Beinahe vier Millionen Euro hat die Firma Kühl aus Diedorf für ihre vier neuen Müllfahrzeuge ausgegeben. Das Besondere: Die Wagen werden mit Wasserstoff betrieben. Damit wollte das Unternehmen ein Zeichen setzten. Auch für das Wirtschaftsministerium ist Wasserstoff ein "unverzichtbarer Baustein unserer Energie- und Wirtschaftspolitik". Die Realität im Augsburger Land sieht allerdings anders aus. In der Region gibt es nur eine einzige Wasserstofftankstelle. Die steht in Derching (Landkreis Aichach-Friedberg) und soll ihren Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen zum 1. April einstellen. Ohne Wasserstofftankstelle in der Region wären die modernen Fahrzeuge allerdings nutzlos.
Wasserstoff-Müllfahrzeuge der Firma Kühl: "Macht wirtschaftlich wenig Sinn"
Jeweils etwa 920.000 Euro kostet ein mit Wasserstoff betriebener Müllwagen. Insgesamt vier solcher Fahrzeuge hat die Diedorfer Firma Kühl angeschafft, zwei davon kommen in Augsburg zum Einsatz. "Wirtschaftlich machen diese Fahrzeuge wenig Sinn", sagt Rainer Pinno, einer der beiden Geschäftsführer der Firma Kühl. Dennoch habe man die modernen Müllwagen gekauft. "Wir haben eine Verantwortung für die Umwelt. Deshalb haben wir uns für diese Fahrzeuge entschieden", erklärt er.
"Das wäre für uns ein Schlag ins Gesicht", sagt Pinno. Nachdem die Schließung der Derchinger Tankstelle bekannt wurde, plante das Unternehmen, die neuen Wagen wieder aus Augsburg abzuziehen und an anderen Standorten einzusetzen. "Ich ärgere mich sehr", sagt der Geschäftsführer der Entsorgungsfirma dazu. "Es ist schon sehr sonderbar, wenn man über Jahre um Innovationen ringt, die dann von jenen gebremst werden, welche eigentlich anschieben sollten", ergänzt Pinno. Nur weil sich ein Unternehmen an den Kosten der Tankstelle beteiligt, bleibt die Versorgung vorerst gesichert.
Quantron fertigt wasserstoffbetriebene Lastwagen und Busse
Auch die Firma Quantron ist auf nachhaltige Mobilität spezialisiert. So fertigt das Unternehmen nicht nur batterie-, sondern auch wasserstoffbetriebene Lastwagen oder Busse. Im Jahr 2022 zog Quantron durch seine Forschung einen Großauftrag aus den USA an Land. Das US-Logistikunternehmen TMP Logistics bestellte 500 schwere Brennstoffzellen-Lkw der US-Klasse 8. Dieser Auftrag, der bis zum Ende dieses Jahres vollständig erfüllt werden soll, ist beinahe eine Milliarde Euro wert.
Um die Forschung und Entwicklung der modernen Fahrzeuge voranzutreiben, ist die Firma allerdings auf die ständige Versorgung mit Wasserstoff angewiesen. Mit der Schließung der Tankstelle in Derching wäre diese Versorgung nicht mehr gegeben gewesen, da es rund um Augsburg keine einzige weitere Wasserstofftankstelle gibt.
Quantron beteiligt sich an den Kosten der Tankstelle
Eine neue Wasserstoff-Versorgungsanlage soll im Augsburger Land im Sommer eröffnen: Zum 1. Juni geht die neue Tankstelle der Firma Tyczka Hydrogen in Gersthofen an den Start. Diese Tankstelle hat das bayerische Wirtschaftsministerium mit zwei Millionen Euro gefördert.
Betrieben werden die Zapfsäulen in Derching von der Firma H2 Mobility, bei der unter anderem der Mineralölkonzern Shell Gesellschafter ist. Obwohl die Eröffnung einer neuen Versorgungsanlage für Wasserstoff bevorsteht, sei H2 Mobility laut des Wasserstoffbündnisses Bayern nicht dazu bereit gewesen, den Betrieb auf eigene Kosten um zwei Monate zu verlängern. "Stattdessen haben sie die entsprechenden Wasserstoffnutzer kontaktiert und einen Weiterbetrieb um zwei Monate bei einer Kostenbeteiligung in Aussicht gestellt", erklärt Rainer Pinno, der auch Mitglied im Wasserstoffbündnis ist. Schlussendlich sah sich Quantron dazu gezwungen, dieser Kostenbeteiligung zuzustimmen, um die eigene Produktion fortsetzen zu können.
Hubert Aiwanger schiebt Schuld auf den Bund
Die Schuld im Zusammenhang mit der knappen Wasserstoffversorgung sieht der bayerische Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) allerdings nicht in seinem Ministerium. "Bisher hieß es immer, man müsse das Henne-Ei-Problem lösen und genügend Wasserstoff-Tankstellen haben, um auch Wasserstoff-Fahrzeuge ins Spiel bringen zu können", sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. Trotz des nur knapp abgewendeten Versorgungsengpasses sagt Aiwanger, es seien aber bereits zunehmend Wasserstofftankstellen vorhanden. "Aber der Bund hält seine Zusagen nicht ein, ausreichend Förderprogramme für Wasserstoff-LKW und Nutzfahrzeuge aufzulegen", schiebt Aiwanger die Schuld auf die Bundesregierung.