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Rückblick auf 2020: Sensationsfund: Was das Grab von Nordendorf über unsere Vorfahren verrät

Rückblick auf 2020

Sensationsfund: Was das Grab von Nordendorf über unsere Vorfahren verrät

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    Bei Ausgrabungen in Nordendorf entdeckten Archäologen ein voll ausgestattetes Grab eines Reiterkriegers aus dem frühen Mittelalter. Für die Wissenschaft ist dieser Fund ein absoluter Glücksfall.
    Bei Ausgrabungen in Nordendorf entdeckten Archäologen ein voll ausgestattetes Grab eines Reiterkriegers aus dem frühen Mittelalter. Für die Wissenschaft ist dieser Fund ein absoluter Glücksfall. Foto: Marcus Merk (Archivbild)

    Als die Forscher das komplette Pferdegerippe aus dem Erdreich bargen, sah es aus, als ob es gerade erst eingegraben worden wäre. So erinnert sich Elmar Schöniger an den Moment, als Archäologen in Nordendorf einen Aufsehen erregenden Fund ans Tageslicht holten: Das voll ausgestattete Grab eines Reiterkriegers aus dem frühen Mittelalter.

    Mit Pferd, Schild, Schwert und Lanze war der Mann vor vermutlich mehr als 1300 Jahren bestattet worden. Sein Grab geriet in Vergessenheit und wurde nicht – wie die allermeisten anderen – im Laufe der Jahrhunderte geöffnet und geplündert. Für die Wissenschaft ist dieser Fund ein absoluter Glücksfall. Öffnet er doch ein Fenster in eine Epoche, aus der es nur wenig Zeugnisse gibt.

    Nordendorfer Sensationsfund: Oft waren Grabräuber schneller

    So ungefähr könnte der Reiter von Nordendorf ausgesehen haben.
    So ungefähr könnte der Reiter von Nordendorf ausgesehen haben. Foto: Marcus Merk

    Frühmittelalterliche Reiter-Pferde-Gräber sind in Südbayern sehr selten. Vor vier Jahren wurde ein solches Grab auf einem etwa 1500 Jahre alten Friedhof in München-Pasing entdeckt. Grabräuber hatten es aber vermutlich bereits im frühen Mittelalter wieder geöffnet, zerwühlt und Beigaben mitgenommen. Ein „besonderer Befund“ sei deshalb der Reiter von Nordendorf, sagt das Landesamt für Denkmalpflege. Derzeit wird der Inhalt in München konserviert, Anfang kommende Woche soll er der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Bestattet worden war der etwa 1,80 Meter große Krieger, der nach ersten Erkenntnissen zwischen 20 und 40 Jahre alt wurde, nicht nur mit Pferd und Waffen. Zu den Grabbeigaben gehörten auch Geschirr aus Ägypten und Goldblattkreuze.

    Für die Archäologen war das aus zweierlei Gründen aufschlussreich. Das Geschirr belegt, dass es im siebten Jahrhundert eine relativ wohlhabende Bevölkerungsgruppe mit Fernhandelsbeziehungen gegeben haben muss, die Kreuze lassen auf einen sehr frühen Zeitpunkt der Christianisierung schließen. Das ganze sei „super spannend,“ sagte eine Sprecherin des Landesamtes gegenüber unserer Zeitung.

    Die Ausgrabungen erfolgten im vergangenen Sommer zwischen Bahnlinie und B2 in einem kleinen Baugebiet an der Augsburger Straße. Als dort die Bagger anrollen sollten, waren die Archäologen von vorneherein alarmiert. Denn seit 150 Jahren ist klar, dass dieser Flecken Erde zahlreiche Spuren aus dem frühen Mittelalter birgt.

    Arbeiter stießen auf mehr als 400 Gräber

    Das ist die Nordendorfer Fibel aus dem 6. Jahrhundert nach Christus.
    Das ist die Nordendorfer Fibel aus dem 6. Jahrhundert nach Christus. Foto: Römisches Museum Augsburg

    1844 stießen Arbeiter beim Bau der Bahnlinie nach Donauwörth auf die Überreste von mehr als 400 Gräbern aus der Zeit der Alamannen, die die Gegend nach den Römern beherrschten. Es gab spektakuläre Funde: darunter eine silberne Fibel, auf deren Rückseite Runen eingeritzt sind. Das Schmuckstück lagert heute im Depot des Römischen Museums in Augsburg und Nordendorf hat in Fachkreisen den Ruf, eine der wichtigsten Fundstellen für das frühe Mittelalter in Bayerisch-Schwaben zu sein.

    Dieser Ruhm sein ein durchaus zweischneidiges Schwert, seufzt Bürgermeister Schöniger. Die Ausgrabungen der Archäologen seien zeitraubend und teuer. „Manches, was da aus dem Boden geholt wurde, wäre besser drin geblieben,“ findet der Rathauschef. Im Falle des Reiterkriegers sei das natürlich anders. Auf den könne man stolz sein, sagt Schöniger, der zur Präsentation der Funde nach München kommen soll.

    Eine erste Sondierung des Grabungsgeländes hatte die Kreisheimatpflegerin für Archäologie, Gisela Mahnkopf, vorgenommen. Dunkle Flecken im Boden hätten gezeigt, „da ist was“. Die eigentlichen Grabungen konnten Mahnkopf und ihr Arbeitskreis Frühgeschichte nicht vornehmen - sie waren gerade in Meitingen mit den Ausgrabungen der Überreste einer frühmittelalterlichen Siedlung beschäftigt.

    Wo im frühen Mittelalter Siedlungen entstanden

    Nordendorf, Meitingen und Thierhaupten mit seinem schon im 8. Jahrhundert gegründeten Kloster liegen nah beisammen. „Sicher hat es da Bezüge gegeben,“ sagt Mahnkopf. Weitere Ortsnamen wie Mertingen, Gablingen und Täfertingen weisen nach ihren Angaben auf eine rege Siedlungstätigkeit in dieser Zeit hin. Lech und Schmutter sowie die alten Handelsstraßen der Römer ließen das Gebiet attraktiv erscheinen.

    Besiedelt war die Gegend jedoch schon weit vor Franken, Alamannen und Römern. Im Nordendorfer Ortsteil Blankenburg finden sich Siedlungsspuren aus der Jungsteinzeit und Bronzezeit. Ausgrabungen zwischen den Jahren 2007 und 2011 förderten dort die Überreste einer mehr als 6000 Jahre alten Siedlung zutage sowie eines Friedhofes, auf dem vor 4000 Jahren die ersten Menschen bestattet wurden.

    Mahnkopf hat zu dem Thema ein mehr als 200-seitiges Buch herausgegeben: „Geschichte – aus dem Boden – Archäologische Ausgrabungen in Blankenburg.“ In dem Werk sind alle wichtigen Funde im Gebiet von Nordendorf aufgelistet und beschrieben. Nun könnte es noch um ein wichtiges Kapitel ergänzt werden.

    Wenn Archäologen auf spektakuläre Funde stoßen, hilft oft auch der Zufall. Lesen Sie dazu:

    Zum Ende von 2020 präsentieren wir unsere besten Geschichten des Jahres. Einen Überblick über unsere Top-Themen finden Sie hier.

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