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Bahnausbau Ulm-Augsburg: Das bedeutet die schnellste Bahntrasse für Natur und Anwohner in der Region

Blick ins Günztal zwischen Kleinkötz und Hochwang. Dort könnte eine der geplanten Trassen für die neue ICE-Schnellverbindung zwischen Augsburg und Ulm verlaufen.
Bahnausbau Ulm-Augsburg

Das bedeutet die schnellste Bahntrasse für Natur und Anwohner in der Region

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    In 26 Minuten von Augsburg nach Ulm. Mit diesem Ziel vor Augen plant eine Projektgruppe der Bahn eine neue Bahntrasse zwischen den beiden schwäbischen Metropolen. Vier mögliche Varianten werden derzeit geprüft. Doch keine davon trifft auf breite Zustimmung in der Bevölkerung. Stattdessen formiert sich zunehmend Widerstand in den Landkreisen Augsburg, Günzburg und Neu-Ulm. Das gilt auch für die türkise Strecke, die teilweise entlang der Autobahn verläuft - teilweise aber auch unberührte Natur quert. Wir stellen sie genauer vor.

    Mit einer errechneten Fahrzeit von 23 Minuten ist sie die schnellste Strecke auf dem Papier. Wie alle bislang noch grob geplanten Trassen beginnt sie am Augsburger Hauptbahnhof und verlässt kurz vor der Bahnbrücke über dem Dayton-Ring/B17 im Augsburger Norden die Bestandsstrecke. Sie läuft am Paketzentrum und am Güterverkehrszentrum vorbei und untertunnelt die Autobahn bei Hirblingen. Von hier aus geht es nördlich der A8 bis nach Streitheim. Bei

    Mit dieser Trasse wären Ulmer in 23 Minuten in Augsburg

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    Die orange Strecke bleibt weiter an der A8, die türkise läuft nördlich des Zusmarshauser Ortsteils Wollbach in den Landkreis Günzburg, wo sie südlich von Landensberg und Röfingen wieder zur Autobahn führt. Bei Scheppach ist kurz nach der Bahnbrücke an der A8 ein Tunnel unter der Autobahn vorgesehen, um auf die südliche Seite der A8 zu gelangen. Durch den Tunnel fährt der Fernverkehr südlich an Wettenhausen und Hochwang ins Bibertal weiter. Südlich des Ortsteils Bühl trifft die türkise Trasse dann wieder auf die orange, mit der sie südlich von Straß den Landkreis Neu-Ulm erreicht. Südlich von Nersingen und Burlafingen führt die Strecke weiter zwischen den Neu-Ulmer Stadtteilen Pfuhl und Offenhausen hindurch auf die Bestandstrecke, die schließlich am Ulmer Hauptbahnhof ankommt.

    So könnte es aussehen, wenn die türkise Trasse an Adelsried vorbeiführt.
    So könnte es aussehen, wenn die türkise Trasse an Adelsried vorbeiführt. Foto: Andreas Lode

    Wie die orange Trasse hat auch die türkise für Unruhe in einigen Kommunen entlang der A8 gesorgt. Der Bürgerverein Hirblingen hat die ICE-Trasse vor Kurzem mit Plakaten abgesteckt, um den Verlauf zu veranschaulichen. Nur wenige Kilometer weiter westlich wächst der Protest gegen die Autobahntrassen auch in Adelsried. Die Bahn würde hier parallel zur Autobahn und nördlich der A8 aus einem Tunnel neben einem Wohngebiet kommen und über eine Brücke das Tal mit der Autobahnausfahrt aus Richtung Stuttgart überqueren. Schon der Autobahnlärm sei grenzwertig, finden viele in

    Martina Feyrsinger hat einen Bauplatz im Neubaugebiet nahe der Autobahn. Sie sagt über die Pläne der Bahn: "Wir haben hier nichts davon." Der Adelsrieder Bürgermeister Sebastian Bernhard hofft, dass die Region an einem Strang zieht und eine vernünftige Lösung findet, die breite Akzeptanz findet.

    Die türkise und die orange Autobahntrasse laufen an Streitheim vorbei. Anwohner protestieren mit einem Plakat dagegen.
    Die türkise und die orange Autobahntrasse laufen an Streitheim vorbei. Anwohner protestieren mit einem Plakat dagegen. Foto: Andreas Lode

    Im benachbarten Streitheim ist der Lärm der Autobahn ebenfalls ein Dauerthema. Hinzu kommt der Ausweichverkehr, der bei Unfällen und Staus durch das Dorf rollt. Karin Möckl wohnt direkt hinter der Schallschutzwand der A8. "Ich kann jetzt schon nicht mit offenem Fenster schlafen", erzählt die Streitheimerin, "es macht mir echt Angst, wenn jetzt noch die Bahntrasse dazukommt". Auch Karl Fischer wohnt in Streitheim. Er ärgert sich darüber, dass mit dem Bau der türkisen Trasse die besten Felder Streitheims geopfert werden würden. Der Bund Naturschutz hatte dennoch eine Trasse an der Autobahn favorisiert.

    "Das kann man sich nicht bieten lassen"Anwohnerin aus dem Zusmarshauser Ortsteil Wollbach

    Im Zusmarshauser Ortsteil Wollbach gehen die Anwohner davon aus, zwischen der Autobahn im Süden und einer kilometerlangen Brücke der türkisen Bahnstrecke im Norden eingekeilt zu werden. "Wohin kann der Ort dann noch wachsen?", fragt ein Anwohner. Auch Gertrud Braun wohnt hier. Sie berichtet, dass der A8-Lärm ohnehin belastend sei. Dass jetzt auch noch die Schnelltrasse der Bahn kommen soll, "das kann man sich nicht bieten lassen". Das sehen ein paar Kilometer und einen Landkreis weiter die Bürgerinnen und Bürger aus Kötz genauso. Auch im Landkreis Günzburg würden Kommunen wie Jettingen-Scheppach eine Doppelbelastung tragen: Autobahn und ICE.

    Die Wollbacher zeigen, wo die türkisfarbene Trasse entlang laufen würde.
    Die Wollbacher zeigen, wo die türkisfarbene Trasse entlang laufen würde. Foto: Andreas Lode

    Josef Stöckle von der Interkommunalen Bürgerinitiative "Nein zu den Monstertrassen - Ja zum Mehrwert für die Menschen" erklärt, dass eine Berechnung des gesamten Lärms von der Autobahn und der Bahn vor der Planung einer Trasse nötig sei. Immer wieder gibt er zu bedenken, dass die Region überdies von der Schnelltrasse nicht profitiere. Dabei gebe es auch hier Münchenpendler. Der Wollbacher Johann Weindel fragt sich, ob der Landkreis noch kein Nahverkehrskonzept ausgearbeitet habe.

    Über Flüsse im Kreis Günzburg müssten Brücken gebaut werden

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    Pendlerinnen und

    Auch die Gebiete rund um die Flüsse Kammel, Biber, Günz, Kötz und Mindel sind besonders unberührt. Mit der türkisen Trasse könnte sich das ändern. In das neue Landschaftsbild würden sich Tunnel und größere Brücken fügen. Ist es das wert? Dass Natur- und Schutzgebiete im Landkreis einer schnellen ICE-Verbindung weichen?

    Alexander Ohgke ist Vorsitzender der Kreisgruppe des Bund Naturschutz in Günzburg. Gleichzeitig ist er Stadtrat in Ichenhausen (Liste Ichenhauser Bürger/Grüne). Er findet: Nein. "Die Schnelligkeit bringt uns nichts, wenn alles andere darunter leidet." Der

    Manfred Schmid (links), der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Hochwang, und Schriftführer und Bund Naturschutz-Kreisvorsitzender Alexander Ohgke.
    Manfred Schmid (links), der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Hochwang, und Schriftführer und Bund Naturschutz-Kreisvorsitzender Alexander Ohgke. Foto: Irmgard Lorenz

    "Man muss in diesem ganzen Prozess die Planung noch einmal komplett überdenken. Brauchen wir wirklich einen 26 Minuten schnelleren ICE?" Damit meint er nicht etwa, dass gar kein Zug fahren soll: Aber eine Nummer kleiner gehe auch. "Die Schnelligkeit ist jedoch für die Bahn absolut dominierend." Doch schützenswerte Lebensräume stehen auf dem Spiel. Die Kreisgruppe forderte, für die nächsten Besprechungen und Planungsschritte auch den Verkehrsclub Deutschland und den Regionalen Eisenbahnverkehr mit einzubeziehen. "Man plant bislang ohne die Region", meint Ohgke. "Und der Planungsprozess ist noch lange nicht abgeschlossen."

    Im Landkreis Günzburg könnten mit allen Trassen freie Flächen durchschnitten werden. Besonders schützenswert sind laut Ohgke das Donautal, das Hochwanger Schutzgebiet zwischen Günzburg und Ichenhausen und auch Flecken rund um Flussläufe oder der Biberkanal. Freie Flächen rund um Großkötz und Kleinkötz seien vor allem für den Hochwasserschutz wichtig. Wenn Bäche überlaufen sollten, was im Zuge des Klimawandels durchaus vorkommen könnte, so Ohgke, brauche man die freien Wiesen, damit das Wasser wieder absickern kann.

    Blick ins Günztal zwischen Kleinkötz und Hochwang. Das Foto zeigt die Nord-Süd-Strecke der Mittelschwabenbahn zwischen Günzburg und Krumbach.
    Blick ins Günztal zwischen Kleinkötz und Hochwang. Das Foto zeigt die Nord-Süd-Strecke der Mittelschwabenbahn zwischen Günzburg und Krumbach. Foto: Bernhard Weizenegger

    "Ja, wir wollen die Mobilität auf dem Land und auch eine Verkehrswende", sagt der Vorsitzende der Günzburger Kreisgruppe aber auch. Einen nachhaltigen Ansatz sehen die Naturschützer bei diesem Milliardenprojekt dennoch nicht. Nicht nur die negativen Folgen für die Umwelt und den Artenschutz durch die neue Trasse werden von Naturschützerinnen und Naturschützern in der Region befürchtet. Man müsse auch sehen, wie viel CO2 alleine der jahrelange Ausbau der Abschnitte ausstoße, findet Ohgke. Und wie viel Geld dafür ausgegeben werde, das vielleicht an anderen Stellen im Bereich des Klimaschutzes benötigt werde. In Zukunft müssten schon einige Leute vom Auto auf die Bahn umsteigen, bis man den CO2-Ausstoß allein durch den Betonausbau überhaupt kompensieren könnte.

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