Die Wiedersehensfreude ist kaum zu beschreiben, denn die Wege der beiden Ehepaare trennten sich vor fast einem halben Jahrhundert in der Lindenstraße in Stadtbergen: Major Dr. Richard Martin, ein US- Militärarzt für Hals-Nasen-Ohren, arbeitete von 1976 bis 1978 in der US-Garnison Augsburg im Hospital der Flak-Kaserne. Mit Ehefrau Susan und den beiden Töchtern Andy und Jenny, damals zwei und vier Jahre alt, freute er sich in eines der neuerbauten Häuser in der Lindenstraße einziehen zu können, mit dem Wunsch unter deutschen Familien zu leben, statt in einer Army-Wohnung. So lernte das junge US-Ehepaar Horst und Helga Brunner als wertgeschätzte Nachbarn kennen und schätzen.
Die Stadtberger Nachbarn trafen sich auch zum Musizieren
Die Paare freundeten sich an, tauschten sich bei den gegenseitigen Besuchen aus, lernten viel voneinander, die Kinder spielten zusammen, so entstand eine wunderbare Freundschaft. „Nachdem Richard Martin auch Posaune spielte, trafen wir uns regelmäßig zum Musizieren“, berichtet Horst Brunner, einst Opernsänger, Musiklehrer und Kulturreferent der Stadt Stadtbergen, freudig. „Heute spiele ich nach langer Zeit wieder die alte chinesische Posaune, die mir Horst einst schenkte. Sicher nicht perfekt, aber zumindest versteckt sich die Katze nicht mehr unter dem Bett“, lacht Richard Martin.
Nach 48 Jahren fand in Stadtbergen ein großes Wiedersehen statt
Als die Martins wieder nach der Militärzeit in die USA zurückkehrten, entstand über 20 Jahre ein regelmäßiger Briefwechsel, der aber aufgrund der Sprachbarriere dann langsam einschlief“, bedauert Horst Brunner. Doch eine Mail aus Missouri, kürzlich geschrieben von Brigitte Bollerslev, einer Rotary-Freundin von Rich Martin, weckte alte Erinnerungen. Sie schrieb, dass Richard und Susan Martin nach Deutschland kommen, um mit Freunden eine Donau-Kreuzfahrt zu unternehmen, verbunden mit Wunsch nach einem Wiedersehen mit den Brunners. Auch der Besuch der alten vertrauten Orte und der Lieblingsplätze in Augsburg standen auf der Wunschliste. „Nach 48 Jahren war das eine wunderbare Überraschung und wir setzten uns mit den ehemaligen Vermietern Hans und Maria Mair und vor allem mit Dr. Rüdiger Reichert, der viele Jahre mit Richard Martin im fachlichen Austausch war, in Verbindung und luden sie zu diesem für uns alle so besonderen Treffen ein“, berichtet Helga Brunner.
Der Stadtberger wird von einem Besucher in OP-Kleiung überrascht
In der gemütlichen Kaffeerunde erzählt Horst Brunner: „Ich bin den beiden HNO-Ärzten immer noch unendlich dankbar, da ich unter einer immer wiederkehrenden Mittelohrentzündung, die langfristig nicht wirksam behandelt werden konnte, litt. „So nahm mich Richard in seine Praxis ins Militär-Hospital mit, stellte die Diagnose, dass eine Operation unumgänglich war. Diese war natürlich im amerikanischen Hospital nicht möglich, so begab er sich auf die Suche nach einem deutschen HNO-Arzt, der diese neue OP-Methode kannte und durchführen konnte und fand ihn durch einen glücklichen Zufall in Dr. Rüdiger Reichert. Kurz vor dem komplizierten Eingriff sagte er: „Wir bekommen Besuch.“ Dieser Herr in OP-Kleidung war kein Geringerer als sein US-Kollege Dr. Richard Martin. „Seither ist alles in bester Ordnung, ich höre ordentlich und bin über den erfolgreichen Verlauf glücklich, da ich als Sänger und Musiker auf ein gutes Gehör angewiesen bin.“
So erfuhren die Gastgeber vieles aus dem Leben ihrer ehemaligen Nachbarn, die in Cape Giardeau in Missouri leben. Vor acht Jahren beendete Richard Martin (78) seine Tätigkeit im HNO-Bereich und pflegt seinen kleinen Wald mit den gezüchteten Schwarznuss-Bäumen. Er freut sich ganz besonders mit Ehefrau Susan (76) über die vier Töchter, die beiden jüngsten kamen in den USA später zur Welt, und die sechs Enkelkinder, die fast alle in der Nähe wohnen.
Beide denken gerne an ihre Zeit in „Good old Germany“, insbesondere in Stadtbergen zurück. „Wir erinnern uns an die Zuneigung und Fürsorge, die uns Brunners gezeigt haben und empfinden dabei Freude und Dankbarkeit, dass sie so liebenswürdige Nachbarn waren und uns jetzt wieder mit offenen Armen empfingen. Wir haben in diesen beiden Tagen viel gesehen, in wunderbaren Erinnerungen geschwelgt, waren aber auch erstaunt, wie sich Stadtbergen nach dem Abzug der Amerikaner verändert hat. „Eigentlich hätten wir auf die acht Tage auf der Donau mit Besuch von München und Rothenburg gut verzichten können. Weitere Tage in Stadtbergen und Umgebung auf einer erneutem „Spurensuche“, der uns von früher so liebgewonnenen Orte, wären sicher noch viel schöner und vor allem interessanter gewesen“, sagt Richard Martin etwas wehmütig beim Abschied.
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