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Zusmarshausen: Willkommen im Wasserstoffhaus

Zusmarshausen

Willkommen im Wasserstoffhaus

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    Rita Hörmann an der Haustür des Wasserstoffhauses in Zusmarshausen. Die Fassade besteht nicht nur aus Holzschindeln, sondern auch großen schwarz glänzenden Photovoltaikmodulen. 
    Rita Hörmann an der Haustür des Wasserstoffhauses in Zusmarshausen. Die Fassade besteht nicht nur aus Holzschindeln, sondern auch großen schwarz glänzenden Photovoltaikmodulen.  Foto: Marcus Merk

    Wenn Rita Hörmann nach Hause kommt, hängt sie ihren Schlüsselbund in den Kasten und es ertönt die aus der Eiswerbung bekannte Melodie: „Like ice in the sunshine.“ Dieses Begrüßungslied, das auf einem Chip hinterlegt ist, hat in diesem Wohnhaus in Zusmarshausen eine besondere Bedeutung.

    Die Sonne spielt die zentrale Rolle. Ihre Energie sorgt durch das zusätzliche Abspeichern von Wasserstoff für die komplette Strom- und Wärmeversorgung. Von außen gibt es nur eine Leitung ins autarke Gebäude, die fürs Internet.

    Das Haus sieht bereits auf den ersten Blick anders aus

    Das Passivhaus im Neubaugebiet „Am Rothseeblick“ sieht bereits auf den ersten Blick anders aus. Die Fassade des ersten Stocks ist schwarz und glänzt. Fenster und Türen wurden mit Photovoltaikmodulen eingefasst, zusätzlich zur Anlage auf dem Dach. Im Inneren ist es hell und warm an diesem März-Tag. Die Sonne lacht vom Himmel. Der Blick von Rita Hörmann fällt auf das Ipad an der Wand, das die Energieflüsse zeigt. Es ist ein guter Tag.

    Auf dem Bildschirm lässt sich ablesen, dass die Wasserstoff-Produktion auf Hochtouren läuft. Im Dezember sind Markus und Rita Hörmann mit zwei Söhnen hier eingezogen. In einer Zeit also, in der sich die Sonne nicht allzu oft zeigt. Doch die Energieversorgung habe vom ersten Tag geklappt, berichtet das Ehepaar. Für die Anfangszeit wurde Wasserstoff angeliefert.

    Es gibt keinen Anschluss mehr ans Stromnetz

    Die Inhaber der Firma Hörmann Solartechnik hatten zwar auch schon im ehemaligen Haus in Zusmarshausen eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, doch im Neubau kommt eine ungewöhnliche Neuerung dazu: Es gibt keinen Anschluss mehr ans Stromnetz. Im Alter von knapp über 50 Jahren beginnt für das Unternehmerpaar energietechnisch gesehen eine neue Zeit. Es sei in der ersten Zeit „ein komisches Gefühl so ohne gewöhnliche Stromversorgung“ gewesen, berichtet Rita Hörmann. Doch inzwischen habe sich diese Unsicherheit gelegt. Ihrem Mann, von Beruf Elektrotechniker, gefällt die Vorstellung, in Sachen Energie sein eigener Herr zu sein.

    Bereits seit Jahren trieb das Ehepaar Hörmann und den ebenfalls in der Firma tätigen Sohn Felix die Frage um, wie man den im Sommer überschüssigen Strom von der Photovoltaikanlage für sonnenarme Monate im Winter „retten“ und nutzen kann. Rita Hörmann, die von Beruf eigentlich Erzieherin ist, fuchste sich intensiv in die technische Materie ein, wertete für ihren Mann Fachartikel aus und sprach mit Firmen über eine Lösung für ein Wasserstoffhaus. Die Unternehmerin ist überzeugt: „Wasserstoff gehört die Zukunft.“ Ziel sollte es sein, dass mehrere Häuser miteinander vernetzt werden. „Wenn wo ein Überschuss da ist, wird er in der Nachbarschaft verteilt.“

    In der Garage stehen 32 Flaschen mit Wasserstoff

    Der Hersteller HPS hat ein Wasserstoff-System namens Picea weiterentwickelt. Im Keller der Hörmanns steht eine Anlage, mit der der Bedarf an Strom und Wärme zu 100 Prozent gedeckt wird. Markus Hörmann nennt sie „das Herzstück“. Im Garten neben der Garage stehen 32 Flaschen mit Wasserstoff, immerhin ein brennbares Gas. Wegen des niedrigen Drucks auf der Leitung mache ihr das keine Angst, sagt Rita Hörmann. Im Winter erzeugt eine Brennstoffzelle aus dem Wasserstoff Strom und Wärme. Der Vorrat in den Flaschen würde für rund sechs Wochen reichen.

    Die Hörmanns betonen, dass sie für ihr Haus weder Öl noch Gas benötigen, auch auf einen Holzofen verzichten sie bewusst: „Wir haben ein reines Inselhaus und versorgen uns ganz selbst.“ Wichtig war der Familie, dass sie sich vom Komfort her nicht einschränken müssen. Die Küche hat alle modernen elektrischen Geräte. Über Smart-Home-Technik werden die Verbräuche im Haus gesteuert und abgestimmt. Der Strom reiche sogar dazu, zwei Elektroautos zu laden, freut sich Rita Hörmann.

    Kater Findus räkelt sich auf dem Holzboden

    Das Haus heizt sich über die großen Fensterfronten auf. Im Wohn- und Esszimmer kommt über die bodentiefen Fenster Wärme rein. Das gefällt auch dem schwarzen Kater Findus, der sich auf dem Holzboden räkelt. Geheizt werden die Räume darüber hinaus über ein Lüftungssystem, das nicht zu hören ist. Wenn die Brennstoffzelle arbeitet, entsteht Abwärme, die in die Zimmer verteilt wird.

    Bei der Einrichtung haben die Bewohner Wert auf Naturmaterialien gelegt, vor allem Holz ist überall zu sehen. Die Küche hat als Clou eine mit Heu gestaltete Theke. Würde sie sich als „Öko“ bezeichnen? Rita Hörmann bejaht. Sie und ihr Mann wollten der nächsten Generation die Erde mit dem Gefühl hinterlassen, auf die Ressourcen geachtet zu haben. „Wir haben vier Kinder, das ist unser ein Ansporn,“ erklärt die 51-Jährige. Der Begriff „Öko“ ist für sie längst nicht mehr nur der Partei Der Grünen zuzuordnen. Sie selbst habe beispielsweise einmal auf der Gemeinderatsliste für die CSU kandidiert.

    „Es wird oft viel zu dicht gebaut“

    Das Wasserstoffhaus liegt am Ortsrand. Wichtig für den Bau eines solchen Hauses sei die Wahl des Grundstückes mit einer hohen Energieausbeute, betont der Bauherr. „Es wird oft viel zu dicht gebaut, das verschattet die Dächer,“ kritisiert Rita Hörmann. Ihr Haus liegt in der Nähe der Firma und soll auch aus Anschauungsobjekt für Kunden dienen. Den Hörmanns ist bewusst, dass ihr Eigenheim nicht ganz privat sein wird. In den nächsten Wochen zeichnet sich jetzt schon ein lebhaftes Kommen und Gehen ab. Der Erhalt des Bundesinnovationspreises hat ein enormes Echo ausgelöst, von dem die Unternehmer überrascht, ja fast überrollt, wurden. Das Fernsehen hat sich genauso angekündigt wie eine Abordnung des Bundeswirtschaftsministeriums.

    Rita Hörmann versucht in dem Trubel den kühlen Kopf zu behalten. Sie hofft, dass sie in nächster Zeit die Muße finden wird, sich um die Dekoration in den neuen vier Wänden zu kümmern. Doch auch wenn die Bilder an den Wänden fehlen, sind die Hörmanns in ihrem „Inselhaus“ drei Monate nach dem Einzug angekommen: „Wir fühlen uns sehr, sehr wohl.“

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