Biberbachs Pfarrer berichtet von Erlebnissen in Syrien
Zerstörungen, Zukunftsangst, aber auch eine neue Zuversicht: Biberbachs Pfarrer Ulrich Lindl machte sich ein eigenes Bild über die Lage in Syrien. Das berichtet er.
„Damaskus mitten im Bürgerkrieg. Und die islamistische al-Nusra-Front drei Kilometer von der Pfarrei entfernt. Detonationen waren zu hören. Im Jahr danach: Situation beruhigt. Nach den Kämpfen im Vorort von Damaskus: Stille über Kriegsruinen …“ Was sich wie ein verstörender Tagebucheintrag eines Frontsoldaten anhören mag, stammt wörtlich aus der Feder von Ulrich Lindl, dem katholischen Pfarrer der Gemeinde Biberbach, der kürzlich von seinem mittlerweile dritten Syrien-Aufenthalt in die Heimatgemeinde zurückgekehrt ist. Und was er aktuell davon zu berichten hat, zeichnet ein Bild von einem kriegsgebeutelten Land, das vielen Menschen so gar nicht bekannt sein dürfte.
Doch warum war Pfarrer Lindl nun schon zum dritten Male im Krisengebiet Syrien? „Vor acht Jahren sind auf Bitten der griechisch-katholischen Gemeinde St. Kyrillos zwei syrische Flüchtlinge im Biberbacher Pfarrhof eingezogen“, sagt der Pfarrer. „Es waren arabische Christen, die sich hier unter anderem aufgrund von Sprachkursen sehr schnell integriert haben“. Daraufhin wäre von ihm im Jahre 2017 auch sehr schnell der Entschluss zu einem ersten Syrien-Besuch gefasst worden. „Ich wollte ein Zeichen setzen, dass wir als Menschen und auch als Christen miteinander verbunden sind!“ Dass Syrien als Nation betrachtet in der Tat äußerst eng mit dem Christentum verbunden ist, dürfte vielleicht vielen Menschen gar nicht allzu bekannt sein. „Syrien ist ein urchristliches Land. Vor den Toren Damaskus‘ hatte Paulus sein Berufungserlebnis!“ Zudem beherberge Syrien als Reliquie das Haupt des biblischen Johannes des Täufers – und auch die Heilige Thekla soll hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. In zahlreichen Städten prägen katholische Kirchen das Ortsbild.
Biberacher Pfarrer unterstützt einfache Bevölkerung
Vielerorts seien Pfarrer Ulrich Lindl zufolge nicht einmal mehr Ruinen in den Gemeinden zu sehen: „Das Land macht einen ruhigen Eindruck – auf den ersten Blick.“ Für Außenstehende wirke Damaskus völlig friedlich, und im Hafenort Latakia herrsche beinahe schon so etwas wie Urlaubsstimmung. „Bei meinem letzten Besuch konnte ich feststellen, dass viele Wohnungen gebaut werden. Aber man merkt: Die strengen Wirtschaftssanktionen behindern den Wiederaufbau des Landes und treffen vor allem die einfache Bevölkerung.“
Ausgerechnet diese Sanktionen sowie sinkende Löhne und die Korruption sorgte dafür, dass sich noch immer viele Syrer auf der Flucht befinden, obwohl das laut Pfarrer Ulrich Lindl keineswegs aus freiem Willen oder gar aus Leichtfertigkeit geschieht: „Die meisten wollen ihre Heimat gar nicht verlassen. Ganz im Gegenteil: Die Syrer sind äußerst heimat- und familienverbunden! Doch durch die fehlenden Zukunftsperspektiven ist der Wunsch, das Land zu verlassen, allgegenwärtig.“ Man dürfe aber auch nicht übersehen, dass in den letzten fünf Jahren mehr als 300.000 Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt sind – trotz der gewaltigen Probleme, denen diese Menschen in ihrer Heimat nun gegenüberstehen: „Ein Professor verdient dort 45 Euro im Monat, aber eine fünfköpfige Familie braucht mindestens 150 Euro, um über die Runden zu kommen. Doch kirchliche Hilfsorganisationen unterstützen nach Kräften. Zugleich geht es den Kirchengemeinden darum, den Zusammenhalt und die Moral im Lande zu stärken. In der katholischen Pfarrei in Latakia wurden nach dem Erdbeben Anfang Februar kurzerhand 250 Menschen aufgenommen, die zuvor in syrischen Flüchtlingscamps untergebracht waren.“
Unterstützung aus Biberbach
Pfarrer Ulrich Lindl selbst hilft in Syrien ebenfalls immer wieder tatkräftig mit – so hält er nicht nur christliche Gottesdienste ab und segnet gläubige Kirchenbesucher, sondern steht auch mit dortigen Pfadfindergruppen und mit Jugendlichen in Kontakt.
Sein eigener syrischer Mitbewohner in Biberbach habe im Übrigen seit Kurzem die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, eine eigene Wohnung gefunden und sei nun als Koch ein sehr geschätzter Mitarbeiter. Über Weihnachten werde er nach acht Jahren zum ersten Mal seine syrische Familie wiedersehen. „Für mich ein Beweis, dass Integration möglich ist, am besten aber von Mensch zu Mensch gelingt. Wenn heute Flüchtlingszahlen genannt werden, dann geht es nicht um Zahlen, sondern immer um ganz konkrete Menschen – mit ihrer eigenen Geschichte und ihrer Sehnsucht nach einer besseren Zukunft."
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