Mit dem Hubschrauber wurde er in der Nacht auf Dienstag nach Gablingen geflogen. Der Attentäter von Halle, Stephan Balliet, gilt als schwieriger und unkooperativer Häftling und ist einer der bekanntesten Gefangenen Deutschlands. Dass er in den Landkreis Augsburg verlegt wurde, ist wohl die Reaktion auf Balliets Fluchtversuch aus der JVA Burg. Die Einrichtung in Gablingen gilt jedenfalls als besonders modern und sicher. Immer wieder saßen dort prominente Menschen ein. Von ihrer Verlegung erfahren die anderen Insassen auch meist aus den Medien.
Einer, der sich mit dem Leben hinter der sechs Meter hohen und etwa einem Kilometer langen Außenmauer auskennt, ist Peter Trapp. Der evangelische Pfarrer arbeitet als Seelsorger im Gablinger Gefängnis. Er weiß, dass prominente Neuankömmlinge unter den Gefangenen nicht lange geheim bleiben. Trapp: "Die Gefangenen lesen auch Zeitung oder schauen Fernsehen." Ganz von der Außenwelt abgeschnitten sind sie selbst in der Zelle nicht. Von Sonderbehandlungen der bekannteren Insassen habe der Seelsorger nichts mitbekommen. Trapp: "Es soll hier ja keiner herausragen." Wenn es erforderlich ist, würden immer wieder Gefangene von anderen getrennt - egal ob bekannt oder nicht. Unter den etwa 600 Gefangenen seien die prominenteren Straftäter aktuell jedenfalls kein großes Thema, berichtet der Seelsorger. "Da ist jeder mit sich selbst beschäftigt."
Wie lebt es sich mit einem Gefängnis in der Nachbarschaft?
Und wie sieht es im Ort Gablingen aus? Von den Promis im Gefängnis bekommt man auch hier nur aus den Medien mit, berichtet Bürgermeisterin Karina Ruf. In der 4800-Einwohner-Gemeinde wurde der Bau der JVA, die 2015 eingeweiht wurde, zu Beginn kritisch gesehen. "Als das Gefängnis gebaut wurde, da gab es schon Sorgen", berichtet Bürgermeisterin Karina Ruf. Anwohner fürchteten die Straftäter in ihrer Nachbarschaft. Inzwischen seien diese Bedenken aber verflogen. "Im öffentlichen Leben spüren wir das Gefängnis nicht", sagt die Bürgermeisterin. Eine kleine Rolle spielt es in der Verwaltung: Eine Teilzeitkraft kümmert sich dort ausschließlich etwa um Passanträge aus dem Gefängnis. Vielleicht hatte sie auch schon den Pass von einem der Promis auf dem Schreibtisch, die in Gablingen einsaßen:
- Ex-Wirecard-Chef Erst vor wenigen Wochen wurde der Angeklagte Markus Braun von der JVA Gablingen nach Stadelheim beim München verlegt. Der frühere Wirecard-Boss muss damit nicht mehrfach pro Woche von der schwäbischen JVA nach München und retour zum Prozess gefahren werden. Braun soll dazu beigetragen haben, dass Geschäfte des Online-Zahlungs-Dienstleisters als sehr erfolgreich dargestellt wurden, obwohl sie so gar nicht existierten.
- Blumenmaler Markus Braun habe er im Gefängnis gesehen, berichtete der in Augsburg und Umgebung bekannte Künstler Berni McQueen. Der Manager habe nicht gut ausgesehen, verriet er. Selbst saß McQueen mehr als zwei Jahre wegen illegaler Graffiti im Gefängnis. Vor einigen Montan wurde er vorzeitig entlassen.
- Ex-Audi-Chef Der Prozess gegen Rupert Stadler, den ehemaligen Leiter der Motorenentwicklung und zwei leitende Ingenieure läuft schon seit September 2020. Ein Urteil wird 2023 erwartet. Zwischenzeitlich saß auch der Ex-Audi-Chef in Untersuchungshaft in Gablingen. Die Anklage wirft ihm Betrug bei Abgastests vor.
- Bordellkönig Einigen ist er vielleicht besser als "Prinz Protz" oder als selbst ernannter Rotlichtkönig bekannt. Prinz Marcus von Anhalt wurde wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt. Zuvor saß er zwischenzeitlich in U-Haft im Augsburger Land. Inzwischen ist er wieder auf freiem Fuß.
- Ex-SPD-Politiker Auch der wegen Sexualdelikten verurteilte frühere SPD-Politiker Linus Förster aus Augsburg saß zeitweise in Gablingen im Gefängnis.
So ist die JVA Augsburg-Gablingen aufgebaut
In den vier Haftgebäude in V-Form in Gablingen ist Platz für 609 Gefangene. Etwa die Hälfte von ihnen sitzt in Untersuchungshaft, kurz U-Haft. Eine Zwangsmaßnahme, welche die Staatsanwaltschaft während einer Ermittlung beantragen kann. Für sie gelten etwas lockere Regeln als für diejenigen, die eine Haftstrafe verbüßen. Angenehm dürfte der Aufenthalt in den neun Quadratmeter kleinen Zellen aber für keinen der erwachsenen Männer sein, die dort seit 2015 in dem 105 Millionen Euro teuren Neubau untergebracht werden. Ausgestattet sind alle Zimmer nur mit dem Nötigsten: Bett, Stuhl, Tisch, Schrank, Waschbecken, Toilette.
Unsere Video-Serie "Im Knast – Hinter den Mauern der JVA Gablingen" führt exklusiv hinter die Kulissen von Bayerns modernstem Gefängnis. Die dreiteilige Gefängnis-Doku sehen Sie kostenlos auf YouTube – oder hier auf unserer Internetseite: