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Schiedsrichter: Interview: Wie sich das Klima auf dem Fußballplatz verändert hat

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Interview: Wie sich das Klima auf dem Fußballplatz verändert hat

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    Insgesamt fast 75 Dienstjahre als Schiedsrichter haben Erich Bschorr (rechts) und sein Sohn Wolfgang auf dem Buckel. Dabei haben die beiden Bonstetter über 4000 Spiele geleitet. 
    Insgesamt fast 75 Dienstjahre als Schiedsrichter haben Erich Bschorr (rechts) und sein Sohn Wolfgang auf dem Buckel. Dabei haben die beiden Bonstetter über 4000 Spiele geleitet.  Foto: Marcus Merk

    Das dröhnt gewaltig in den Ohren, wenn Erich und Wolfgang Bschorr beim Fototermin gemeinsam in die Schiedsrichter-Pfeife pusten. Während Vater

    Wie sind Sie denn zur Schiedsrichterei gekommen?

    Erich Bschorr: Mein Arbeitskollege Horst Schmid, später lange Jahre als Sportrichter tätig, hat einen Schiedsrichter-Kurs gemacht. Da bin ich dann mitgegangen. Vorher habe ich in Bonstetten gespielt, hatte aber Pech gehabt und mir zwei Verletzungen zugezogen.

    Wolfgang Bschorr: Mein Vater hat mich immer mitgenommen, wenn er in der Hobbyliga gepfiffen hat. Da durfte ich dann mit zwölf Jahren an der Seitenlinie winken. Im Fußball war ich brutal talentiert (lacht). Ich hatte einen Stammplatz auf der Bank. Als ich mir dann den Arm gebrochen habe, dachte ich mir, probier’s doch mal als Schiedsrichter.

    Wann haben Sie das erstes Spiel gepfiffen?

    Erich Bschorr: Das war 1969. ESV Augsburg gegen NCR Augsburg Reserven. Ich habe vom damaligen Obmann, dem Bundesliga-Schiedsrichter Karl Riegg, eine Postkarte bekommen, dass ich dieses Spiel zu leiten habe. Die Lehrabende fanden damals im Cafe Schachermeier in der Annastraße statt.

    Wolfgang Bschorr: 1994 habe ich das Reservespiel SV Gablingen gegen SV Ehingen gepfiffen. Unser Lehrwart war Manfred Kranzfelder. Mit einem Tageslichtprojektor wurden in der Gaststätte des Rosenaustadions Folien an die Wand projeziert.

    An welches Spiel erinnern Sie sich immer wieder?

    Erich Bschorr: Mein erstes Spiel in der Bezirksliga war BC Aichach gegen TSV Aindling vor 1200 Zuschauern. Schiedsrichter Bschorr aus der Gruppe Augsburg wird sich schwer tun, war in der Zeitung gestanden. Aber es ist hervorragend gelaufen. Keiner hat geschimpft. Das baut einen auf.

    Wolfgang Bschorr: Im Jahr 2000 bin ich bei einem Entscheidungsspiel körperlich angegangen worden, konnte nur unter Polizeischutz den Platz verlassen. Das zehrt an einem. Vor allem, wenn die Familie zuschaut. Das sind Momente, in denen man überlegt, aufzuhören. Es gibt aber auch schöne Augenblicke. Wenn man zum Beispiel ins Grünwalder Stadion mit seiner langen Geschichte einläuft. Ich hatte das Vergnügen, als Assi dabei zu sein, als Holger Badstuber nach langer Verletzung in der zweiten Mannschaft des FC Bayern erstmals wieder gespielt hat. So einen Medienrummel habe ich noch nie erlebt.

    Merkt man als Schiedsrichter, wenn man eine Fehlentscheidung getroffen hat und was kann man dagegen tun?

    Wolfgang Bschorr: Manchmal denkt man sich ’Der Pfiff war nichts’. Manchmal kann man das charmant mit einem Small Talk im Vorbeigehen lösen, dann sehen die Spieler, dass man die Nase nicht so weit oben hat. Keinesfalls sollte man mit einer Konzessionsentscheidung reagieren.

    Erich Bschorr: Man kann ja nicht einen Fehler mit einem anderen Fehler gutmachen.

    Schiedsrichtern, die heutzutage im Anzug und mit Trolly zum Spiel erscheinen, wird oft eine gewisse Arroganz vorgeworfen. Was sagen Sie dazu?

    Wolfgang Bschorr: Naja, wenn du mit Anzug zum Bezirksliga-Spiel kommst, landest du schnell in einer Schublade (lacht). Da heißt es gleich, ’schau ihn an – aber pfeifen kann er nicht’. Aber das Köfferchen ist durchaus notwendig. Teilweise hat man acht oder zehn verschiedene Trikots dabei.

    Gab es auch lustige Situationen?

    Erich Bschorr: Nach einem Spiel in Altenmünster bin ich einmal sitzen geblieben, weil wir uns noch über die zurückliegenden 90 Minuten ausgetauscht haben. Als ich in der früh um drei Uhr nach Hause gekommen bin, stand meine Frau am Fenster (lacht).

    Wolfgang Bschorr: Bei der Landkreismeisterschaft im Hallenfußball, damals noch mit Bande, hat mir plötzlich ein Fan von hinten einen Tirolerhut aufgesetzt. Ich habe gewunken und die Zuschauer haben im Stehen applaudiert. Die Stimmung war am Siedepunkt.

    Wie hat sich die Atmosphäre auf den Fußballplätzen verändert?

    Erich Bschorr: Loben tut dich keiner. Oft ist man der Sündenbock. Aber da muss man drüber stehen.

    Wolfgang Bschorr: Alles ist temperamentvoller geworden. Nicht nur bei ausländischen Mannschaften. Es wird auch viel Stress von außen nach innen getragen. Anscheinend brauchen die Zuschauer ein Ventil. Im Umgang miteinander herrscht heutzutage scheinbar Narrenfreiheit. Der Respekt geht immer mehr verloren. Aber das ist ein gesellschaftliches Problem, das ist anerzogen.

    Warum haben Sie mit dem Pfeifen aufgehört?

    Erich Bschorr: Ich musste! Während eines Spiels in Ehingen bin ich ausgerutscht. Dabei hat es mir eine Sehne vom Beckenknochen weggerissen. Seitdem kann ich nicht mehr schnell laufen. Viel schlimmer war: Ich konnte das nächste Spiel nicht mehr pfeifen, für das ich schon eingeteilt war. Und die weiteren auch nicht. . Das hat ganz arg weh getan. Momentan war ich da wirklich unausstehlich. Ich habe ja meist drei Spiele am Wochenende gepfiffen und unter der Woche die Jugend

    Wolfgang Bschorr: Ich konnte den Zeitpunkt selbst wählen. Beruf und Familie haben mich immer mehr in Anspruch genommen. Da ich oft quer durch Bayern unterwegs war und dafür sogar Urlaub opfern musste, habe ich mir gedacht, dieses Zeit verbringe ich lieber daheim. Außerdem hatte ich aus Altersgründen keine Perspektive mehr.

    Was bleibt von der Pfeiferei?

    Erich Bschorr: Ich war immer Schiedsrichter aus Leidenschaft und ich will keine Sekunde missen. Trotz meiner Verletzung bin ich immer noch als Beobachter unserer Nachwuchsschiedsrichter unterwegs und schaue, ob sie fähig sind, allein ein Spiel zu leiten.

    Wolfgang Bschorr: Im ersten Moment ist es ein undankbarer Job. Du hast meist 22 Gegner plus die Zuschauer (lacht). Aber es festigt einen. Ich bin als Schiedsrichter auch zweimal abgestiegen. Auch das hat mich nicht aus der Bahn geworfen. Die Kameradschaft unter den Schiedsrichtern hat mich immer aufgefangen. Das habe ich sehr geschätzt.

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