Die beiden kirchlichen Feiertage Allerheiligen und Allerseelen sind traditionell mit Besuchen auf den Friedhöfen verbunden. An den Gräbern der Verstorbenen werden Kerzen angezündet und Blumen oder anderer Grabschmuck aufgestellt. Dabei stellen die Menschen die unaufhaltsame Veränderung fest: Urnenwände und Urnenfelder nehmen stark zu. Derzeit entstehen auch deshalb auf dem Gersthofer Ort der letzten Ruhe wieder 72 neue Urnenfächer.
In den vergangenen fünf Jahren bestätigt die Gersthofer Statistik mit 828 Urnenbestattungen gegenüber nur 313 Erdbestattungen einen allgemeinen gesellschaftlichen Wandel in der Friedhofs- und Trauerkultur. 2023 fällt das Ergebnis noch deutlicher für die Urnenbestattung aus. 187 Urnenbeisetzungen in Nischenwänden und in der Erde gegenüber nur 48 Sargbestattungen ist das Verhältnis. Also haben sich 80 Prozent der Betroffenen für die Urne und nur noch 20 Prozent für den Sarg entschieden. Auch die Zahl der jährlichen Bestattungen hat sich in Gersthofen in den vergangenen Jahren schwankend von knapp unter 200 bis zu 250 Beerdigungen verändert.
Nach einer Ortsbesichtigung 1988 hatte die Stadt entschieden, mit einer kleinen Urnennischenwand die Nachfrage zu testen. Zwei Urnenwände mit zunächst je 21 Nischen waren im Herbst 1989 der Beginn der nunmehr sehr gefragten Bestattungsgewohnheit. In den 35 Jahren seitdem ist die Zahl der Urnennischen, Urnengräber und anonymen Urnengrabstellen ständig gewachsen. Auch in den Friedhöfen in Batzenhofen und Hirblingen sind Urnenbestattungen möglich.
Lange war der Gersthofer Friedhof wie ein Geschichtsbuch
Derzeit sind im Friedhof Gersthofen von den insgesamt 4100 verfügbaren Grabstätten an die 3200 Gräber in der Erde und in den Urnen belegt. Noch vor 45 Jahren war die Planung weitblickend auf insgesamt 5.380 Grabstätten ausgerichtet. Aber auch bei den Erdgräbern geht die Entwicklung hin zur möglichst einfachen Pflege. Deshalb auch der Trend, dass die Grabflächen teilweise oder ganz mit Grabplatten abgedeckt werden, ein sehr großer.
Lange Zeit war der Gersthofer Friedhof quasi auch ein Geschichtsbuch. Doch die fortschreitende Entwicklung der Urnenbestattung beeinflusst das Erscheinungsbild des Friedhofes. Viele alte Gräber als interessante Grabmale und mit ihnen auch Namen von bekannten Persönlichkeiten und Familien, die für die frühere Gersthofer Orts- und Zeitgeschichte stehen, sind als Kulturgut für immer verschwunden. Leider sucht man auch einige Gräber von Ehrenbürgern vergeblich. Beim Gang über die Gräber dienten die Grabinschriften der individuellen Erinnerung an die Verstorbenen, nicht nur an „Honoratioren“, sondern wie auch an den früheren Lehrer, Mitschüler, Nachbarn, Bäcker oder Sportkameraden. Das über einhundert Jahre älteste Grabmal mit besonderer auffälliger und in unveränderter ursprünglicher Gestaltung ist das Grab der mit der örtlichen Geschichte verbundenen „Familie Strasser“ mit einer bis in das Jahr 1917 zurückreichenden Inschrift.
Bis zurück vor 120 Jahren, als damals der Gersthofer „Gottesacker“ aus dringenden Platzgründen von der Kirchensüdseite zwischen Kriegerdenkmal und Kirche nach Norden verlegt wurde, gab es regelmäßig weitere Geländezuwächse in den Jahren 1922, 1938 und auch noch im Jahr 1983, um vorsorglich immer ausreichend Platz für erforderliche Grabstellen zu haben. Die Friedhofsneugestaltung im Jahr 1947 brachte weitere 1.440 Begräbnisplätze.
2010 wurden im Bereich des Brunnens im alten Friedhofsteil verschiedene Urnenbestattungsformen hergestellt. In Vorsorge für den erkennbaren Bedarf der nächsten Jahre wurde ein mit kleinen Bäumen, Sträuchern und Rasenflächen gestaltetes großzügiges Urnenbegräbnisfeld mit Gemeinschaftsgrabflächen und Urnenwänden errichtet. Derzeit entstehen an dieser Stelle wegen der aktuellen Nachfrage erneut weitere 72 Urnennischen.
Dort, neben dem Brunnen und unter Bäumen, lag ab dem Jahr 2012 zehn Jahre lang in einem Urnengrab auch Erhard Wunderlich, der zu den größten Spielern, die der deutsche Handball je hervorbrachte, begraben. Wunderlich, dessen Eltern zuletzt in Gersthofen wohnten, holte im Jahr 1978 als 21-Jähriger mit der deutschen Mannschaft den Weltmeistertitel und wurde 1999 auch zum „Handballer des Jahrhunderts“ gewählt. Nach dem Tod seiner Mutter Hildegard im Jahr 2014 fand Erhard Wunderlich im Jahr 2022 durch „Umzug“ dann seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Bergisch-Gladbach. Seine Ehefrau Pia und die Familie verlegten somit die Grabstätte in die unmittelbare Nähe ihres Wohnortes. In Gersthofen erinnert die verbliebene Inschrift auf dem Urnengrab an ihn.
So, wie derzeit die Urnenbestattungen die Tradition der klassischen Sargbestattung zunehmend verdrängt, gab es im Gersthofer Friedhofs- und Bestattungswesens auch in der Vergangenheit immer anderen ständigen Wandel. Im Rahmen einer Neuorganisation des gemeindlichen Friedhofsbetriebes wurde etwa der bereits im Mai 1906 angeschaffte pferdebespannte Leichenwagen im Jahr 1949 durch ein Leichenauto vom Typ „Opel Blitz, 1 ½ to“ ersetzt. „Wir haben damit ein modernes neuzeitliches Totentransportmittel, welches das seit Generationen in den Straßen herb empfundene Gewohnheitsbild des schwarzbehangenen pferdebespannten Leichenwagens der Vergangenheit zuweist“, teilte vor 75 Jahren der damalige Bürgermeister Josef Helmschrott im „Amtsblatt“ den Bürgern mit. Nicht überlebt hat bei allen diesen Veränderungen im Gersthofer Friedhof in den vergangenen Jahrzehnten das bei der Neugestaltung im Jahr 1947 symbolisch zur „Ehre der Toten des letzten Krieges“ angelegte Grabfeld mit markanten Holzkreuzen.
Zwölf Jahre dauerte es, bis das neue Friedhofsgebäude stand
Mit dem Bau eines neuen Friedhofsgebäudes wurde im Jahr 1986 ein längst überfälliger würdiger Rahmen für Trauerfeiern geschaffen. Es dauerte zwölf Jahre, bis es stand. Später brachte die Schlussrechnung ein erfreuliches Ergebnis. Mit 3,8 Millionen Mark kam das neue Friedhofsgebäude um 800.000 Mark billiger. Die Glocke, die vom Turm des Friedhofsgebäudes herab die Toten auf ihrem letzten Weg läutet, stifteten der ehemalige Bürgermeister Siegfried Deffner und der ehemalige Stadtrat und Metzgermeister Alois Binswanger gemeinsam. An die alte Leichenhalle erinnert heute lediglich der Brunnen. Dieser wurde restauriert und in die Neugestaltung eines Friedhofsmittelpunktes eingebunden.
Die Stadt hat ein Projekt für die künftige Friedhofsgestaltung in Auftrag gegeben. Erwartet wird dabei, dass mit den vorgesehenen Flächen- und Platzgestaltungen auch die Aufwertung des Friedhofes insgesamt erfolgt. Gedacht ist auch an Plätze, wo die Lebenden Ruhe finden können.
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