Wenn Jessica D. allein eine Gassi-Runde dreht, kommt die Angst wieder. Wenn es an der Haustüre klingelt, kreisen die Gedanken für einen Augenblick um die schreckliche Tat im vergangenen Sommer. Die 33-Jährige ist eine der Überlebenden des Dreifachmords in Langweid. Mehrfach wurde auf sie und ihren Lebensgefährten geschossen. Eine Kugel traf die Frau am linken Arm. Bis heute leidet sie unter den Folgen der Tat. Im Prozess gegen den Schützen Gerhard B. sah sie nun erstmals wieder den Mann, der für all das Leid verantwortlich sein soll.
Dreifachmord in Langweid: Eines der Opfer sagt vor Gericht aus
Während Jessica D. schildert, wie sie den Angriff erlebte, sieht der mutmaßliche Dreifachmörder Gerhard B. sie an. Sichtbare Emotionen zeigt der 64-Jährige in blauer Steppjacke nicht. Wie auch während der Schilderungen anderer Opfer schweigt der Mann, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, drei Menschen ermordet zu haben. Inzwischen ist klar, dass Gerhard B. im vergangenen Juli durch Schüsse aus seiner Pistole drei seiner Nachbarn erschoss. Der Tat vorausgegangen war ein jahrelanger Nachbarschaftsstreit, der an einem Freitagabend im vergangenen Juli offenbar völlig eskalierte. Der 64-Jährige soll zwei seiner Nachbarn, ein Ehepaar, durch Schüsse in den Kopf regelrecht hingerichtet haben. Anschließend schoss er durch die Wohnungstüre auf eine weitere Nachbarin, die ebenfalls ihr Leben lassen musste. Danach fuhr der mutmaßliche Dreifachmörder zu Sven N., dem Sohn der getöteten Nachbarin und seiner Partnerin Jessica D. Die beiden überlebten wohl nur durch Glück.
"Es ging alles ganz schnell", erinnert sich Jessica D. am sechsten Verhandlungstag des Prozesses vor dem Augsburger Landgericht. Kurz bevor Gerhard B. mit einer Waffe vor ihrer Haustüre stand, habe sie noch das Abendessen hergerichtet. "Dann hat es zweimal geläutet. Wir hatten aber niemanden erwartet", erzählt die 33-Jährige vor Gericht. Ihr Partner sei ins Treppenhaus gegangen, um zu sehen, wer da vor der Tür stand. Kurz darauf kam er zurück in die Wohnung im ersten Stock. "Er rief nur: Tür zu, Tür zu!", erinnert sich Jessica D. Dann – so schildern es die Opfer – schoss Gerhard B. viermal durch die Wohnungstüre. Jessica D. und ihr Partner Sven N. wurden von je einer Kugel am Arm getroffen. "Das habe ich erst gemerkt, als ich das ganze Blut gesehen habe", schildert Jessica D. Auch ihr Partner wurde angeschossen. Er wählte den Notruf. Gerhard B. zog sich nach den Schüssen offenbar zurück, stieg in sein Auto und ließ sich wenig später widerstandslos festnehmen.
Urteil gegen mutmaßlichen Dreifachmörder wird im Juli erwartet
Während Gerhard B. die vergangenen Monate in U-Haft verbrachte, kämpfte sich das Opfer zurück ins Leben. Durch das traumatische Ereignis falle es ihr abends schwer einzuschlafen. Nachts wache sie immer wieder auf, schilderte die 33-Jährige. Außerdem habe sie im Zeigefinger und in einigen anderen Fingerspitzen noch immer kein Gefühl. Beim Schreiben an der Tastatur behindere sie das. Vor allem aber sind es die Erinnerungen an die Tat, die der 33-Jährigen sichtbar zu schaffen machen. Ihrem Partner wurde bei der Tat die Mutter genommen, seinen Söhnen die Oma. "Gestern war Muttertag. Das war ein ganz schlimmer Tag", erinnert sich die 33-Jährige vor Gericht.
Fortgesetzt wird der Prozess am kommenden Donnerstag. Ein Urteil wird erst im Juli erwartet. Angeklagt ist Gerhard B. wegen dreifachen Mords, versuchten Mords sowie in zwei Fällen wegen gefährlicher Körperverletzung.
Anmerkung der Redaktion: Der Angeklagte legt keinen Wert darauf, auf Foto- und Videomaterial unkenntlich gemacht zu werden. Daher zeigen wir Gerhard B. in unserer Berichterstattung unverpixelt.