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Gersthofen: Das Gespräch als kleinste Form der Demokratie

Gersthofen

Das Gespräch als kleinste Form der Demokratie

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    Ein Sinnbild der deutschen Demokratie: Der Bundestag in Berlin. Im Rahmen der Langen Nacht der Demokratie diskutierte in Gersthofen der Autor und Menschenrechtler Urs M. Fiechtner mit dem Publikum.
    Ein Sinnbild der deutschen Demokratie: Der Bundestag in Berlin. Im Rahmen der Langen Nacht der Demokratie diskutierte in Gersthofen der Autor und Menschenrechtler Urs M. Fiechtner mit dem Publikum. Foto: glomex

    Ehrenamtliches Engagement, ein Gespräch mit einem Landtagsabgeordneten oder auch ein couragiertes Auftreten in brenzligen Situationen: All das sind nach Ansicht von Schriftsteller und Menschenrechtsexperten Urs M. Fiechtner Kennzeichen der Demokratie, die es zu erhalten und zu verteidigen gilt. Im Rahmen der Langen Nacht der Demokratie hat Fiechtner jetzt in einer Gesprächsrunde seinen Standpunkt diskutiert. Der 68-Jährige weiß, wie es ist, ohne Demokratie zu leben.

    Fiechtner führte die Zuhörer und Zuhörerinnen gleichsam wie auf einer Exkursion durch verschiedene Momente der internationalen Geschichte und fokussierte sich auf Menschenrechte und Demokratie als Staatsform und wie man diese beiden Aspekte des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft schützen kann. So sind, Fiechtners Analyse nach, die Menschenrechte nicht als Verwirklichung eines philosophischen Gedankens entstanden, mehr aber als Bestätigung über die starke Ausbeutung der Machtpositionen und Verletzung der Würde der beteiligten Menschen. Nach dem Extremfall des Machtmissbrauchs in der NS-Zeit entstand 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die bis heute für viele Länder als Orientierung und Ideal im Kampf um die Würde der Menschen gilt.

    Eine Demokratie gibt es nicht zum Nulltarif

    Doch Demokratie ist auch heute nicht automatisch immer einfach da. Fiechtner wählte das Bild eines Stuhls. Man könne sich lange über dessen Beschaffenheit und Bequemlichkeit unterhalten. Doch erst, wenn der Stuhl nicht mehr da sei und man statt auf ihm zu sitzen auf dem Hosenboden lande, offenbare sich der echte Wert. Die Simile nutzte Fiechtner, um bildhaft den Hauptgedanken des Vortrags darzustellen: Eines Tages könnte es sein, dass unsere Demokratie nicht vorhanden sein wird. Und es wird den Bürgerinnen und Bürgern wehtun, wenn sie sich stützen oder hinsetzen wollen werden. „Der Wert des Objekts wird oft beim Verlust verstanden“, sagte der Sprecher.

    Urs M. Fiechtner weiß, wovon er spricht. Der Autor stammt aus einer schwäbischen Familie mit Wurzeln rund um Ulm, wo er auch heute wieder lebt. Doch aufgewachsen ist er zeitweise in Chile, wo sein Vater als Militäroffizier dem Regime von General Pinochet nahestand. Schon als Schüler distanzierte sich politisch von seiner Familie und wandte sich gegen den Rechtsextremismus.

    So nehme man die Demokratie viel zu oft als etwas Selbstverständliches: Man geht nicht zu Wahlen, man engagiert sich nicht politisch, solange alles in Ordnung ist. Und wenn etwas nicht in Ordnung erscheint, sei man punktuell politisch aktiv – man gehe an einem Tag zu Demonstrationen, am nächsten gehe es weiter wie gewohnt. Doch solches Desinteresse der Bürger führe zur Entstehung von sogenannten Demokraturen, einer Staatsform, die sich als Demokratie bezeichnet, allerdings liegt auf dem Spektrum der Menschenrechte und -freiheiten eher bei einer Diktatur. In den vergangenen 20 Jahren habe diese Staatsform stark zugenommen, so Fiechtners Analyse.

    Warnsignale für die Demokratie in Deutschland

    Ist auch Deutschland gefährdet? Der Autor sieht Warnsignale, den Rechtsruck bei vergangenen Wahlen, die sinkende Zahl der ehrenamtlich Beschäftigten, das allgemein sinkende politische Engagement. Doch Deutschland ist Fiechtners Meinung nach eines der kreativsten Länder im Kampf gegen die Unterdrückung der Freiheit. So gebe es auch viele mögliche Wege, aus dieser Lage herauszukommen. Der große Wurf entsteht aber nicht besonders schnell und es gibt auch nicht das eine, wirksame Rezept - und das irritierte teilweise auch das Publikum der Veranstaltung. Sie wollten von Urs M. Fiechtner über die Analyse hinaus auch hören, wie es denn nun weitergehen könnte.

    Es geht um eine Stärkung des demokratischen Bewusstseins von klein auf, was auch einfach mal bedeuten kann, Raum für Auseinandersetzung zu schaffen. So können tragfähige Konzepte aufgebaut und Grenzen aufgezeichnet werden. Ein weiterer wichtiger Schritt ist es, für Fiechtner, die Presse zu stärken, denn „Journalisten sind die Garanten der Demokratie“, sagte Fiechtner. Er habe viel Respekt vor der Ethik und dem Mut der Journalisten. Die Mainstreamisierung der Medien sei jedoch ein großes Problem. „Verlage werden von anderen Verlagen ständig geschluckt“, das resultiere in Beschränkung der Pressefreiheit.

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