Ein Blick auf die Weltgeschichte bei den Kulturtagen in Diedorf
Zwei Wochenenden lang steht in Diedorf die Kunst im Mittelpunkt. Ein Höhepunkt ist das Gespräch zwischen Journalist Rainer Bonhorst und Fotograf Daniel Biskup.
Mehrere Dutzend farbenfrohe Ölgemälde, ungewöhnliche Videokunst und eine spannend-spaßige Talkshow mit einer hochkarätigen Fotografie-Ikone: In der Marktgemeinde Diedorf herrschte ganze zwei Wochenenden hindurch ein kultureller Ausnahmezustand. Mit dem Projekt „Offenes Atelier“ hatte die Kommune ein Künstler-Event auf die Beine gestellt, das man in dieser Art und Weise wohl nur selten im Landkreis miterleben darf. Rund 40 Diedorfer Künstlerinnen und Künstler hatten die Tore ihrer Werkstätten für die Öffentlichkeit aufgetan und zudem auch noch in einem alten Gewächshaus, im Maskenmuseum sowie in der Schmuttertalhalle ihre kreativ gestalteten Objekte vorgestellt.
Doch bevor man in die kunterbunte Welt von „Herr der Ringe“, goldenen Buddha-Motiven und Künstlicher Intelligenz eintauchen durfte, stachen unmittelbar vor der Schmuttertalhalle noch zwei ganz andere Dinge ins Auge: Das von Kindern kunterbunt bemalte „Schwätzbänkle“ sowie eine von drei Tannen, die zukünftig als neuer nachhaltiger Weihnachtsbaum der Gemeinde ihre behaglichen Lichter erstrahlen lässt – allesamt gespendet vom Rotary Club Augsburg-Fuggerstadt. Bürgermeister Peter Högg erklärte zum „Schwätzbänkle“: „Wenn hier mal der Bürgermeister oder der Gemeinderat sitzt, kann man halt einfach mal ein wenig ratschen.
Ein "blutbeschmiertes" Kissen wie aus einem Horrorfilm bei den Kulturtagen
Ratschen konnte man in der Halle selbst dann ebenfalls zur Genüge – nämlich über die zahlreichen Kunstwerke, die sich dort den Besuchern offenbarten: Babette Jaugschs Gemälde „Die Gefährten“ aus dem Kino-Blockbuster Herr der Ringe stach dabei ebenso ins Auge wie Brigitte Seidels Blumenmotive, die auf unergründliche Weise noch sehr viel realistischer als die „natürlichen“ Originalvorlagen ihre Blütenpracht im Auge des Betrachters erstrahlen lassen. Und während sich Elisabeth Paschek professionell darauf versteht, selbst Alltagsgegenstände wie Ballsaalschuhe und Büstenhalter ausschließlich aus Papier herzustellen, regt die Künstlerin Rosa Lutz-Teply mit einem „blutverschmierten“ Bettkissen namens „Sehnsucht“ zu eher nachdenklicheren Gefühlen an – mag dieses verstörende Objekt wohl ein gruseliges Motiv aus einem Horrorfilm sein oder doch vielmehr das offenkundige Symbol für den schmerzhaften Verlust einer längst vergessenen Liebe, die einstmals dem verlassenen Partner eine gewisse Geborgenheit verlieh?
Genügend Freiraum für eigene Interpretationen taten auch die beiden Videokünstler Erika Kassnel-Henneberg und Toni Bihler auf, die in der evangelischen Immanuelkirche mit Bewegtbildern unter anderem vor Augen führten, welche unglaublichen Möglichkeiten die „Künstliche Intelligenz“ für kreative Köpfe bieten kann – und gleichzeitig, welche unglaublichen Gefahren diese mit sich trägt. „2019 ist es der KI erstmals gelungen, einen Menschen beim Pokern zu schlagen“, erklärt Kassnel-Henneberg dazu. „Das bedeutet: Die Künstliche Intelligenz hat begonnen, das bewusste Lügen und Täuschen zu erlernen.“
Daniel Biskup: Für das besondere Bild muss man auch mal "ein paar Kilometer fahren"
Auch der stellvertretende Landrat Hubert Kraus zeigte sich letztendlich beeindruckt von dem Mega-Event in der Schmuttergemeinde: „Alleine die Anzahl der Künstler, die Diedorf aufzuweisen hat, ist beachtlich!“
Einer der Höhepunkte des vergangenen Wochenendes stellte schließlich das Interview des früheren Augsburger-Allgemeine-Chefredakteurs Rainer Bonhorst mit dem weltberühmten Porträt-Fotografen Daniel Biskup dar. Und alleine bereits durch dessen ausgestellte Fotografien tat sich für die Besucher und Besucherinnen die komplette Weltgeschichte in der Schmuttertalhalle auf: Sahra Wagenknecht neben Wolodymyr Selenskyj, der Modedesigner Karl Lagerfeld in der Berliner U-Bahn-Station Rosenthaler Platz neben der Musikikone Udo Lindenberg an der Graffiti-beschmierten Mauer der damals geteilten deutschen Stadt. „Das Atelier von Daniel Biskup reicht um die ganze Welt“, so Bonhorst dazu.
Und der Fotokünstler selbst? Der erklärte dem Publikum auf herzerfrischende und gleichzeitig höchst spannende Weise, wie man als Fotograf mit „Models“ wie Donald Trump oder Wladimir Putin umzugehen hat: „Das Entscheidende ist, dass man für jeden Menschen einen Schlüssel besitzt. Und wenn Sie sich nicht scheuen, einige Kilometer zu fahren, haben auch Sie das Glück, Geschichte zu erleben.“ Der wohlklingende Abschluss der Diedorfer Tage des „Offenen Ateliers“ gebührte schließlich dem Gitarristen Gunter The Voice, der als Solo-Künstler mit sechs Saiten und seiner ansteckenden Bühnenpräsentation die Hallengäste zum fröhlichen Mitsingen und Mittanzen bewegte.
Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.
Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.
Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.