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Interview: Architektur-Professor: "Unsere Baukultur darf nicht verspielt und vergessen werden"

Interview

Architektur-Professor: "Unsere Baukultur darf nicht verspielt und vergessen werden"

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    So schön kann Bauen mit Holzmodulen sein: Das Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf hat 2017 sogar den Deutschen Architekturpreis gewonnen.
    So schön kann Bauen mit Holzmodulen sein: Das Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf hat 2017 sogar den Deutschen Architekturpreis gewonnen. Foto: Marcus Merk (Archivbild)

    Herr Huß, das Thema Bauen beschäftigt jede Kommune immer wieder - ob mit neuem Feuerwehrhaus, einer weiteren Kita oder sogar einem Rathaus. Doch Großprojekte müssen inzwischen oft zurückgestellt werden. Und gerade jetzt bedeutet das vor allem auch: Wer wartet, zahlt am Ende wegen enormer Kostensteigerungen mehr. Könnte Bauen nach einem modularen Prinzip da nicht ein Ausweg sein?
    WOLFGANG HUSS: In Teilen sicher schon, eine hohe Kostensicherheit kann modulares und vorgefertigtes Bauen bieten. Tatsächlich wird im konventionellen Bauen an vielen Stellen das Rad neu erfunden. Doch eine einzige Standardlösung für jeden Kindergarten, das wird nicht klappen. Das hat viele Gründe.

    Erklären Sie doch mal.
    HUSS: Die Problematik fängt schon mit dem Ruf des modularen Bauens an. Bei diesem Stichwort denken vor allem Ältere an den Plattenbau in der ehemaligen DDR. Das macht die Sache nicht attraktiver. Dabei muss modulares Bauen gar nicht auf Kosten der Architekturqualität gehen, sondern kann sehr schöne Gebäude hervorbringen. Vorgefertigtes Bauen ist besser organisiert, qualitätsbewusster, material- und kosteneffizienter als das konventionelle, tendenziell etwas chaotische Geschehen auf der Baustelle. Trotzdem muss es nicht unbedingt billiger sein als konventionelle Billigbauweisen, die mit leider noch zu günstigem Beton, Wärmedämmverbundsystemen und Kunststofffenstern operieren.Eine Sonderrolle im vorgefertigten Bauen nimmt der Holzbau ein.

    Wohnhäuser im Dresdner Stadtteil Prohlis. Sie kommen oft in den Sinn, wenn es um modulares Bauen geht. Doch das muss nicht sein.
    Wohnhäuser im Dresdner Stadtteil Prohlis. Sie kommen oft in den Sinn, wenn es um modulares Bauen geht. Doch das muss nicht sein. Foto: Sebastian Kahnert, dpa-Zentralbild, dpa

    Was bedeutet das genau?
    HUSS: Holzbau arbeitet seit Jahrhunderten mit einer gewissen Vorfertigung und hat hinsichtlich Digitalisierung, Automatisierung und Vorfertigung eine Vorreiterrolle innerhalb der Baubranche. Der Anteil an Holzbauten ist in den vergangenen Jahren auf 15 bis 20 Prozent gewachsen, das ist inzwischen mehr als nur eine Nische. Der Grund liegt sicher vor allem in der Nachhaltigkeit, Holz speichert ja CO2 anstatt es zu emittieren, wie alle massiven Baustoffe.Wir haben aber noch zu wenig größere und leistungsfähige Firmen, teils auch einen Mangel an im vorgefertigten Holzbau erfahrenen Fachplanern. Das erklärt zum Teil auch das zwar stetige, aber eher langsame Wachstum des Holzbauanteils.Generell bietet vorgefertigtes Bauen hochwertige Arbeitsplätze in der Region, das vorwiegende Arbeiten in einer Werkhalle mit intelligenter Mensch-Maschine-Interaktion ist sicher wesentlich gesundheitsschonender als ein Leben auf der Baustelle.

    Und bleibt noch etwas zu tun?
    HUSS: Wo vorgefertigtes Arbeiten noch Effizienzsteigerung zulässt, ist der Bereich der Standardisierung. Es reicht für fast alle Gestaltungsabsichten, etwa fünf verschiedene Fensteranschlüsse in petto zu haben und dieses Detail nicht jedes Mal wieder von Grund auf neu zu entwickeln! Es gibt inzwischen Plattformen, wo man sich zuverlässige und geprüfte Bauteilaufbauten und Detailanschlüsse kostenfrei herunterladen kann. Da weiß man dann, dass das auch passt.

    Und nicht jeder Bauherr oder jede Bauherrin wünscht sich den einen Holzbau wie alle.
    HUSS: Das ist wieder das emotionale Thema beim Bauen. Stellen Sie sich ein schwäbisches Dorf vor, da muss das neue Gebäude, das neben der Kirche geplant ist, sich auch in die Umgebung integrieren. Sonst haben wir am Ende Siedlungen mit anonymen Straßenzügen, die von unabhängig voneinander bebauten Grundstücken gesäumt sind, wie wir sie aus den USA oder auch aus afrikanischen Städten kennen, wo wenig Gestaltungsvorgaben gemacht werden. Wir haben eine relativ gute Baukultur, die auf dem Spiel steht und nicht vergessen werden sollte.

    Also sollten sich die Kommunen die Kosten für die Planung nicht sparen?
    HUSS: Am Ende machen die nicht mehr als ein Fünftel der Baukosten aus. Kommunen könnten aber die Art ändern, wie sie Bauprojekte planen. Im Moment läuft das noch sehr dezentral. Gemeinderat und Bauverwaltung beauftragen eine Planerin oder einen Planer und bangen dann vor der ersten Kostenaufstellung. Ähnlich geht es dem Planer: Der soll ja möglichst früh zuverlässige Zahlen liefern, kann aber auch bei guter Expertise die derzeit sehr dynamische Preisentwicklung schlecht abschätzen und möchte auch nicht so hoch liegen, dass das Projekt infrage gestellt wird.

    Und so kommt es dann zu den Überraschungen bei den Kostensteigerungen.
    HUSS: Genau. Hier müssen sich auch die Kommunen bewegen. Der Weg über die Vergabe eines Projekts an einen Totalunternehmer ist da ein gangbarer. Der wird aber im Idealfall im Anschluss an einen Architekturwettbewerb beauftragt, um zu verhindern, dass nur rein wirtschaftliche Überlegungen den Wunsch nach Baukultur übermäßig unterdrücken.Bei der Kostenkontrolle können modulare 'Bausteine' gut helfen und auch die Planung effizienter machen. Ein Beispiel sind in einem Stück vorgefertigte Sanitärraummodule. Da gibt es Firmen, die schöne Bäder fertig geplant als ein Produkt anbieten, das die Architektin oder der Architekt in das Haus nur noch 'einsetzt'. Je höher die Stückzahl, desto günstiger wird dieses Element. Sie sind vorgeplant und daher auch auf den Zentimeter genau barrierefrei, da passieren keine Fehler, wie es im konventionellen Bauen erschreckend häufig der Fall ist. Die Raummodule können in der Vorfertigung mit einer Feinsteinzeug-Fliese in der Größe einer Wand bekleidet werden, was toll aussieht und aufgrund der Fugenlosigkeit sicher 50 Jahre ohne Wartung hält. Das ist im konventionellen Bau gar nicht möglich, denn man müsste die Fliese montieren, bevor die nächste Rohdecke betoniert wird, das ist nicht realistisch.

    Sind die Bauverwaltungen denn auf dieses Arbeiten eingestellt?
    HUSS: Wir helfen als Hochschule in der Ausbildung neuer Kräfte auch dabei, dass Betriebe wie auch die öffentliche Hand den Herausforderungen künftigen Bauens gewachsen sein werden. Die bestehen in der Digitalisierung, der Automatisierung der Herstellungsprozesse und einer grundlegenden Umstellung auf nachhaltige Baumaterialien. Ab dem kommenden Wintersemester wird es den neuen Studiengang des 'Digitalen Baumeisters' geben. Die Absolventen sind dann genau auf dieses Arbeiten vorbereitet.

    Wolfgang Huß Hochschule Augsburg
Wolfgang Huß ist seit 2016 am Lehrstuhl für Architektur und Bauwesen der Hochschule Augsburg für die Fachgebiete industrialisiertes Bauen und Fertigungstechnik zuständig.
    Wolfgang Huß Hochschule Augsburg Wolfgang Huß ist seit 2016 am Lehrstuhl für Architektur und Bauwesen der Hochschule Augsburg für die Fachgebiete industrialisiertes Bauen und Fertigungstechnik zuständig. Foto: Hochschule Augsburg

    Zur Person

    Professor Diplom-Ingenieur Wolfgang Huß (48) stammt aus Bamberg und ist seit 2016 am Lehrstuhl für Architektur und Bauwesen der Hochschule Augsburg für die Fachgebiete industrialisiertes Bauen und Fertigungstechnik zuständig. Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit betreibt er mit zwei Kollegen das Büro HKS - Huss Kuehfuss Schuehle Architekten.

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