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Charlotte Knobloch warnt: Antisemitismus heute in Deutschland

Neusäß

Charlotte Knobloch appelliert in Neusäß an die junge Generation

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    Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, war zu Gast im Beruflichen Schulzentrum in Neusäß.
    Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, war zu Gast im Beruflichen Schulzentrum in Neusäß. Foto: Marcus Merk

    Charlotte Knobloch, Holocaust-Überlebende und Präsidentin der Israelischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, teilt im Beruflichen Schulzentrum Neusäß ihre bewegende Lebensgeschichte. Ihre Botschaft an die letzte Generation, die den Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs begegnen kann, wirft ein Licht auf die Verantwortung, die Geschichte nicht zu vergessen und gegen den wachsenden Antisemitismus vorzugehen. Sie hat einen klaren Appell an die jungen Menschen.

    Die Aula des Beruflichen Schulzentrum in Neusäß ist gut gefüllt. Auch Sicherheitspersonal ist anwesend. Die 92-Jährige steht selbstbewusst auf der Bühne und beginnt zu sprechen. „Der Austausch mit den jungen Menschen ist mir besonders wichtig. Ihr seid die letzte Generation, die den Zeitzeugen begegnet“, betont sie. „Das bringt eine enorme Verantwortung mit sich, denn ihr werdet unser Land und die Politik prägen“, fährt sie fort. Sie berichtet von einem zunehmenden Antisemitismus in der Gesellschaft. „Von Januar bis September sind 3200 antijüdische Straftaten registriert worden, das sind mehr als doppelt so viele wie vergangenes Jahr im gleichen Zeitraum. Viele junge Juden fragen mich, ob sie in Deutschland überhaupt eine Zukunft haben“, erklärt sie.

    Zeitzeugin Charlotte Knobloch berichtet: Leben im Schatten des Holocaust

    Knobloch hebt jedoch auch hervor, dass das Judentum mehr als nur Angst und Bedrohung ist. „Nicht alles dreht sich um den Judenhass und dieser ist auch nicht nur ein jüdisches Problem. Auch als Nicht-Jude lebten viele in dem NS-Deutschland in Angst“, fügt sie hinzu. Charlotte Knobloch setzt sich für den israelischen Staat ein und erklärt, dass der Hass auf Israel schnell zu Judenhass werde.

    Bezogen auf die aktuelle Situation hat sie die Sorge, noch einmal zu erleben, was sie schonmal mitmachen musste. Schon als sie 1932 geboren wurde, hatte ihr Vater Angst davor, wie sich die Lage für die Juden weiter entwickeln würde. „Ich wurde Judenkind genannt. Das verletzte mich sehr, denn ich war noch ein Kind und konnte nicht verstehen, was passiert“, erinnert sie sich. Die Schülerinnen und Schüler hören an diesem Tag gebannt zu, wie sie von weiteren Situationen erzählt, die ihr den Mut raubten und bei denen sie nur hilflos zuschauen konnte. Sie spricht von brenzligen Situationen, angsterfüllten Momenten und herzzerreißenden Abschieden.

    Charlotte Knobloch erinnert sich an die Reichspogromnacht

    Charlotte Knobloch kann sich noch gut an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 erinnern: „Diese Nacht werde ich nie vergessen. Wir erhielten einen anonymen Anruf und wurden davor gewarnt, dass etwas gegen die Juden geplant sei. Uns wurde empfohlen, auf die Straße zu gehen und uns nicht zu Hause aufzuhalten“, erzählt sie. Gemeinsam mit ihrem Vater wollte die damals Sechsjährige einen engen Freund warnen – doch sie kamen zu spät und mussten mit ansehen, wie er von der Gestapo aus dem Haus geführt und mit Füßen in einen Wagen gestoßen wurde. In jener Nacht wurden Synagogen verbrannt, abgerissen und weitere fürchterliche Taten gegen Juden begangen.

    Im Sommer 1942 kam die Deportationsliste und Knoblochs Großmutter entschied sich dazu, sich zu opfern. Die Familie war gezwungen, eine Person auf die „Todesliste“ zu setzen. „Meine Großmutter sagte mir, dass sie auf Kur fährt, doch ich wusste, dass dies ein Abschied bedeutet und fing an zu weinen“, erzählt die 92-jährige.

    Kampf gegen Antisemitismus: Knoblochs Appell an junge Generation

    In Anschluss an ihren Vortrag haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Charlotte Knobloch Fragen zu stellen. Sie fragen nach weiteren Erinnerungen und ob die 92-Jährige jemals professionelle Hilfe in Anspruch genommen habe, um Erlebtes zu verarbeiten, was Knobloch verneint. Solche Hilfe brauche sie nicht und würde sie auch nicht annehmen. Einer Schülerin fällt auf, dass Knobloch ihre Mutter nicht erwähnt hatte und fragt nach, welche Rollte diese in der Geschichte spielt. Knobloch erklärt, dass ihre Mutter zu dem Judentum konvertiert sei. „Eines Tages wurde sie dann von der Gestapo vorgeladen und wurde angewiesen, den Glauben abzulegen und die Familie zu verlassen. Hätte sie das nicht getan, hätten ihr schlimme Konsequenzen gedroht.“

    Die Schülerinnen und Schüler lenken den Austausch schließlich auf die jetzige Situation in Deutschland und Palästina und fragen nach Parallelen zu damals. „Den Judenhass gibt es heute immer noch. Und es ist so wichtig, dass ihr jungen Menschen euch für das Land engagiert. Geht wählen und gestaltet die Politik aktiv mit“, appelliert Knobloch.

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