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Rommelsried: Als eine Seuche in Rommelsried und Horgau grassierte

Rommelsried

Als eine Seuche in Rommelsried und Horgau grassierte

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    Die Kirche St. Ursula und Gefährtinnen in Rommelsried, an deren Turm die Grabplatte angebracht ist.
    Die Kirche St. Ursula und Gefährtinnen in Rommelsried, an deren Turm die Grabplatte angebracht ist. Foto: Annemarie Wiedemann

    Die Corona-Pandemie ist zurzeit allgegenwärtig und wird uns mit ihrer Ansteckungsgefahr noch einige Zeit begleiten. Seuchen und schlimme Krankheiten gab es aber auch früher. Aufzeichnungen, die an solch eine Episode erinnern, gibt es aus den Pfarrgemeinden Rommelsried und Horgau aus den Jahren 1771 und 1772.

    Damals kümmerten sich die pflegende Familie, Heilkundige der Dorfgemeinschaft und auch der Pfarrer, der oft als Einziger lesen und schreiben konnte, um die Kranken. Im Glauben suchten die Menschen Trost und Beistand, legten Gelübde für Wallfahrten und Passionsspiele ab. Votivtafeln an Wallfahrtsorten zeugen von Gebetserhörungen und der Schäfflertanz ermunterte die Menschen, wieder auf die Straße zu gehen.

    Jahrhunderte später schrieb ein Pfarrer über die Seuche

    In den Notizen von Pfarrer Adelsberger, der von 1928 bis 1933 in Rommelsried wirkte, steht: „Nur eine Grabplatte von 1772 gibt Aufschluss, dass um jene Zeit dahier eine ansteckende Krankheit bös gehaust hat und dass dabei in Ausübung seines priesterlichen Berufes auch der Pfarrer ein Opfer dieser Krankheit geworden ist.“ Die Platte, in Latein abgefasst, ist heute noch an der Südwand des Chores der Kirche St. Ursula und Gefährtinnen zu finden.

    Dekan Pfarrer Thomas Rauch (links hinten) und der langjährige Wallfahrtspfarrer Kresimir Gagula 2018 mit den Radegundis-Mädchen in ihrer historischen Tracht.
    Dekan Pfarrer Thomas Rauch (links hinten) und der langjährige Wallfahrtspfarrer Kresimir Gagula 2018 mit den Radegundis-Mädchen in ihrer historischen Tracht. Foto: Annemarie Wiedemann

    Klinikseelsorgerin Gudula Müllegger, Professor Dr. Stefan Schreiber und Pastoralreferent Lorenz Wiedemann haben den Text übersetzt: „Hier ruht der äußerst hochwürdige und außerordentliche Herr Johann Georg Gerzner, Bakkalaureus der heiligen Theologie und Candidat des heiligen Kirchenrechts, Pfarrer an diesem Ort für 15 Jahre. Durch eine zu dieser Zeit grassierende (ansteckende) Krankheit wurde er für die Seinen zum Opfer der Liebe, in seinem 55ten (Lebens-)Jahr im 1772ten Welt- (Jahr). Ein wahrhaft guter Hirte, der sein Leben gab für seine Schafe. Ihm eine glückliche Auferstehung erbittend, lebe wohl.“

    Gläubige pilgern seitdem zur heiligen Radegundis

    Die Gläubigen von Rommelsried begehen seither eine Fußwallfahrt zur heiligen Radegundis zunächst nach Wellenburg und dann nach Waldberg. Der mündlichen Überlieferung nach soll es ein Pestgelübde sein. Im Wallfahrtsverzeichnis ist im Jahr 1772 Rommelsried unter allen benachbarten Pfarreien der Umgebung und auch 1792 unter den Gemeinden, die jährlich mit Kreuz und Fahnen kommen, aufgezählt. Und es liegt nahe, dass es zwischen der Krankheit und der Wallfahrt einen Zusammenhang gibt. Und nach einer weiteren Zählung sind es 205 Jahre ohne Unterbrechung. Selbst in Zeiten von Krieg und Wallfahrtsverboten fanden sich Fußwallfahrer aus Rommelsried ein. In diesem Jahr allerdings, 2020, musste die Wallfahrt coronabedingt ausfallen. Sie hätte am vergangenen Wochenende stattgefunden. Dekan Pfarrer Thomas Rauch konnte lediglich einen Segen spenden.

    Die Gedenktafel für den 1772 verstorbenen Pfarrer Johann Georg Gerzner.
    Die Gedenktafel für den 1772 verstorbenen Pfarrer Johann Georg Gerzner. Foto: Annemarie Wiedemann

    Radegundis, um 1270 in Wulfertshausen geboren, war Dienst- und Viehmagd auf Schloss Wellenburg. Daneben kümmerte sie sich, was der Schlossherr ungern sah, um die Armen und Kranken, die abgesondert im Siechenhaus am Fuße des Schlossbergs lebten. Auf dem Weg dorthin wurde sie um das Jahr 1300 im Wald von Wölfen angefallen und starb nach drei Tagen an den Folgen. Sie war schon zeitlebens beliebt und nach ihrem Tod setzte bei der Bevölkerung ihre Verehrung ein, die dann auch von Herrschaft und Kirche gefördert wurde. An ihrer Wirkungsstätte, dem Leprosenhaus, wurde eine Kirche für ihre Gebeine erbaut. Ein Sturm zerstörte sie Anfang des 19. Jahrhunderts und Reichsfürst Anselm Maria Fugger ließ den gefassten Leib 1812 „in aller Stille“ nach Waldberg überführen, wo sie unter dem Hochaltar ruht. Ihr Andenken wird bis heute am vierten Sonntag nach Pfingsten mit einem Fest gepflegt.

    Die Seuche war vielleicht die Lungenpest

    Es war wohl eine Art Lungenpest, die um 1772 in Horgau grassierte. Im Archiv des Bistums Augsburg und im Historischen Medizin Museum in Ingolstadt wird für diese Jahre zwar eine „grassierende Krankheit“ bestätigt, aber nicht als Pest bezeichnet, so die Leiterin, Professorin Marion Ruisinger. Für sie stellt sich die bislang noch unbeantwortete Frage, wann der Begriff Lungenpest in die Aufzeichnungen kam.

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