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Zusmarshausen: Das berühmteste Hotelzimmer im Kreis Augsburg wartet seit Monaten auf Gäste

Zusmarshausen

Das berühmteste Hotelzimmer im Kreis Augsburg wartet seit Monaten auf Gäste

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    Das Napoleon-Zimmer wäre für Gäste bereit, wie Manuela Schumacher und Lara Pöppel (von links) zeigen.
    Das Napoleon-Zimmer wäre für Gäste bereit, wie Manuela Schumacher und Lara Pöppel (von links) zeigen. Foto: Marcus Merk

    Die Alte Posthalterei hat viele Geschichten zu erzählen. Die von Napoleon kennt fast jeder hier in Zusmarshausen. Im Oktober 1805 nächtigte der Kaiser der Franzosen in Zimmer 108 der Zusmarshauser Herberge. Heute ist das Napoleon-Zimmer für jeden zu haben, der es sich leisten will. Um die 200 Euro kostet die Nacht. Weniger bekannt ist die Geschichte von Haidar Gullam. In ihr geht es um Leben und Tod und ein Stück Hoffnung in einer verzweifelten Situation. Sie spielt im Hier und Heute in dem bekannten Zusmarshauser Hotel.

    Der 30-jährige Azubi Gullam blickt zitternd seiner theoretischen Prüfung im Mai entgegen. Haidar Gullam muss sie bestehen. Denn nur mit einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung darf er Frau und Kind aus Afghanistan nachholen. So wollen es die Vorschriften. Seit er vor sieben Jahren aus dem vom Krieg zerrissenen Land flüchtete, hat er seine Familie nicht mehr gesehen. Praktisch beherrsche Gullam sein Handwerk hervorragend, doch in der schriftlichen Prüfung seien die Hürden bislang zweimal zu hoch gewesen, erzählt Posthalterei-Chef Marc Schumacher. Bislang wollte Gullam Restaurantfachmann werden, jetzt soll es die Fachkraft im Gastgewerbe sein. Das bedeutet weniger Theorie und für Gullam neue Hoffnung. "Ich darf nicht aufgeben," sagt er.

    In der Alten Posthalterei kocht eine Europameisterin

    Aufgeben wollen auch seine Arbeitgeber nicht. Manuela und Marc Schumacher haben im Herbst 2019 die von Grund auf umgebaute Alte Posthalterei übernommen. Ein Vorzeigebetrieb soll es sein: In der Küche steht eine Europameisterin, bezahlt wird über Tarif und ausgebildet auch in der Krise. Vier Azubis wollten die Schumachers vergangenen September einstellen, jetzt lernen sieben junge Menschen zum Beispiel Koch oder Hotelfachfrau. Trotz der schwierigen Situation hätten sie sich bewusst entschlossen, mehr Lehrlinge einzustellen, sagt Manuela Schumacher: "Wir haben doch auch eine Verantwortung." Weil der Betrieb seit Monaten stockt, versuchen die Ausbilder den Azubis in speziellen Kursen etwas beizubringen. Aber etwas fehle, sagt Marc Schumacher: "Die normalen Abläufe bei vollem Betrieb."

    Ausbildung fast ohne Gast: (von links) Markus Hildebrecht, Ballint Richter, Moritz Birle und Marc Schumacher
    Ausbildung fast ohne Gast: (von links) Markus Hildebrecht, Ballint Richter, Moritz Birle und Marc Schumacher Foto: Marcus Merk

    Als Hotel und Gaststätte im vergangenen März öffnen sollten, kam der erste Corona-Lockdown. Ab Mai schien es dann schnell aufwärtszugehen. Die neue Alte Posthalterei lockte viele Menschen an. An guten Sonntagen hätten sie an die 500 Essen verkauft, erzählt Schumacher. Heutzutage gibt es noch Essen zum Mitnehmen "und auch das lohnt sich nicht wirklich". Der Wirt will es deshalb jetzt bleiben lassen.

    Nur Geschäftsreisende dürfen derzeit übernachten

    Das Gastgewerbe befindet sich im fünften Monat des Lockdowns, und so herrscht in der Alten Posthalterei mit ihren frisch renovierten Stuckdecken die große Leere. Nur an die 20 Geschäftsreisende beherbergt das Hotel, das Platz für rund 120 Übernachtungsgäste hätte. Das Restaurant ist zu, Frühstück und Abendessen gibt es auf einem Tablett mit aufs Zimmer. Im Innenhof stehen Tische und Stühle für 120 Gäste bereit. An die 100.000 Euro hätten sie in ein Hygienekonzept für ihr Haus gesteckt, erzählen die Schumachers, die Belüftungsanlage des Lokals tausche die Luft im Raum innerhalb von zwölf Minuten aus. Eine Aussicht auf Öffnung: in Bayern nicht in Sicht.

    Dass das nahezu die gesamt Branche verbittert, daraus macht Susanne Droux keinen Hehl. Die Geschäftsführerin für den Bereich Berufsbildung beim Branchenverband Dehoga spricht von einem fast zehn Monate währenden Berufsverbot während der Pandemie. Dennoch werde die Gastronomie - und das ist eine Botschaft des Treffens in Zusmarshausen am Donnerstag - weiter ausbilden. Auch im September würden wieder Lehrlinge eingestellt - auch in Zusmarshausen.

    Ministerin Trautner sagt Termin in Zusmarshausen ab

    Diese Botschaft hätten Droux und die Schumachers, deren Hotel sich mit dem bundesweiten Siegel eines "Top-Ausbildungsbetriebs" schmücken darf, gerne auch der bayerischen Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) vermittelt - und vielleicht noch den ein oder anderen Satz über die Lage der Branche und Urlaube auf Mallorca. Wer weiß. Doch weil Corona wieder stärker um sich greift, sagte das Kabinettsmitglied den Termin am Donnerstag ab.

    Der Besuch soll nachgeholt werden, die Stadtbergerin Trautner hat ja nicht weit. Vielleicht lässt auch sie sich dann Zimmer 108 zeigen, in dem Napoleon nächtigte, und dessen Badewanne bemerkenswert ist. Seit dem Lockdown hat im berühmtesten Hotelzimmer im Landkreis Augsburg niemand mehr übernachtet.

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