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Corona-Krise: Wenn Besorgungen zur Zerreißprobe für die Nerven werden

Corona-Krise

Wenn Besorgungen zur Zerreißprobe für die Nerven werden

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    Vor einer Apotheke in Neusäß bildete sich gestern eine lange Warteschlange. Die Menschen haben Angst, dass Medikamente knapp werden können.
    Vor einer Apotheke in Neusäß bildete sich gestern eine lange Warteschlange. Die Menschen haben Angst, dass Medikamente knapp werden können. Foto: Marcus Merk

    Vor der Nibelungen-Apotheke in Neusäß steht Carolin Güntzel mit ihrem Hund Maja in der langen Warteschlange: „Es dürfen nur maximal fünf Personen hinein, aber hier alles läuft diszipliniert ab.“ Sie zeigt auf ihren Einkaufskorb mit Hackfleisch vom Metzger, einigen Packungen H-Milch und sechs Würfeln Hefe aus dem benachbarten Supermarkt. „Allerdings gibt es kein Mehl mehr, aber ich habe noch einen kleinen Vorrat zuhause.“ Sie hat kein Verständnis für die Hamsterkäufe: „Alle sagen, sie hamstern nicht und haben einen überrandvollen Einkaufswagen“, beobachtete sie. Endlich kann sie in die Apotheke und hat tatsächlich das letzte Flächendesinfektionsmittel 25 ml für 95 Cent ergattert.

    Die Nachfrage nach Mundschutz, Desinfektionsmitteln, Fieberthermometern ist ungebrochen, erklärt Carolin von Fritschen, Inhaberin der Nikolaus-Apotheke. „Wir bekommen vom Händler, wenn überhaupt, nur ein bestimmtes Kontingent und müssen unsere Kunden immer wieder leider vertrösten. Wir würden auch die Desinfektionsmittel selbst herstellen, aber es fehlen die Ausgangssubstanzen“, sagt die Apothekerin. Sie befürchtet, dass die Situation in naher Zukunft weiter angespannt bleibt, doch ein kleiner Trost bleibt: Nachschub für Flächen- und Flächendesinfektion wird für Mittwoch erwartet.

    Lothar Seeßle betreibt auf dem Augsburger Stadtmarkt einen Imbiss und wohnt in Stadtbergen. Gestern kaufte er wie gewohnt in der Norma am Nestackerweg ein. „Ich bevorrate mich nicht, es gibt keinen Notstand und vor allem lasse ich mich von der Hysterie nicht anstecken, es nichts anderes als eine starke Erkältung oder Grippe“, sagt er unbeeindruckt.

    Coronavirus: Das Hundefutter darf nicht ausgehen

    Jetzt kauft er Kaffee, Kekse, Nudeln, Toastbrot, ein Päckchen Mozarella und Leckerlis für seinen Dackel Resi. „Das Hundefutter darf natürlich keinesfalls ausgehen“, lacht er. Beruflich stuft er die aktuelle Situation allerdings als dramatisch ein: „Die Leuten gehen nicht mehr einfach mal schnell essen, ich befürchte für mich Existenz vernichtende Geschäftseinbußen.“

    Die Stadtbergerin Regina Schiefer packt gerade vor dem Pennymarkt an der Hagenmähder Straße ihren Einkauf in den Fahrradkorb. Sie bedauert, dass es weder Hefe noch Trockenhefe gibt, Eier wie Milch sind bereits ausverkauft. Auch sie verurteilt Hamsterkäufe und kauft lediglich gezielt für den täglichen Bedarf ein: „Tomaten, Salat und ein paar Salzstängele, das langt für heute!“ Sie appelliert an die Mitbürger, dass das soziale Denken Vorrang haben muss.

    Sie ist froh, dass es Personal in den Verbrauchermärkten gibt, die für die vielen Kunden da sind. Großen Respekt zollt sie auch allen Ärzten, Pflegekräften, Apothekern, die trotz des Coronavirus die Ruhe bewahren und ihr Bestes geben.

    Die Einkaufsbilanz bei Christine Stadler fällt an Mittag im Marktkauf in Stadtbergen bescheiden aus: „Erst war ich erfolglos im Alnatura, da war ich auf der Suche nach bestimmten Bioprodukten für meinen Sohn, der in Berlin wohnt. Ich soll ihm Erdnussbutter, bestimmte Bionudeln und Tomatendosen schicken, die sind dort ausverkauft“, meint sie kopfschüttelnd. Sie hat eine kleine Auswahl gefunden, die nun auf die Reise in die Bundeshauptstadt gehen. „Gemüse, Salat und Obst allerdings kaufe ich vor Ort bei unserer Gärtnerei, da fühle ich mich bestens versorgt“, erzählt sie.

    Angst vor einer Ansteckung hat sie nicht. „Doch als kleine Vorsichtsmaßnahme habe ich für mich uns meinen Mann eine Maskenmundschutz daheim, den wir hoffentlich nicht einsetzen müssen“, verrät sie.

    Andrea Steffan arbeitet in Steppach im Einzelhandel der Lebensmittelbranche. Sie nutzt ihre kurze Mittagspause, um in der Nikolaus-Apotheke in der Hagenmähder Straße ein Rezept für ihre betagten Eltern einzulösen. Sie begrüßt den Sicherheitsabstand von 1,50 Metern, der für die Kunden auf dem Boden mit einem Klebestreifen markiert ist.

    Längere Ladenöffnungszeiten belastet die Verkäufer

    „Bei uns im Supermarkt kaufen die Menschen den Laden leer, meist Unmengen von wertvollen frischen Lebensmitteln, die meist gar nicht benötigt werden“, vermutet sie. Vieles lande dann leider im Müll, davon könnten die Tafeln profitieren, für die jetzt kaum etwas abfällt. Längere Öffnungszeiten in den Supermärkten auch am Sonntag hält sie für Wahnsinn: „Wer nimmt denn Rücksicht auf die Angestellten und ihre Familien?“

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