispiel nennt er einen texanischen TikToker, der optisch dem „klassischen heterosexuellen Männerbild“ mit Muskeln und dickem Schnauzbart entspricht. In seinen TikTok-Videos probiert er sich jedoch an unterschiedlichem Drag-Make-Up aus.

    Die Schülerinnen und Schüler sind unterschiedlicher Meinung, welchen Einfluss diese Rollenbilder in den sozialen Medien haben. „Da ist mal eine Tradwife, da ist mal toxischer Feminismus und da ist mal ein Maximilian Krah. Ich finde, dass sich alles ein bisschen ausgleicht“, meint Jasmin Lindermaier. Doch Hanna Külls widerspricht: Sie und ihre Freundinnen hätten sich aus Spaß Tradwife-Videos zugesendet. Der Algorithmus hat das schnell erkannt, und schon befanden sie sich in der „Bubble“: „Das war super schwierig, da wieder rauszukommen. Man musste aktiv was dagegen machen. Deshalb sehe ich da eine Gefahr.“ Manuel Heckel und Emily Schuster stimmen zu: Solche Videos festigen unterschwellig spezifische Rollenbilder.

    Definition - Tradwife

    Tradwife ist eine Abkürzung für „Traditional Wife“ (traditionelle Ehefrau). Der Begriff beschreibt Frauen, die sich bewusst für eine traditionelle Geschlechterrolle entscheiden, in der sie sich um Haushalt, Kinder und Ehemann kümmern. Die Bewegung ist besonders in sozialen Medien präsent und wird sowohl als Ausdruck persönlicher Wahlfreiheit als auch als Rückschritt in alte Rollenbilder diskutiert.

    Der Tradwife-Trend wird teilweise mit rechten und konservativen Ideologien in Verbindung gebracht. Einige Anhängerinnen propagieren traditionelle Geschlechterrollen als Teil eines idealisierten, oft nationalistisch geprägten Weltbildes.

    Deshalb sollten junge Erwachsene lernen, die Inhalte in den sozialen Medien bewusst zu konsumieren, meint Maike Hajek: „Wir hatten einen Politiklehrer, mit dem wir Videos angeschaut haben. Da sollten wir die Fakten prüfen.“ Gemeinsam hätten sie die Umstände betrachtet und gelernt, das Gesehene kritisch zu hinterfragen. Dabei hätten sie erkannt, dass vieles nicht stimmte oder manipulativ dargestellt wurde. Ihr Wunsch wäre deshalb, dass Fakten-Checks in den Schulunterricht integriert und kritisches Denken stärker gefördert wird.

    Auch im Alltag werden die Schülerinnen und Schüler mit traditionellen Rollenbildern konfrontiert. „Mein Fahrlehrer hat gesagt, für eine Frau kannst du aber gut fahren“, erzählt eine. Eine andere wurde wiederholt gefragt, ob ihre Anmeldung im Technikzweig ein Versehen war. Eine habe im Kochunterricht die Arbeit ihrer Klassenkameraden übernehmen müssen: „Die Lehrerin hat ganz klar gesagt, dass Jungs das nicht können.“ Eine weitere musste erklären, warum ihr Partner kocht: „Na, weil er es besser kann.“ Und eine Fünfte musste ihren Bruder trösten, weil scheinbar niemand wahrnimmt, dass auch Männer in Rollen, wie die des „echten Mannes“ gedrängt werden können und sich unter Druck gesetzt fühlen.

    Für manche Familien ist das traditionelle Familienbild die sinnvollste Variante

    Auch bei Alexander Palle kümmerte sich die Mutter um Kinder und Haushalt. Aber das lag daran, weil sein Vater beruflich viel reisen musste. Er und sein Bruder hätten deshalb schon früh gelernt, im Haushalt mitzuhelfen. Bei Maike Hajeks Großeltern galt noch eine traditionelle Aufgabenverteilung, bei ihren Eltern nicht mehr. „Ich glaube, da kommt es auch darauf an, wie man sich als Frau durchsetzt. Dass man gleichberechtigt sein will und die Aufgaben gleich aufteilt“, sagt die junge Frau. Dem stimmt Ines Mamani Quispe zu. Sie und ihr Freund haben eine ausgewogene Arbeitsteilung vereinbart.

    Die jungen Erwachsenen finden: Vorbilder seien entscheidend. Etwa eine Mathelehrerin oder eine selbstbewusste Frau, die in einem männerdominierten Beruf Karriere macht. In Schulbüchern sollten verschiedene Lebensmodelle jenseits des Vater-Mutter-Kind-Schemas dargestellt werden. Zudem müssen sich politisch die Rahmenbedingungen ändern, etwa durch mehr verfügbare und bezahlbare Kita-Plätze, damit Eltern ihre Rollen gleichberechtigt wahrnehmen können.

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