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Reitenbuch: Missbrauch im Kinderheim: Auf welche finanzielle Hilfe können die Opfer hoffen?

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Missbrauch im Kinderheim: Auf welche finanzielle Hilfe können die Opfer hoffen?

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    Im Kinderheim in Reitenbuch, einem Ortsteil von Fischach, wurden Kinder jahrzehntelang missbraucht. Nun hoffen die Opfer auf Entschädigung.
    Im Kinderheim in Reitenbuch, einem Ortsteil von Fischach, wurden Kinder jahrzehntelang missbraucht. Nun hoffen die Opfer auf Entschädigung. Foto: Marcus Merk (Symbolbild)

    Schläge, Demütigung, sexueller Missbrauch - die schrecklichen Taten im Kinderheim Reitenbuch liegen zwar viele Jahre zurück, doch lassen die Opfer nicht los. Jahrzehntelang wurde geschwiegen. Nun wurden die Vorfälle umfangreich aufgearbeitet. Die Verantwortlichen bitten um Verzeihung und sichern den Opfern Hilfe zu. Auch finanziell. Bislang erhielten sie eher symbolische Beträge. Das soll sich ändern.

    Eines der Opfer ist heute 69 Jahre alt. Die Vorfälle im Kinderheim lassen ihn nicht los. Als Kind wurde er sexuell missbraucht, erzählt der Mann heute. Sein Leben lang habe er mit den Folgen zu kämpfen. "Ich bekomme heute nur 700 Euro Rente", sagt der 69-Jährige. Das liege auch daran, dass er im Berufsleben aufgrund der psychischen Folgen des Missbrauchs immer wieder ausfiel. "Ich brauche Hilfe", sagt der Mann. Vor Jahren habe er zwar schon einmal mehr als 20.000 Euro als Entschädigung vom Bistum bekommen. Doch dieses Geld reiche nicht aus, sagt der Mann.

    Missbrauchsfälle in Reitenbuch: Bistum Augsburg hat 114.000 Euro überwiesen

    Tatsächlich hat das Bistum Augsburg inzwischen rund 114.000 Euro als Wiedergutmachung an insgesamt zwölf Opfer gezahlt. "Es ist davon auszugehen, dass sich der Gesamtbetrag noch erhöhen wird", erklärt ein Sprecher des Bistums auf Nachfrage. Denn die Kirche hat inzwischen eine neue Kommission eingerichtet, die sich zentral mit der Entschädigung von Betroffenen beschäftigt.

    Wieder gut machen könne man das Leid der Opfer nicht, sagt ein ehemaliges Heimkind: "Aber das Geld gibt uns unsere Würde zurück." Nun sei es an der Zeit für einen angemessenen Ausgleich. "Bisher gibt es den einfach nicht", meint das ehemalige Heimkind. Er komme sich mitunter vor wie ein Bittsteller. Während andere Opfer kein Geld von der Kirche annehmen möchten, sei er darauf angewiesen. Ähnlich geht es einem anderen ehemaligen Bewohner. Sein Schicksal hat große Teile der Aufarbeitung ins Rollen gebracht.

    Der heute 59-Jährige hofft, dass er durch die Zahlung seine Therapiekosten zahlen und entfallenen Lohn ersetzen kann. Mit 44 Jahren erlitt das Missbrauchsopfer einen Herzinfarkt, anschließend konnte er nicht mehr voll arbeiten und beantragte eine Erwerbsminderungsrente. Mit 65 wolle er wieder eine vernünftigste Rente beziehen, sagt er. Doch dafür brauche er die finanzielle Unterstützung der Kirche.

    Hier können Betroffene Ausgleichszahlungen beantragen

    Wie andere Missbrauchsopfer kann der Betroffene auf Entschädigungszahlungen der Katholischen Kirche hoffen. Die deutschen Bischöfe hatten sich bei ihrer Herbst-Vollversammlung in Fulda zu einem Kurswechsel entschlossen. Anstatt den Opfern wie bisher eher symbolische "Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids" zukommen zu lassen und zudem Therapiekosten zu übernehmen, wollen sie künftig "Schmerzensgeld für die dauernden Lebensbeeinträchtigungen" zahlen. Um zu ermitteln, wie viel Geld den Opfer zusteht, wird eine Kommission eingesetzt, die sogenannte Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA).

    Nach Angaben des Bistums Augsburg haben bislang vier ehemalige Heimkinder aus Reitenbuch einen entsprechenden Antrag bei der UKA gestellt. In einem Fall liege bereits eine Entscheidung vor, die anderen würden noch geprüft, erklärt ein Sprecher des Bistums. Die Zahlungen erfolgten jeweils aus Mitteln des Bischöflichen Stuhles, also vom Bistum. Kirchensteuermittel werden für solche Leistungen bewusst nicht herangezogen.

    Trägerverein will sich nicht hinter Anerkennungsleistungen verstecken

    Darüber hinaus will sich auch der Trägerverein des Kinderheims in Reitenbuch an den finanziellen Ausgleichszahlungen beteiligen. Wie das konkret abläuft, wird derzeit entschieden. Der Verein Christlicher Kinder- und Jugendhilfe wolle sich nicht hinter den bereits geleisteten und anstehenden Anerkennungsleistungen der Diözese Augsburg verstecken, sagt Bernhard Gattner, Sprecher des Caritasverbands für die Diözese Augsburg. Hierzu gab es mit der zuständigen Stelle des Bistums erste Gespräche. Wie viel Geld den Opfern aus den Kinderheimen in Reitenbuch und Baschenegg am Ende zusteht, könne man noch nicht sagen.

    Nach einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (EPD) hat die katholische Kirche bis zum Februar insgesamt rund zwölf Millionen Euro an Missbrauchsopfer gezahlt. Das Bistum Regensburg musste am meisten bezahlen. Nach dem Beschluss der Bischofskonferenz orientiert sich die Höhe der Zahlungen mittlerweile an zivilen Schmerzensgeldzahlungen. Betroffene sexualisierter Gewalt in der Kirche erhalten nun bis zu 50.000 Euro. Zuvor erhielten Missbrauchsopfer meist einen Regelbetrag von 5.000 Euro.

    Einen entsprechenden Antrag stellen können Missbrauchsopfer, die als Minderjährige oder schutzbedürftige Erwachsene von einem Kleriker oder Mitarbeiter der Kirche missbraucht wurden. Auch Opfern, die bereits einen Antrag auf sogenannte "Anerkennung des Leids" gestellt haben, steht erneut finanzielle Unterstützung zu. Mehr dazu finden Betroffene im Internet unter www.anerkennung-kirche.de.

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